Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

DOI Artikel:
Seliger, Max: Die praktische Betätigung der Lehrer: der Zusammenhang der technischen und kunsttechnischen Schulen und die Einrichtung von Meister- bezw. Lehrwerkstätten an Kunstgewerbe- und Fachschulen, (Rede des Referenten Direktor Professor M. Seliger auf dem Delegiertentage des Verbandes deutscher Kunstgewerbevereine zu Braunschweig, 20. März 1904)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0214

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
DIE PRAKTISCHE BETÄTIGUNG DER LEHRER

203

Zunächst sind wohl die Grenzen dieser Gebiete
abzustecken, dann ist das Ziel zu bezeichnen, endlich
sind die Wege zu prüfen, auf denen es erreicht
werden möchte.

Ich will versuchen zu zeigen, daß die Erziehung
der deutschen Kunst-, Gewerbe- und Industrietechniker
nicht gesund ist, daß die Aufgaben der Schulen
größer werden, und daß ihr Einfluß tiefer und ge-
schützter sein muß.

Wir haben uns dabei zu fragen, was hat die
jetzige Schule erreicht, was erreichte sie nicht, wie
ist ihr Verhältnis zu den nachbarlichen Gebieten,
das heißt wie streben die akademischen Hochschulen
der Architekten und Ingenieure, die Kunstgewerbe-, Ge-
werbe- und Industrieschulen nebeneinander und wohin
gelangen sie, wie arbeitet die »Praxis« verglichen
mit den Schulen und wie paßt die Schülerbildung
für sie. Wie ist das Verhältnis zwischen Schule und
Praxis?

Diese verschiedenen Fragen glaube ich am kürzesten
mit einer Beleuchtung typischer Bilaer der Arbeiter
in den verschiedenen obigen Techniken beantworten
zu können, dabei jedem überlassend, selber die Ge-
danken weiter zu spinnen und Schlüsse zu ziehen.
So habe ich den Eindruck, daß der deutsche
Architekt auf der Schule nicht genügend für den
'ausrat und das Raumbild interessiert wird, sondern
-f für das Hausäußere, daß er bei der Konzeption
des Hauses den größten Wert auf das wertlosere
äußere Bild desselben legt.

Ich habe den Eindruck, daß der Kunstmaler und
der Plastiker, der erstere mehr als der letztere, lekto-
nischen Sinnes bar erzogen werden, und daß der
Kunstgewerbler der vielseitigste aber leichtfertigste
und nach bedenklichem Arbeitsziel strebende Er-
zeuger ist.

Ich glaube auch zu erkennen, daß die Schulen
dieser Klassen ihre natürliche und wünschenswerte
Verbindung äußerlich und innerlich entbehren.

Das Verhältnis der Künste fasse ich aber so auf,
daß die Baukunst die Mutter und die Malerei und
Plastik ihre Kinder sind, daß diese Kunsttechniken
nur auf dem Fundament der modernen Techniken
des Hand- und Maschinenwerkes sicher und gesund
stehen können, und daß damit diese alle eine er-
freulich wirkende Familie darstellen könnten, wenn
sie zusammenhielten, -lebten und -strebten.

Aber unsere teilfreudige Zeit hat uns auch noch neben
den Kunst-, den Gewerbe- und Industrieschulen die
Kunstgewerbeschulen beschert. Alle sind aber nicht
für einander gemacht, so daß der Unterricht aus der
Gewerbe- und Industrieschule in die Kunstgewerbe-
und Kunstindustrieschule und zuletzt für die begab-
testen Kräfte in die Kunstschule oder Kunstakademie
leicht emporgeleitet werden könnte.

Dieser Teilgeist hat uns innerhalb der Lehre
noch die Trennung von Theorie und Praxis, von
Vorwerk- und Werktechnik und innerhalb dieser noch
so viel Zerteilung der Ziele und Richtungen und
sogar der Erschaffungszustände desselben Werkes
gebracht, daß die größte Gefahr für Güte, Gesund-

GROSSH. MAJOLIKAMANUFAKTUR KARLSRUHE

WANDPLATTE NACH ENTWURF VON

DIREKTOR HANS THOMA

heit und Natürlichkeit des Werkes selbst, für die
Freude seiner Schöpfer an seiner Erschaffung und
auch dafür entstanden ist, daß das zusammengestellte
oder -gefügte gemeinsame Werk einheitlich und er-
freulich entsteht.

Ich setze meine Betrachtungen über die Arbeiter-
gruppen fort. Der Architekt scheint mir auch sehr
einseitig erzogen zu werden. (Meine Herren! Die
Anwesenden haben das Recht, sich auszunehmen!)
Er ist daher selten fähig, als der natürliche Führer
und Vereiniger aller Künste und Techniken beim
deutschen Hausraum- und Hausratbau geschickt auf-
zutreten. Sein gesellschaftliches Ansehen ist durch-
schnittlich nur gesichert, wenn er Regierungsbau-
meister ist. Der Gesetzgeber kennt bis jetzt seine
Arbeit nicht als Kunst an und läßt sie schutzlos.
Die Formensprache des Architekten ist gelehrt und
fremdländisch gesinnt, und mehr der Vergangenheit
als der Neuzeit entsprechend, sie ist nur den wenigen
oberen Gebildeten verständlich, daher unpopulär.

Sein Farbensinn ist unentwickelt, so daß er meist
farbenfeig oder farbenfeindlich und kein Freund des
Malers ist. Berücksichtigt er Malerei im Raum, so
sind die dafür bestimmten Flächen meistens unzu-
sammenhängende Schnitzel, oder so unglücklich ge-
gliederte Flächen, daß keine wirkungsvolle und be-
deutende Entfaltung wertvoller Bilder oder Bemalung
möglich ist. Der Raum wird meist nicht für edle
Farbtaten erdacht.

3"*
 
Annotationen