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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Museen und Volksbildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0058

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MUSEEN UND VOLKSBILDUNG

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Enkel bist!- . . . Lichtwark hat, gestützt auf die
arbeitsfreudige Hamburger Lehrerschaft, so manchen
famosen Vorstoß gewagt. In Dresden wurde neuerdings
und mit Erfolg das Verfahren mit den »Schul-
preisaufgaben« versucht; in Bremen ist der Besuch
des neuen, vorzüglich gegliederten und an vortreff-
lichem Stoffe reichen Museums für Länder-, Völker-
und Handelskunde für die Schulen obligatorisch
gemacht worden. Das sind, wie gesagt, vortreff-
liche Ansätze. Das Prinzip wird indes erst frucht-
bringend, wenn es nicht mehr die Ausnahme bildet
und die Einsicht, daß gerade der Unterricht an den
Mittelschulen einer Umgestaltung im Sinne der Zeit-
erfordernisse dringend notwendig ist für des Niveau
der ganzen Nation, nicht mehr als ein »leichtsinniges
Rütteln an bewährten Traditionen< bezeichnet wird.
Spräche man doch lieber von verknöcherten oder
versteinerten Traditionen!

Der bekannte Schriftsteller Ruskin hat in Sheffield
ein »Museum für die Bil-
dung des Volkes« aus
eigenen Mitteln errichtet,
das sowohl Kunst- als
auch Naturobjekte in reich-
lichster Auswahl enthält
und von jenen, denen es
in erster Linie gewidmet
ist, in ausgiebigster Weise
benutzt wird. Er setzte
sich bei Begründung der
Anstalt in bewußten Ge-
gensatz zu jenen Anstalten,
deren heterogene Masse
von Material geringen pä-
dagogischen Wert hat.
»Die wahre Funktion eines

jeden Museums ist die

Offenbarung dessen, was

im Leben der Natur schön

und heroisch im Leben

des Menschen ist,« sagt der Begründer

selbst. »Der Endzweck der Kunst

besteht nicht in der Unterhaltung;

jede Kunst, deren Endzweck die

Unterhaltung ist oder die zu diesem

Zwecke aufgesucht wird, ist minder-
wertig. Der Endzweck der Kunst

ist ebenso ernst wie der aller anderen

schönen Dinge. Wo die Kunst dazu

diente, irgend eine Wahrheit — ob

religiös, moralisch oder die Natur be-
treffend — zu lehren, da hat sie

auch die Nation, von der sie ge-
pflegt wurde und sich selbst mit

der Nation gehoben. . . . Wenn

ERNST RIEGEL,
MÜNCHEN,

wir Zeichner heranbilden wollen, die diesen Namen
verdienen, so müssen wir sie mit den besten und
auserlesensten Kunstgegenständen, die zum Studium
dienen können, umgeben und alles, was von mittel-
mäßiger und dürftiger Art ist, entfernen. Die Samm-
lungen brauchen nicht notwendigerweise sehr umfang-
reich zu sein, aber sie dürfen nur das Allerbeste ent-
halten. Mancher Studierende der Neuzeit hat unter
dem ungünstigen Umstände zu leiden, daß ihn in
Galerien und Museen eine Masse von Gegenständen
verschiedenster Art umgibt. Die Betrachtung von
Kunstgegenständen ohne Verständnis erschöpft bloß
seine Fähigkeiten und unterjocht seinen Verstand.
Sein Geist wird verwirrt durch die Inkonsequenzen
der verschiedenen Vorzüge und durch seine eigene
Vorliebe für das Unschöne in Werken zweiten oder

dritten Ranges..... In allen für den Volks-

unterricht bestimmten Museen sind zwei große Fehler
zu vermeiden. Der erste ist die Überfüllung, der

zweite Unordnung.

Der
daß
viel

erste besteht darin,
man von allem zu
hat. Man kann ebenso
wenig zwanzig sehens-
werte Dinge in einer
Stunde sehen, wie man
zwanzig lesenswerte Bü-
cher in einem Tage lesen
kann. Man gebe wenig,
aber das Wenige gut und
schön. Vor allem lasse
man alle zum Volksge-
brauche bestimmten Ge-
genstände hübsch ausstel-
len. In unseren eigenen
Häusern mögen die
Schubladen und Bücher-
schränke so roh sein, wie
es uns gefällt; aber um
unser Volk wirklich zu
unterrichten, müssen wir in ihm die
wahre Freude an den schönen Dingen
zu wecken suchen. Stattlichkeit, Glanz
und Ordnung sind vor allem an
solchen Orten nötig. Von den Mil-
lionen, die jährlich verschwendet
werden, um die Torheit anziehend
zu machen, mag wenigstens das
Nötige erübrigt werden, um * der Er-
ziehung die Ehre zu geben.« So
weit Ruskin.

Es ist hier einer der wunden Punkte
getroffen, an dem fast ausnahmslos ge-
rade die bedeutendsten Museen leiden:
die Überfüllung, mit deren Wahr-

POKAL AUS
SILBER
 
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