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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 12.1901

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Schmidt, Karl Eugen: Charles André Boulle
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https://doi.org/10.11588/diglit.4878#0189

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CHARLES ANDRE BOULLE

ARBEIT VON CHARLES ANDRE BOULLE

ländern ausgeübt wurde. Im Jahre 1754 war ein
Deutscher namens Johann Franz Oeben Hoftischler,

als dessen Gehilfen und Handwerks-
genossen Ulrich Gemeinter, Leo Venne-
mann, Zacharias Strag, Leo Rhclndorff
und Roger van der Cruse genannt wer-
den. Ihm folgte als »e'be'niste du Roy«
der bekannte Riesener, und ausser allen
den genannten verdienen als zu jener Zeit
in Paris bekannte und gesuchte Kunst-
tischler Erwähnung: Reuse, Schmidt,
Schneider, Hoffmann und Cramer, die
für den königlichen Hof arbeiteten, so-
wie Ewald, Roentgen, Bennemann und
Schwerdfegcr, die Hoflieferanten der
Kronprinzessin und spätem Königin
Marie Antoinette waren.

Neben all diesen fremden Namen
verdient nur ein französischer Name
genannt zu werden, obgleich es selbst-
verständlich neben den deutschen und
vlämischen Kunsttischlern stets auch
mehr oder weniger geschickte Franzosen
gegeben hat. Aber Boalle ist der einzige,
der es zu nationaler, wenn nicht gar
internationaler Berühmtheit gebracht
hat, nicht nur deswegen, weil er ein
wirklicher Künstler von bedeutender Er-
findungsgabe und nicht geringerem Ge-
schick war, sondern auch weil nach sei-
nem Namen eine ganze Gattung von
Möbeln benannt wird. So ziemlich jedes
in der zweiten Hälfte des siebzehnten
oder im ersten Viertel des achtzehnten
Jahrhunderts auf französischem Boden
geschaffene Kunstmöbel wird heute
Boulle zugeschrieben, und da man
schon vor seiner Geburt in der seinen
ganz ähnlicher Art arbeitete, so ist es ge-
schehen, dass man ihn zum Schöpfer
von Werken ernannte, die in den In-
ventarien angeführt werden, — zwanzig
Jahre, ehe Boulle geboren war.

Dies kommt daher, dass man in
Frankreich ziemlich allgemein annimmt,
Boulle habe die Marqueterie erfunden
oder wenigstens zuerst in Frankreich
angewandt, eine Annahme, die sich
indessen schon längst als irrtümlich
erwiesen hat. Nachdem man durch aus
dem Orient nach Europa gekommene
Arbeiten dieser Art mit der Inkrustation
und der Marketerie bekannt geworden
war, gab es schon im fünfzehnten Jahr-
hundert in Deutschland und den Nieder-
landen zahlreiche Kunstschreiner, die
nach diesem Verfahren arbeiteten. Da
selbst in Fachkreisen sehr häufig die
Inkrustation (Belag, Fournierung) mit
der Marketerie (Holzmosaik) verwechselt
wird, so sei hier kurz bemerkt, dass
bei der Inkrustation in das Holz des Möbels Linien
und Figuren eingegraben werden, worauf man diese
 
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