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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Bartesch, Hermine: Die Kunststickerei auf der Pariser Weltausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0114

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io6

DIE KUNSTSTICKEREI AUF DER PARISER WELTAUSSTELLUNG

Die Wände in der Gemäldeausstellung der Se-
cessionisten waren ebenfalls mit Stoff bekleidet, dessen
etwas kalte, graue Farbe durch die Umrahmung von
dunkelbraunen Holzleisten gemildert wurde. Sehr
schön kam der gestickte Fries, ein Linienornament
mit weisser und goldgelber Kontur, zur Geltung.

Einige sehr gut wirkende, gestickte Vorhänge be-
fanden sich in anderen Interieurs, so eine ecrufarbene
Portiere mit schwarzer Seide, in doppelseitigem Platt-
stich, eine andere mit einer Plattstichstickerei in grün
und gold, auf grobem Sackleinen, und ein Vorhang
aus Leinen mit unendlich mühsamen, doppelseitig
ausgeführten Leinendurchbrüchen point coupe.

Nicht zu übergehen ist in der österreichischen
Abteilung die Ausstellung moderner genähter Spitzen.
Man hat gerade bei diesem Zweige des Kunst-
gewerbes über dem technischen Reiz das rein
Künstlerische vergessen. Wiener Spitzenarbeiten, deren
Vorbilder italienischer Renaissance und französischem
Barock entlehnt waren, haben immer glänzende Er-
folge erzielt; jetzt hat Österreich eine Neuerung von
ungeheuerer Bedeutung auf diesem
Gebiete geschaffen. Die Zeich-
nungen sind meist im Wiener Cen-
tralspitzenkursus, unter Leitung des
Prof. Hrdlicka, ausgeführt. Zu den
hervorragendsten derselben gehörte
ein Spitzenkragen mit Löwenzahn-
motiven und eine Spitze mit stili-
sierten Clematis, die in bezaubern-
der Weise ausgeführt waren.

Die Stickereien in der deutschen
Ausstellung trugen einen ähnlichen
Charakter wie die der österreichi-
schen. In den Münchener und
Darmstädter Inte-
rieurs hatten unter
anderen Hermann
Obrist, Marg. von
Brauchitsch Sticke-
reien ausgestellt,
Ofenschirme,
Wandbehänge,
Kissen, Mappen
etc., meistenteils
originell in der
Form und Farbe.
Der grosse Saal
des Kölner Kunst-
gewerbemuseums
machte einen her-
vorragenden Ein-
druck durch seine
kostbare Ausstat-
tung. Ueber dem
reich geschnitzten
Paneel waren die
Wände mit leuch-
tend grünem Stoff PORZELLANGRUPPE »LORELEY«, MODELL VON PROF. ANDRESEN,
bespannt. Pompös KQL- PORZELLANMANUFACTUR MEISSEN,

wirkte das Orna-

ment aufstrebender Bäume, in Sammet appliziert und
mit schmalen Goldlederriemchen konturiert.

Von den Berliner Ateliers hatte das Dekorations-
geschäft von Alfred Dunsky einen ganz entzückenden
Raum ausgestellt. Den obern Abschluss der in
stumpfem Violett mit Stoff bespannten Wände bildete
ein ungemein graziöser, eigenartiger Fries. Appli-
zierte und gestickte schwebende und tanzende weib-
liche Gestalten, deren duftige Gewänder aus heller
Gaze sich fein vom mattgrünen Hintergrund der als
Silhouette behandelten Bäume abhoben.

Das Atelier des Lette-Vereins war mit einer sehr
schönen Bettdecke im Stil Louis XV vertreten — ein
Spiegel von weissem Seidenstoff mit leichtem, in
Plattstich gesticktem Lorbeergeranke wurde von
einem in Gold und Violett ausgeführten applizierten
Ornament begrenzt, dessen Innenfelder stumpfen blauen
und grünen Grund zeigten. Sie wirkte in einem
Interieur, in dem die Möbel aus Cedernholz gefertigt
und mit reicher Bronzeverzierung versehen waren,
sehr reizvoll.

Henriette Mankiewicz, schon
seit der Pariser Ausstellung von
1889 bekannt, war mit acht grossen
Werken vertreten. Die von ihr
erfundene Technik, die Malerei
durch die Stickerei zu ergänzen,
ist zweifellos ein Fortschritt und
erzielt bei dekorativen Sachen
grosse Wirkungen. Es muss aber
durchaus als ein ästhetischer Miss-
griff bezeichnet werden, wenn sie
es versucht, die Malerei durch die
Stickerei zu ersetzen, wie sie es
in ihren grossen Wandgemälden
gethan hat.

Ob es über-
haupt berechtigt
ist, naturalistische
Motive zu dekora-
tiven Zwecken zu
verwenden, ist die
Frage; jedenfalls
müssen Schnee-
landschaften mit
Vögeln, Wasser etc.
als nicht zu recht-
fertigende Ge-
schmacklosig-
keiten bezeichnet
werden. Die zum
Teil raffinierte Aus-
führung und die
ganz ungeheuer-
liche Farbenpracht
erzielten bei dem
grossen Publikum
natürlich viel Er-
folg.

Die Länder Nor-
wegen, Schweden,
 
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