DAS KUNSTGEWERBE IN DEN PARISER SALONS
231
Kunsthandwerker, der einge-
standenermassen Prunkmöbel
schafft und dessen Arbeiten mehr
in das Reich der Skulptur, als
zur Tischlerei gehören. Ausser
ihm ist noch ein Bildhauer
kunstgewerblich als Möbel-
schreiner thätig, aber Alexander
Charpentier versteht es schon
weit besser als Carabin, den
Bildhauer zu verstecken. Sein
Geigenschrank ist ein elegantes,
aber ziemlich einfaches Möbel,
an dem nur die vier Flachreliefs
in vergoldeter Bronze an den
Bildhauer erinnern. Charpentier
und fast alle andern Kunsttisch-
ler im Salon, deren Möbel weit
höheren Gebrauchswert besitzen
als die Carabin's, sind jedoch
ihm gegenüber in dem grossen
Nachteil, dass sie sein feines Ver-
ständnis für die Materie nicht
im gleichen Grade besitzen.
Sehr häufig benutzen sie das
Holz in einer Weise, die aus
diesem lebendigen Material eine
tote amorphe Masse macht. So
sehen die Notenpulte Charpen-
tier's ganz aus, als ob sie aus
Gips oder irgend einer ähn-
lichen Masse gegossen wären,
und ein gleiches Gefühl geben
die Möbel von Selmersheim, Sau-
vage, Sorel und Vinay, bei
denen überall das Bestreben her-
vortritt, alle Ecken zu vermeiden
und durch Rundungen, Aus-
schweifungen und Kurven, die
häufig den Beweis ihrer Da-
seinsberechtigung schuldig blei-
ben, die herbe, männliche und
vielleicht harte Natur des Hol-
zes zu verbergen und zu ver-
weichlichen. Viele andere Kunst-
tischler stehen fast ganz auf
dem Boden des Stiles Louis XVI.,
der mit seiner Zierlichkeit wohl
in das Boudoir passen mag,
am Arbeitstische eines modernen
Mannes aber schlecht am Platze
ist. Besonders wenn diese Zier-
lichkeit, wie bei der Standuhr von
Majorelle, bis zur ängstlichen Ma-
gerkeit gesteigert
wird.
Ebensowenig
wie bei den Mö-
beln, wird uns
bei den kleineren,
zur Ausschmück-
PILASTER
AUS DEM
REICHSTAGSGEBÄUDE
ung der Wohnung bestimmten
Gegenständen etwas Neues ge-
boten. Die reizenden patinier-
ten Bronzen von Vallgren, ge-
wöhnlich ein präraphaelitisch
schlankes und gestrecktes Mäd-
chen mit einem Blumenkelche,
der als Vase dient, zeigen uns
den bekannten Künstler nicht
in neuem Lichte, sein elektri-
scher Beleuchtungskörper ist
ebenso zierlich und graziös,
kommt mir aber wie eine be-
dauerliche Verirrung des Künst-
lers vor. Es ist eine Serpen-
tintänzerin mit wehendem Röck-
chen, und unter diesem Röck-
chen sind zwei elektrische
Birnen angebracht. Das ist
wirklich sehr geschmacklos.
Sehr hübsch sind die kleinen
Kunstsachen von dem Öster-
reicher Korschann, gewöhnlich
ein weibliches Figürchen, das
irgendwie mit einer Platte oder
einer Vase in Verbindung ge-
bracht ist. Auch die Arbeiten
von Alois Reinitzer mögen als
geschmackvoll und hübsch an-
geführt werden. In Fayence,
Steingut und Porzellan wandeln
wir jetzt schon ganz auf aus-
getretenen Pfaden: William Lee
fertigt kleine Schalen und
Krüge, die in. Form und Far-
benschmelz geradezu Kopien
der japanischen Keramik sind,
George de Feure, der auf der
Weltausstellung im Sonderbau
Bing's mit einer Zimmerein-
richtung vertreten war, hat ein
Tafelservice aus Porzellan ge-
schickt. Die Stücke sind mit
stilisiertem Blumenschmuck de-
koriert, in ganz matten und
zarten grünen und roten Tönen
und dünnen Linien, sehr ge-
schmackvoll und vornehm. Die
Krüge von Bigot, zumeist in
kräftigen Formen mit schwarz-
gelbem Schmelz, von Cazin,
einfache Formen in Grau und
Braun, hie und da etwas blass-
grün oder blau, dekoriert mit
Blattwerk, von
Dalpayrat, satt
rot, auch grün
BILDHAUER und blau, von
PROFESSOR Delaherche,
O. LESSING, BERLIN glänzendes
Email in Braun,
231
Kunsthandwerker, der einge-
standenermassen Prunkmöbel
schafft und dessen Arbeiten mehr
in das Reich der Skulptur, als
zur Tischlerei gehören. Ausser
ihm ist noch ein Bildhauer
kunstgewerblich als Möbel-
schreiner thätig, aber Alexander
Charpentier versteht es schon
weit besser als Carabin, den
Bildhauer zu verstecken. Sein
Geigenschrank ist ein elegantes,
aber ziemlich einfaches Möbel,
an dem nur die vier Flachreliefs
in vergoldeter Bronze an den
Bildhauer erinnern. Charpentier
und fast alle andern Kunsttisch-
ler im Salon, deren Möbel weit
höheren Gebrauchswert besitzen
als die Carabin's, sind jedoch
ihm gegenüber in dem grossen
Nachteil, dass sie sein feines Ver-
ständnis für die Materie nicht
im gleichen Grade besitzen.
