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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 15.1903-1904

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Erler, Margarete: Der moderne Fächer
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https://doi.org/10.11588/diglit.4871#0239

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228

DER MODERNE FÄCHER

MARQ. ERLER, BERLIN, FÄCHER IN DURCHSICHTIGER MALEREI VEREINT MIT STICKEREI UND SPITZEN-
STICHEN. CREMEFARBENE GAZE U. SPITZENSTICHFOND, GELBE ROSEN IN FAHLGRÜNEN BLÄTTERN

meistens auf weißem, seltener auf farbigem oder
schwarzem Grunde zeigen die Muster durchweg, wenn
man von den seltenen Ausnahmen absieht, noch die
alten Blümchenmalereien, abwechselnd mit Käfern,
Schmetterlingen, Amoretten und Rokokofiguren in
wildem, unverstandenem Ornament, Die oft grausam
bunte und triviale Ausführung wird durch »Schmuck«
von dürftigster Industriespitze und in neuester Zeit
noch mit Zusatz aufdringlich schillernder Pailletten-
klexe »gehoben«, wie der Fabrikant in vollster Über-
zeugung meint, in Wirklichkeit aber nur noch mehr
vergröbert, ein Entsetzen für jedes feiner kultivierte
Auge und Gefühl. Solch ein Blatt bildet mit einem
in gleichen, wertlosen, Jahrmarktsgeschmack gewählten
Gestell den hauptsächlichsten Absatzartikel für Fabri-
kanten und Händler. Mit Recht darf hier das für
deutsches Fabrikat einst geprägte, auf anderen Gebieten
glücklich überwundene Wort »billig und schlecht«
leider noch immer Anwendung finden. — Die Her-
stellung dieser öden Marktware repräsentiert eine
Hausindustrie, eine Heimarbeit, welche meistens von
Männern für die gemalten Blätter, von Frauen für
die bestickten und benähten hergestellt wird. Maler
und Zeichner untergeordnetsten Grades malen im
Kampf um das tägliche Brot diese Tausende von
»Handmalereien«, das Dutzend von fünfzig Pfennig
an bis höchstens zwölf bis sechzehn Mark, so daß es
möglich ist, einen auf Seide oder Gaze gemalten
Fächer für eine Mark zu verkaufen. Ebenso dürftig
steht es mit dem gestickten, dem paillettenbenähten
Fächer; dieser wird zur Zeit in der Mode bevorzugt

und erfährt infolgedessen etwas größere Aufmerksam-
keit bei der Herstellung. Ihm kommen die französischen
Muster zugute, die der Fabrikant importiert und für
seine Zwecke »verwertet«, ohne aber durch diese »Ver-
wertung« auch den Charme seines französischen Vor-
bildes erreicht zu haben. So muß aus schlecht be-
zahlter Heimarbeit, aus dem gänzlichen Fehlen guter,
geschmackvoller Vorbilder, durch die Interesselosigkeit
gegenüber den künstlerischen Kulturaufgaben unserer
Zeit seitens der Fabrikanten und des Großkaufmanns,
durch mangelnde Nachfrage nach ästhetisch feinerer
Ware seitens des Publikums, ein Gewerbe, ein Industrie-
zweig schließlich so verarmen und vertrocknen, wie
es leider zur Zeit mit dem Schmuckfächer der Fall
ist. Die wenigen schönen und eleganten Stücke, die
sich auf dem Markt zeigen, sind, soweit es nicht
Kunstwerke sind, meist französischen Ursprungs oder
direkte Kopieen französischer, geschmackvoller Modelle.
So führt z. B. ein hiesiges, renommiertes Geschäft in
Bijouterie-, Email- und Luxuswaren Fächer in aus-
schließlich französischer Ware'). Die großen Mode-
magazine lassen französische Fächer für ihre Auslagen
kommen, wahrlich ein großer Verlust für unsere
heimische Industrie. Nur eine einzige Berliner Firma
(Berlin kommt allein nur in Betracht für diese Industrie)
hat sich seit Jahren bestrebt, für seinen Bedarf auch
gemalte deutsche Kunstfächer zu erwerben und nach
Originalentwürfen geschickter Zeichner die Gestelle
in vornehmem Material, wie Schildpatt und Perlmutter

1) H. N. van Sauten, Berlin.
 
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