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ZUR FRAGE DER ERRICHTUNO VON LEHRWERKSTÄTTEN
FLÄCHENMUSTER VON FRITZ EBERLEIN, DRESDEN
Überwindung gewisser technischer Schwierigkeiten,
ein frühzeitiges Erkennen der stofflichen Erfordernisse
in das Programm seiner Bestrebungen aufgenommen.
Die Errichtung handwerklicher Werkstätten an den
Volksschulen kann nicht als Vorbereitung auf einen
künftigen Beruf aufgefaßt werden, sondern als die
Hinleitung der geistigen Tätigkeit auf die Erkenntnis
der Schwierigkeiten bei Bezwingung der Materie.
Künftige Zeiten werden in dieser Beziehung vieles
gut zu machen haben gegenüber jenen Bestrebungen,
welche den heranwachsenden Menschen allzubald auf
abstrakte Gebiete hinüberzuziehen versuchen. Das
tut die Schule durchweg heute noch in zu hohem
Maße. Auch sie sollte mehr Lehrwerkstätte sein als
sie es ist, denn geistige Exerzierplätze dieser Art er-
ziehen den Menschen in erster Linie zu brauchbaren
Mitgliedern der Gesellschaft und öffnen ihm die Augen
über das, was ist. Freilich, damit fielen auch gar so
manche traditionelle Vorurteile!
Ein Programm mit ausgesprochenen Forderungen
heute zur Diskussion zu bringen, dafür, meine Herren,
ist die uns zubemessene Zeit zu kurz. Nur eines
Umstandes sei noch Erwähnung getan. In solchen
Lehrwerkstätten muß unbedingt eine Scheidung ein-
treten, welche heute noch nicht klar ausgesprochen
ist. Die Industrie, welche für die Bedürfnisse breiter
Schichten durch maschinelle Produktion zu sorgen
hat, verlangt eine wesentlich andere Vorschulung ihrer
Kräfte, als die Arbeit es tut, welche Einzelwerke schafft
und an den ihr dienenden ganz wesentlich anders
geartete Forderungen stellt, als es der Fall ist, wenn
die maschinell gleichmäßige Produktion und ihre
durchaus eigenartigen Bedingungen im Vordergrunde
steht. Beides wird nur zu häufig ver-
wechselt. Mag gegen maschinelle Her-
stellung notwendiger Bedarfsartikel ge-
donnert werden soviel als da will, aus
der Welt ist sie nicht zu schaffen, weil
ohne sie rein quantitativ die Bedürfnis-
frage nicht zu lösen ist. Aber einen
Krebsschaden, der ihr anhaftet und den
Eindruck ihrer Produkte unter Umstän-
den bis zum Ekel steigern kann, das ist
die Sucht, der Maschine Dinge zuzu-
muten, die nur auf dem Wege der Hand-
arbeit zu erreichen sind, also eine Art
von Fälschung mit unterlaufen zu lassen.
Dahin gehört in erster Linie das orna-
mentale Beiwerk. Die allgemeine Ver-
schlechterung des Geschmackes ist zum
guten Teile der sinnlosen Verwendung,
der Häufung ornamentaler Dinge, die
in ewig gleicher Weise von den ver-
schiedensten Maschinen geliefert werden,
zuzuschreiben. Der gering entwickelte Sinn
für den Zauber wirklich künstlerischen
Wertes findet Gefallen an diesen Geistlosig-
keiten. Die Stärke der maschinellen Pro-
duktion müßte im Gegenteil in der Ein-
fachheit, im eigentlichen Vorweisen der
Produktionsart liegen, nicht aber im Ver-
kennen dieses Prinzips. Der »Musterzeichner« von heute
überträgt viel zu viel Momente, die nur der Handarbeit
zukommen, auf das Gebiet der Maschine und verkennt
damit ihren Zweck von Grund aus. Das kommt in
den meisten Fällen daher, daß der Entwerfende die
Bedingungen der maschinellen Produktion nicht kennt.
Der künstlerischen Produktivität wird auf diese Weise
die allerfatalste Konkurrenz bereitet, sie wird herab-
gewürdigt, ihre Wertschätzung verliert in den Augen
des Geschmacks-Ungebildeten. Als solche aber muß
leider der weitaus größte Teil nicht der unteren Volks-
schichten, sondern der tonangebenden Gesellschafts-
kreise bezeichnet werden.
Die Handarbeit aber, der zuliebe solche Lehr-
werkstätten entstehen, sie muß den Stempel der Un-
abhängigkeit im vollsten Maße sich erringen und
dazu beitragen, die im allgemeinen stark gesunkene
Achtung vor der Verinnerlichung, die jede echte und
gute Arbeit von ihrem Verfertiger fordert, wieder auf
jene Höhe zu bringen, die sie verdient, soferne sie
eigenartiges Geistesprodukt und nicht bloße Anlehnung
an berühmte Vorbilder ist. Alles falsche Surrogat-
wesen, das sich allmählich eingebürgert hat und den
äußerlichen Scheinprunk an die Stelle wirklicher Ge-
diegenheit setzt, sei von diesen Stätten der idealen
Arbeit grundsätzlich verbannt, denn das, was auf
diesem Gebiete unter scheinbarer Aufwendung der
höchsten Mittel geleistet worden ist, gehört nicht
selten mit zu den größten Lügen unserer Zeit. Ge-
winnen wir die innerliche Tüchtigkeit zurück, so wird
ihr auch das richtige Ausdrucksmittel zur Seite stehen,
ohne daß der abgegriffene Stilkatechismus dabei in
Frage kommt.