Sehr häufig benutzen sie das
Holz in einer Weise, die aus
diesem lebendigen Material eine
tote amorphe Masse macht. So
sehen die Notenpulte Charpen-
tier's ganz aus, als ob sie aus
Gips oder irgend einer ähn-
lichen Masse gegossen wären,
und ein gleiches Gefühl geben
die Möbel von Selmersheim, Sau-
vage, Sorel und Vinay, bei
denen überall das Bestreben her-
vortritt, alle Ecken zu vermeiden
und durch Rundungen, Aus-
schweifungen und Kurven, die
häufig den Beweis ihrer Da-
seinsberechtigung schuldig blei-
ben, die herbe, männliche und
vielleicht harte Natur des Hol-
zes zu verbergen und zu ver-
weichlichen. Viele andere Kunst-
tischler stehen fast ganz auf
dem Boden des Stiles Louis XVI.,
der mit seiner Zierlichkeit wohl
in das Boudoir passen mag,
am Arbeitstische eines modernen
Mannes aber schlecht am Platze
ist. Besonders wenn diese Zier-
lichkeit, wie bei der Standuhr von
Majorelle, bis zur ängstlichen Ma-
gerkeit gesteigert
wird.
Ebensowenig
wie bei den Mö-
beln, wird uns
bei den kleineren,
zur Ausschmück-
PILASTER
AUS DEM
REICHSTAGSGEBÄUDE
ung der Wohnung bestimmten
Gegenständen etwas Neues ge-
boten. Die reizenden patinier-
ten Bronzen von Vallgren, ge-
wöhnlich ein präraphaelitisch
schlankes und gestrecktes Mäd-
chen mit einem Blumenkelche,
der als Vase dient, zeigen uns
den bekannten Künstler nicht
in neuem Lichte, sein elektri-
scher Beleuchtungskörper ist
ebenso zierlich und graziös,
kommt mir aber wie eine be-
dauerliche Verirrung des Künst-
lers vor. Es ist eine Serpen-
tintänzerin mit wehendem Röck-
chen, und unter diesem Röck-
chen sind zwei elektrische
Birnen angebracht. Das ist
wirklich sehr geschmacklos.
Sehr hübsch sind die kleinen
Kunstsachen von dem Öster-
reicher Korschann, gewöhnlich
ein weibliches Figürchen, das
irgendwie mit einer Platte oder
einer Vase in Verbindung ge-
bracht ist. Auch die Arbeiten
von Alois Reinitzer mögen als
geschmackvoll und hübsch an-
geführt werden. In Fayence,
Steingut und Porzellan wandeln
wir jetzt schon ganz auf aus-
getretenen Pfaden: William Lee
fertigt kleine Schalen und
Krüge, die in. Form und Far-
benschmelz geradezu Kopien
der japanischen Keramik sind,
George de Feure, der auf der
Weltausstellung im Sonderbau
Bing's mit einer Zimmerein-
richtung vertreten war, hat ein
Tafelservice aus Porzellan ge-
schickt. Die Stücke sind mit
stilisiertem Blumenschmuck de-
koriert, in ganz matten und
zarten grünen und roten Tönen
und dünnen Linien, sehr ge-
schmackvoll und vornehm. Die
Krüge von Bigot, zumeist in
kräftigen Formen mit schwarz-
gelbem Schmelz, von Cazin,
einfache Formen in Grau und
Braun, hie und da etwas blass-
grün oder blau, dekoriert mit
Blattwerk, von
Dalpayrat, satt
rot, auch grün
BILDHAUER und blau, von
PROFESSOR Delaherche,
O. LESSING, BERLIN glänzendes
Email in Braun,