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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Plehn, Anna L.: Neue Gruppe Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0033

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24

NEUE GRUPPE BERLIN

PORTAL IM REPRÄSENTATIONSSAAL (ABB. S.
ENTWURF: ARCHITEKT E. SCHAUDT, AUSFÜHRUNO

etwas ironische Behandlung realistischer Gegenstände
— Sonntagsspaziergänger im Wald. Balluscheck hatte
damals in diesem Künstler einen anders gearteten
Zwillingsbruder. Inzwischen hat er sich der Deko-
ration zugewendet. Damit musste das Fabulieren im
Bilde zurücktreten und die individuelle Form wurde
zum Träger von Linienmotiven umgebildet. Ich
deutete schon an, warum sich auch die Farbe ver-
einfachen mußte. Einen weiteren Schritt zum Orna-
ment aber zeigt das Glasfenster im Musikzimmer.
Übrigens lag diese Betätigungsart dem Künstler schon
durch seinen Studiengang nahe, da er auf der Schule
des Berliner Kunstgewerbemuseums ausgebildet wurde.
Was nun jenes Fenster anbetrifft, so ist das keine
Verglasung im Plakatstil, bei dem oft die Zufalls-
färbung des Materials das Beste zum Bilde beitragen

muß, wenn z. B. aus kaum mehr als
drei Stücken eine Landschaft aus Himmel,
Terrain und Wasser zusammengestellt
wird. Hier ist im Gegenteil aus dem
Wechsel regelmäßig geformter Einzel-
stücke jene Farbenmischung erreicht.
Die Bildmotive sind durch die Verblei-
ungen in fast regelmäßige Musterungen
zerlegt. Die Zeichnung im Gewände,
das Blattwerk, das um den Stamm rankt,
dienen zum Vorwand, Glasstücke von
ähnlicher Form in abwechselnd wieder-
kehrender Färbung aneinderzufügen.
Die Linienführung paßt sich diesen Ab-
sichten an. Die Wolkenzüge werden
vielfach zerlegt, und der Boden in
gleichförmige Schollen eingeteilt. Die
Bleinähte sind nicht geduldet und spär-
lich angewendet, sondern nach Möglich-
keit gehäuft und als ausdrucksvolle
Schwärze in der farbigen Helle verwendet.
Damit ist schon die Beschreibung
des Musikzimmers begonnen, zu dessen
leuchtendstem Schmuck diese Verglasung
dient. Mit Ausnahme der plastischen
Details, die wieder von Bildhauer Kohn
stammen, ist die gesamte Durchführung
dieses Raumes auf Schaudt zurückzu-
führen. Die Farbenstimmung setzt sich
zusammen aus dem Kupfergrün der
Wand mit dem Purpur des Mahagoni
und vergoldetem Zierat am Holz. Durch
die Ungunst der äußeren Wandverhält-
nisse, dievon dem Fenster einen beträcht-
lichen Teil des Lichtes ausschlössen, der
ihm seiner Stellung und Ausdehnung
nach zufließen mußte, erschien der Raum
in der Ausstellung dunkler, als es unter
normalen Bedingungen der Fall sein
würde.

Er zerlegt sich in den halbrunden Aus-
bau mit der Bank, dessen Niedrigkeit noch
besonders durch die Kürze der Säulen
betont wird, welche die tiefgelegte Decke
tragen. Hier sollen die Zuhörer be-
quem vom Licht abgewendet sitzen. In dem Haupt-
raum mit der von der Wand zur Decke hinüber-
führenden Hohlkehle ist die Höhenwirkung durch
die aufsteigenden Ornamente unterstützt. Über den
Masken setzen sich die ansteigenden Streifen an der
Wölbung fort, brechen dann ab, wo die Decke flach
wird, und machen einem besonderen Ornament Platz,
das mit seinem leeren Mittelfeld dem Blicke nach
der Höhe zu keine Schranke entgegenstellt. Der
Türvorhang, der zwischen den wiederholten Senk-
rechten an der Wand hängt, bringt in seiner Ver-
zierung Linien von vorherrschend horizontaler Führung.
Seine Seitenränder und die Falten betonen ja für sich
schon die Tendenz von oben nach unten.

Als Ganzes trägt der Raum das Gepräge einer
gewissermaßen strengen Feierlichkeit, der durch die

23),

: R. KOHN
 
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