DIE KUNSTSTICKEREI AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG
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PORZELLANVASE, MODELL VON KAENDLER,
KGL. PORZELLANMANUFACTUR MEISSEN.
auf denen ein Rosenmotiv in Plattstich gestickt war,
ungemein reizvoll.
Die Zeichnung der stilisierten Blüten in der Art
der Japaner, zwischen jedem Blütenblatt einen kleinen
Zwischenraum stehen lassend, verlieh dem Ganzen
etwas Leichtes und Graziöses. Ebenso entzückend
wirkte in einem Schlafzimmer eine Bettdecke, die in
ungemein feinen matten Farben auf stumpfem grau-
grünem Grund eine Applikation von stilisierten Blüten
und Blättern des Jelängerjelieber zeigte.
Im Gegensatz zu diesen sehr feinen und ein-
heitlichen Stickereien wirkte sehr wenig schön ein
Interieur, von »Bon marche« ausgestellt. Die Bezüge
der Möbel, violetter Sammet mit aufgenähter irischer
Spitzenarbeit, müssen als eine Geschmacklosigkeit be-
zeichnet werden. Es ist ein vollständiger Missgriff,
die zarten Gewebe der Spitzen zu Gegenständen
wie Möbelbezüge verwenden zu wollen. Wie sie an
richtiger Stelle angebracht wirken können, zeigten die
französischen Toiletten, die durch geklöppelte und ge-
nähte Spitzen verschwenderisch ausgestatteten Tisch-
gedecke und andere Wäschegegenstände.
Kunslgewerbeblatt. N. F. XII. H. 6.
Die Porzellanfabrik von Sevres stellte einen Tisch
mit figürlichen Tafelaufsätzen aus; das Gedeck hatte
einen wundervollen Spitzenabschluss von genähter
point de Venise.
Ganz besonderes Entzücken erregten aber die
farbigen, aus Gold- und Seidenfäden geklöppelten
Spitzen in der Art der Valenciennes, in wunderbar
schöner Zeichnung stilisierte Pflanzenformen. Diese
Spitzen, im Charakter den alten italienischen Gold-
filigranspitzen ähnlich, haben einen ganz eigenen Reiz
durch das Verflechten der bunten Seiden- mit den
Metallfäden. —
Was nun die modernen Stickereien Oesterreichs und
Deutschlands anbetrifft, so gewann man einen sehr
starken Eindruck von den Tendenzen der neuen Kunst-
richtung und ihrer Berechtigung, namentlich bei Verwer-
tung des Ornamentes, das zu neuer Bedeutung gelangt.
Die Stickerei älterer Zeiten legte den grössten
Wert auf die Kostbarkeit des Materials und die tadel-
loseste Ausführung der Technik, die der Neuzeit hat
sich ein unendlich viel weiteres Feld geschaffen.
Gross und einfach in den Formen, weich und ab-
getönt in den Farben, strebt sie an, sich dem Ganzen
harmonisch einzufügen, jede Kleinheit und Zer-
splitterung vermeidend. Unser rasches Jahrhundert
hat naturgemäss das Bedürfnis, mit möglichst wenig
Aufwand von Zeit und Arbeit Schönes und Wirkungs-
volles zu schaffen; die feinen, mühevollen Arbeiten
des Mittelalters passen nicht in unser nervöses Zeit-
alter. Die Technik der Applikation herrscht beinahe
unumschränkt, sie eignet sich ja auch hervorragend
für dekorative Effekte. Man legt mit Recht das Haupt-
gewicht auf die Zeichnung, und viel Schönes ist durch
die harmonische Verbindung von Form, Farbe und
Material schon geschaffen worden und hat Anregung
zum Fortarbeiten gegeben. Es ist nur zu beklagen,
dass das grosse Publikum diesem Streben noch so
wenig Verständnis und Interesse entgegenbringt und
dass die äusserste Geschmacklosigkeit, wie wir sie so
oft zu sehen Gelegenheit haben, noch immer unter-
stützt wird.
Die Interieurs in der österreichischen Abteilung
auf der Esplanade des Invalides, des österreichischen
Pavillons und die Räume in der Ausstellung der
Secessionisten im Grand Palais des Beaux Arts boten
viel Bemerkenswertes an dekorativen Stickereien. Im
Vestibül des Repräsentationsgebäudes waren die Wände
mit Stoff bekleidet, auf grauem Grunde ein grüner
Blätterfries, der, als Silhouette behandelt, eigenartig
wirkte. —
Originell in der Komposition war ein Interieur
von Portois & Fix, Wien, ein runder Raum, dessen
in Felder eingeteilte Wände durch schmale Spiegel
unterbrochen wurden. Von unten aufstrebende Rosen-
bäume, die sich zu einem etwas schweren Fries ent-
wickelten, bildeten die dekorative Stickerei in Appli-
kation; die Zeichnung setzte sich, in Malerei aus-
geführt, auf den Spiegelflächen fort. Auch auf den
Möbeln aus hellgrau gebeiztem Ahornholz, die mit
leuchtend rotem Sammet bezogen waren, wiederholte
sich das Rosenmotiv in Silberstickerei.