ZUR FRAGE DER ERRICHTUNO VON LEHRWERKSTÄTTEN
FLÄCHENMUSTER VON FRITZ EBERLEIN, DRESDEN
Überwindung gewisser technischer Schwierigkeiten,
ein frühzeitiges Erkennen der stofflichen Erfordernisse
in das Programm seiner Bestrebungen aufgenommen.
Die Errichtung handwerklicher Werkstätten an den
Volksschulen kann nicht als Vorbereitung auf einen
künftigen Beruf aufgefaßt werden, sondern als die
Hinleitung der geistigen Tätigkeit auf die Erkenntnis
der Schwierigkeiten bei Bezwingung der Materie.
Künftige Zeiten werden in dieser Beziehung vieles
gut zu machen haben gegenüber jenen Bestrebungen,
welche den heranwachsenden Menschen allzubald auf
abstrakte Gebiete hinüberzuziehen versuchen. Das
tut die Schule durchweg heute noch in zu hohem
Maße. Auch sie sollte mehr Lehrwerkstätte sein als
sie es ist, denn geistige Exerzierplätze dieser Art er-
ziehen den Menschen in erster Linie zu brauchbaren
Mitgliedern der Gesellschaft und öffnen ihm die Augen
über das, was ist. Freilich, damit fielen auch gar so
manche traditionelle Vorurteile!
Ein Programm mit ausgesprochenen Forderungen
heute zur Diskussion zu bringen, dafür, meine Herren,
ist die uns zubemessene Zeit zu kurz. Nur eines
Umstandes sei noch Erwähnung getan. In solchen
Lehrwerkstätten muß unbedingt eine Scheidung ein-
treten, welche heute noch nicht klar ausgesprochen
ist. Die Industrie, welche für die Bedürfnisse breiter
Schichten durch maschinelle Produktion zu sorgen
hat, verlangt eine wesentlich andere Vorschulung ihrer
Kräfte, als die Arbeit es tut, welche Einzelwerke schafft
und an den ihr dienenden ganz wesentlich anders
geartete Forderungen stellt, als es der Fall ist, wenn
die maschinell gleichmäßige Produktion und ihre
durchaus eigenartigen Bedingungen im Vordergrunde
steht. Beides wird nur zu häufig ver-
wechselt. Mag gegen maschinelle Her-
stellung notwendiger Bedarfsartikel ge-
donnert werden soviel als da will, aus
der Welt ist sie nicht zu schaffen, weil
ohne sie rein quantitativ die Bedürfnis-
frage nicht zu lösen ist. Aber einen
Krebsschaden, der ihr anhaftet und den
Eindruck ihrer Produkte unter Umstän-
den bis zum Ekel steigern kann, das ist
die Sucht, der Maschine Dinge zuzu-
muten, die nur auf dem Wege der Hand-
arbeit zu erreichen sind, also eine Art
von Fälschung mit unterlaufen zu lassen.
Dahin gehört in erster Linie das orna-
mentale Beiwerk. Die allgemeine Ver-
schlechterung des Geschmackes ist zum
guten Teile der sinnlosen Verwendung,
der Häufung ornamentaler Dinge, die
in ewig gleicher Weise von den ver-
schiedensten Maschinen geliefert werden,
zuzuschreiben. Der gering entwickelte Sinn
für den Zauber wirklich künstlerischen
Wertes findet Gefallen an diesen Geistlosig-
keiten. Die Stärke der maschinellen Pro-
duktion müßte im Gegenteil in der Ein-
fachheit, im eigentlichen Vorweisen der
Produktionsart liegen, nicht aber im Ver-
kennen dieses Prinzips. Der »Musterzeichner« von heute
überträgt viel zu viel Momente, die nur der Handarbeit
zukommen, auf das Gebiet der Maschine und verkennt
damit ihren Zweck von Grund aus. Das kommt in
den meisten Fällen daher, daß der Entwerfende die
Bedingungen der maschinellen Produktion nicht kennt.
Der künstlerischen Produktivität wird auf diese Weise
die allerfatalste Konkurrenz bereitet, sie wird herab-
gewürdigt, ihre Wertschätzung verliert in den Augen
des Geschmacks-Ungebildeten. Als solche aber muß
leider der weitaus größte Teil nicht der unteren Volks-
schichten, sondern der tonangebenden Gesellschafts-
kreise bezeichnet werden.
Die Handarbeit aber, der zuliebe solche Lehr-
werkstätten entstehen, sie muß den Stempel der Un-
abhängigkeit im vollsten Maße sich erringen und
dazu beitragen, die im allgemeinen stark gesunkene
Achtung vor der Verinnerlichung, die jede echte und
gute Arbeit von ihrem Verfertiger fordert, wieder auf
jene Höhe zu bringen, die sie verdient, soferne sie
eigenartiges Geistesprodukt und nicht bloße Anlehnung
an berühmte Vorbilder ist. Alles falsche Surrogat-
wesen, das sich allmählich eingebürgert hat und den
äußerlichen Scheinprunk an die Stelle wirklicher Ge-
diegenheit setzt, sei von diesen Stätten der idealen
Arbeit grundsätzlich verbannt, denn das, was auf
diesem Gebiete unter scheinbarer Aufwendung der
höchsten Mittel geleistet worden ist, gehört nicht
selten mit zu den größten Lügen unserer Zeit. Ge-
winnen wir die innerliche Tüchtigkeit zurück, so wird
ihr auch das richtige Ausdrucksmittel zur Seite stehen,
ohne daß der abgegriffene Stilkatechismus dabei in
Frage kommt.