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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Berlepsch-Valendas, Hans E. von: Museen und Volksbildung
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0060

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MUSEEN UND VOLKSBILDUNG

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einzelne Objekt förmlich untergehen läßt in dem
Wüste der angehäuften Stücke. Leider ist ja für die
nächste Zukunft wenig Aussicht vorhanden, diese
ganze Frage neu zu gestalten, denn überall haben
die letzten Zeiten ungeheuerliche Kunstkasernements
geschaffen, in denen so viel wie nur möglich unter-
gebracht wird. Inwieweit da überhaupt noch der
künstlerische Gedanke in betracht kommt, braucht
nicht weiter untersucht zu werden. Jedenfalls ist
diese ganze Art und Weise bezeichnend für den
Grad der Achtung, der dem Kunstgewerbe entgegen-
gebracht wird, ebenso wie für das von Anatole France
ausgesprochene Wort: »Die Architektur ist eine unter-
gegangene Kunst. Ihr fehlt der Herr.« Leider werden
diese großen Kunstkasernen vorerst stehen bleiben.
Wenn die Neuschaffung von Anstalten dieser Art in
Frage kommt, kann es sich nur um kleinere Anlagen
handeln. An diesen aber läßt sich mit genauem
Studium aller Erfordernisse manches weit besser lösen
als an den Prunkkasernen, die in ihrer Anordnung
so oft, so oft von gänzlich falschen Voraussetzungen
aus entstanden sind. Man wird hoffentlich zu der
Einsicht kommen, daß die Lichtzufuhr nach Not-
wendigkeit, nicht nach Schema A, B, C u. s. w. der
bekannten italienischen oder klassischen Fensterformen
zu erfolgen hat, man wird ferner hoffentlich zu der
Einsicht kommen, daß Ausstellungsräume nicht zu
verwechseln sind mit Korridoren, auf denen sich das
Publikum hin- und herbewegt, man wird einsehen,
daß zum Begriffe eines Museums auch Räume
gehören, in denen der Genuß des Kunstwerkes
nicht durch einen ununterbrochen durchwandelnden
Menschenstrom auf den Nullpunkt herabgeschraubt
wird; wozu die üppigen, überreich dekorierten
Prachttreppen in zentraler Lage statt verschiedener,
bequemer Verbindungen der Stockwerke, letzteres
auch vor allem in Rücksicht auf Feuersgefahr. Die
unendlich langgestreckte, rechteckige Pinakothek in
München hat an der einen Schmalseite ein einziges
großes Treppenhaus. Die hiervon entlegenen Säle
sind im Falle eines Brandes überhaupt nicht zu er-
reichen, der Korridor aber, auf den die Hauptsäle
münden sollten, wird in seiner Eigenschaft garnicht
benutzt, aller Verkehr, alles Geplauder und Kleider-
rauschen zieht sich durch die Säle und Kabinette
dahin. Nicht minder unpraktisch sind eine ganze
Reihe ähnlicher Bauten. Es sei nur zum Beispiel
an das Leipziger Museum erinnert. Zu richtigen
Museumsanlagen gehören Nebenräume in genügender
Menge, gehört die Möglichkeit ruhigen Genusses.
Daß die Räume als solche gut wirken, ist nicht hin-
reichend, sie müssen in Rücksicht auf ihren Inhalt
richtig und nicht aufdringlich wirken, in ihren
kubischen Verhältnissen nicht einer Schablone sich
anpassen. Genau das nämliche gilt von der Fassade.
Ist es richtig, irgend einem Fassadengedanken alles
übrige zum Opfer zn bringen? »Die Architekten
haben durchschnittlich zu vielerlei gelernt, indes be-
finden sie sich nur allzu oft im stärksten Widerspruch
mit den Forderungen der Wirklichkeit. (Lichtwark.)
Die Verkehrtheiten, die sich überall zeigen, wo der

junge studierende Architekt statt mit den Fragen des
Bedürfnisses in erster Linie mit den weifausgreifendsten
Problemen des formalen Ausdruckes bekannt gemacht
wird, zeigen ihre Konsequenzen gerade in solchen
Dingen am allerstärksten. Noch bilden sie freilich an den
meisten Bauschulen und Bauakademien die Grund-
pfeiler des Lehrganges, aber sie werden fallen, wie
überhaupt so vieles Unvernünftige der Erziehung,
elementarer wie höherer, fallen wird, fallen muß.

Statt Riesenanlagen von Museen herzustellen,
dürfte es heut angezeigter erscheinen, viele Einzel-
bauten zu errichten. Man schickt nicht alle Kinder
einer Stadt in eine große Zentralschule. Genau mit
dem gleichen Rechte könnten vereinzelte Museums-
anlagen über das Gebiet ganzer städtischer Anlagen
verteilt sein. Ein zwingender Grund, bei solchen
Einzelanlagen durch eine »schöne« Fassade zu wirken,
liegt absolut nicht vor. »Das Museum braucht über-
haupt keine Fassade.« Daß übrigens, wie schon
berührt, eine Museumsanlage immer gleichbedeutend
sein müsse mit einem einzigen zusammenhängenden
Gebäudekomplex, erscheint durchaus nicht notwendig.
Das von Dr. Hazelius begründete famose Skansen-
Museum, Stockholm, ist eine durchaus neuartige

ERNST RIEGEL, MÜNCHEN,
TRINKSCHALE AUS SILBER
 
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