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PORZELLANVASE, MODELL VON KAENDLER,
KGL. PORZELLANMANUFACTUR MEISSEN.
auf denen ein Rosenmotiv in Plattstich gestickt war,
ungemein reizvoll.
Die Zeichnung der stilisierten Blüten in der Art
der Japaner, zwischen jedem Blütenblatt einen kleinen
Zwischenraum stehen lassend, verlieh dem Ganzen
etwas Leichtes und Graziöses. Ebenso entzückend
wirkte in einem Schlafzimmer eine Bettdecke, die in
ungemein feinen matten Farben auf stumpfem grau-
grünem Grund eine Applikation von stilisierten Blüten
und Blättern des Jelängerjelieber zeigte.
Im Gegensatz zu diesen sehr feinen und ein-
heitlichen Stickereien wirkte sehr wenig schön ein
Interieur, von »Bon marche« ausgestellt. Die Bezüge
der Möbel, violetter Sammet mit aufgenähter irischer
Spitzenarbeit, müssen als eine Geschmacklosigkeit be-
zeichnet werden. Es ist ein vollständiger Missgriff,
die zarten Gewebe der Spitzen zu Gegenständen
wie Möbelbezüge verwenden zu wollen. Wie sie an
richtiger Stelle angebracht wirken können, zeigten die
französischen Toiletten, die durch geklöppelte und ge-
nähte Spitzen verschwenderisch ausgestatteten Tisch-
gedecke und andere Wäschegegenstände.
Kunslgewerbeblatt. N. F. XII. H. 6.
Die Porzellanfabrik von Sevres stellte einen Tisch
mit figürlichen Tafelaufsätzen aus; das Gedeck hatte
einen wundervollen Spitzenabschluss von genähter
point de Venise.
Ganz besonderes Entzücken erregten aber die
farbigen, aus Gold- und Seidenfäden geklöppelten
Spitzen in der Art der Valenciennes, in wunderbar
schöner Zeichnung stilisierte Pflanzenformen. Diese
Spitzen, im Charakter den alten italienischen Gold-
filigranspitzen ähnlich, haben einen ganz eigenen Reiz
durch das Verflechten der bunten Seiden- mit den
Metallfäden. —
Was nun die modernen Stickereien Oesterreichs und
Deutschlands anbetrifft, so gewann man einen sehr
starken Eindruck von den Tendenzen der neuen Kunst-
richtung und ihrer Berechtigung, namentlich bei Verwer-
tung des Ornamentes, das zu neuer Bedeutung gelangt.
Die Stickerei älterer Zeiten legte den grössten
Wert auf die Kostbarkeit des Materials und die tadel-
loseste Ausführung der Technik, die der Neuzeit hat
sich ein unendlich viel weiteres Feld geschaffen.
Gross und einfach in den Formen, weich und ab-
getönt in den Farben, strebt sie an, sich dem Ganzen
harmonisch einzufügen, jede Kleinheit und Zer-
splitterung vermeidend. Unser rasches Jahrhundert
hat naturgemäss das Bedürfnis, mit möglichst wenig
Aufwand von Zeit und Arbeit Schönes und Wirkungs-
volles zu schaffen; die feinen, mühevollen Arbeiten
des Mittelalters passen nicht in unser nervöses Zeit-
alter. Die Technik der Applikation herrscht beinahe
unumschränkt, sie eignet sich ja auch hervorragend
für dekorative Effekte. Man legt mit Recht das Haupt-
gewicht auf die Zeichnung, und viel Schönes ist durch
die harmonische Verbindung von Form, Farbe und
Material schon geschaffen worden und hat Anregung
zum Fortarbeiten gegeben. Es ist nur zu beklagen,
dass das grosse Publikum diesem Streben noch so
wenig Verständnis und Interesse entgegenbringt und
dass die äusserste Geschmacklosigkeit, wie wir sie so
oft zu sehen Gelegenheit haben, noch immer unter-
stützt wird.
Die Interieurs in der österreichischen Abteilung
auf der Esplanade des Invalides, des österreichischen
Pavillons und die Räume in der Ausstellung der
Secessionisten im Grand Palais des Beaux Arts boten
viel Bemerkenswertes an dekorativen Stickereien. Im
Vestibül des Repräsentationsgebäudes waren die Wände
mit Stoff bekleidet, auf grauem Grunde ein grüner
Blätterfries, der, als Silhouette behandelt, eigenartig
wirkte. —
Originell in der Komposition war ein Interieur
von Portois & Fix, Wien, ein runder Raum, dessen
in Felder eingeteilte Wände durch schmale Spiegel
unterbrochen wurden. Von unten aufstrebende Rosen-
bäume, die sich zu einem etwas schweren Fries ent-
wickelten, bildeten die dekorative Stickerei in Appli-
kation; die Zeichnung setzte sich, in Malerei aus-
geführt, auf den Spiegelflächen fort. Auch auf den
Möbeln aus hellgrau gebeiztem Ahornholz, die mit
leuchtend rotem Sammet bezogen waren, wiederholte
sich das Rosenmotiv in Silberstickerei.
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