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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Falke, Otto von: Die Kunsttöpferei auf der Pariser Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0092

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DIE KUNSTTÖPFEREI AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG

PORZELLANVASE AUS DER MANUFACTUR
VON SEVRES.

dienste geleistet hat. Die Art, wie der ostasiatische
Einfluss sich äussert, ist allerdings eine andere geworden;
heute handelt es sich nicht mehr wie bei den Delfter
Fayencen und den Porzellanen der Meissener Frühzeit
um eine mehr oder minder äusserliche Nachahmung
japanischer und chinesischer Muster, sondern um eine
selbständigere und wohlüberlegte Verwertung tech-
nischer und ornamentaler Anregungen. Die ausge-
sprochenen und unverkennbaren Chinoiserien des
18. Jahrhunderts werden gegenwärtig vermieden, schon
deshalb, weil nicht mehr die aufdringlichen Export-
waren Ostasiens, sondern die viel diskreteren und
vornehmeren altjapanischen und chinesischen Töpfer-
werke als Vorbilder dienen.

Eine der bemerkenswertesten auf japanischer Grund-
lage entstandenen Neuschöpfungen der modernen
Keramik ist das Steinzeug mit farbigen im Scharffeuer
geflossenen, gefleckten oder geflammten Glasuren.
Während in früheren Jahrhunderten die Steinzeug-
töpferei eine deutsche Spezialität war, ist heute die
Führung unbestritten auf Frankreich übergegangen.
Da das französische Gres flamme zur Zeit von der
Mode im hohen Grad begünstigt wird, ist auf der
Ausstellung ein bedeutendes Anwachsen dieser Industrie
festzustellen. Neben die schon seit längeren Jahren
wohlbekannten Steinzeugkünstler wie Bigot, Delaherche,
Dalpayrat, Damousse, Müller in Jvry ist nun eine
beträchtliche Anzahl neuer Firmen getreten, von denen
freilich nur wenige die Leistungen der genannten
Meister schon erreicht haben. Selbst die Porzellanmanu-
faktur von Sevres hat sich bewogen gesehen, die Stein-
zeugfabrikation in grossem Umfang ihrem Arbeitsgebiet
einzufügen. Es ist rühmend hervorzuheben, wie rasch
und gründlich das französische Steinzeug die Spuren
der japanischen Herkunft abgestreift hat. Ganz im Sinne
der Japaner mit beschränkter, sehr diskreter Farbenskala
in den Glasuren arbeiten nur noch die aus der Schule
des Bildhauers Carries, eines Begründers der Gres-
Industrie, hervorgegangenen Keramiker Jeanneney in
Nievre, Hoentschel und zum Teil auch Milet in Sevres
und Barck et Vallombreuse. Die Mehrzahl ihrer Ge-
nossen aber ist sowohl in der Glasurpalette wie auch
namentlich in den Dimensionen ihrer Erzeugnisse
über die japanischen Muster schon weit hinausge-
gangen. Etwas geringer ist das Streben nach Origi-
nalität in den Gefässformen. Von der Keramik ver-
langt die moderne Richtung im allgemeinen noch
nicht die Erfindung unerhörter Gefässformen, sondern
man erkennt auch solche Erzeugnisse als modern an,
die an die wenig gegliederten, rundlichen Vasenfor-
men des altchinesischen Porzellans sich anlehnen. Da
diese grade wegen des Fehlens stark betonter Profile
der Technik der im hohen Feuer fliessenden Glasuren
entgegen kommen, sind sie die Grundlage für das mo-
derne Steinzeug geworden, gelegentlich durch die
Zuthat breit und rundlich gehaltenen Reliefschmuckes
europäisiert. Eine bewusste Ausnahme machen die
mit edlem Formgefühl entworfenen und streng ge-
gliederten Vasen von Michel Cazin.

Eine Neuerung der Steinzeugindustrie, die auf
der Pariser Ausstellung zum erstenmal deutlich
 
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