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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 25.1914

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Zeitler, Julius: Die Leipziger Akademie für Graphik und Buchgewerbe: zum 150 jährigen Bestehen 1764-1914
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Seliger, Max: Die schulmässige Pflege der Technik zur Förderung unserer Gewerbe- und Industriekunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.3870#0124

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muß Professor Georg Schiller hohe Autorität zu-
erkannt werden. In der ausgezeichneten Abteilung
für Reproduktionsgraphik, Photographie und photo-
graphische Druckverfahren ist Professor Dr. Etnanuel
Goldberg in überragender Weise tätig. Einen Leiter
von außerordentlichem Ruf erhielt die Abteilung für
Naturphotographie in Professor Frank Eugen Smith.
Für das spezielle Schriftzeichnen und Schriftentwerfen
fungiert in Eiermann Delitsch ein vortrefflicher Schreib-
meister, in Hans Dannhorn hat die Buchbindetechnik
und Einbandkunst einen reformatorisch gesinnten Ver-
treter. Bei der Unmöglichkeit, sämtliche Mitglieder
des Lehrkörpers aufzuzählen, sei hier vor allem nur
noch der Lehrer Professor Max Honegger, Professor
Arthur Scheiter, Professor Adolph Lehnert, Hans Solt-
mann gedacht; eigentlich müßten alle so namhaft ge-
macht werden, wie es ihrem Erfülltsein von den trei-
benden Ideen unseres neuen Kunstlebens entspräche.
Vor allem haben die Vertreter der Buchkunst an

der Akademie im weitesten Sinn in unserem blühenden
deutschen Buchgewerbe eine führende Stelle, die
Akademie ist darum mit Recht der Sitz und Vorort
des Vereins der deutschen Buchgewerbekiinstler, der
auf Anregung von Max Seliger gegründet wurde
und von Walter Tiemann geleitet wird. In einem
vielfältigen, weitreichenden Wirken sehen wir so die
Lehrerschaft der Akademie begriffen. Im einhundert-
fünfzigsten Jahr ihres Bestehens schafft sie so im
Verein mit der mächtig angewachsenen Kunstjünger-
schaft im Dienste einer ganz modernen künstlerischen
Kultur. So kann die Akademie für Graphik und
Buchgewerbe, wenn sie jetzt auf ihre Entwicklung
zurückschaut, ihren Jubeltag mit dem Gefühl einer
triumphierenden Genugtuung feiern, daß ihre rastlose
Arbeit gerade in der letzten Epoche, im letzten Jahr-
zehnt, reichste Früchte gezeitigt hat, und mit der Ge-
wißheit, daß sie noch größere Taten in der Zukunft
zu leisten bestimmt und berufen ist.

DIE SCHULMÄSSIGE PFLEGE DER TECHNIK
ZUR FÖRDERUNG UNSERER GEWERBE- UND INDUSTRIEKUNST
REFERAT AUF DER WERKBUNDTAGUNG VOM 6. JUNI 1913
VON PROFESSOR MAX SELIGER
Direktor der Kgl. Akademie für graph. Künste und Buchgewerbe in Leipzig

WIR hörten gestern in den Referaten wieder, für
die Formbildung sei Zweck, Stoff, Umge-
bung usw. entscheidend.
So wähle ich denn in der zeitlichen Not die Form
der Skizze.*)
Mache Andeutungen, aber nicht Ausführungen.
Versuche in extrakthafter Kurzsprache meine Ge-
danken zu zeigen.
Moltke hat recht, es ist lange Vorbereitung nötig,
um einen Bericht kurz zu fassen.
Ich zitiere: »Wir leben im Zeitalter der Technik!«
Unter der Technik versteht der Deutsche gemein-
hin Eisenbahnen, Brücken, Elektrizität.
Die Technik der Kunst und Kunstindustrie ist
noch nicht entdeckt.
Das Publikum läßt sich das unvernünftigste Ge-
füge in die Hand drücken, und zahlt — als ob es
so sein müßte!
Eine allgemeine, elementare Vorbereitung aller
Deutschen in bezug auf technische Werte gibt es nicht.
Der Zeichenunterricht in den geistbildenden Schu-
len ist nicht geeignet, den Sinn für technische Pro-
bleme zu wecken.
Amerika hat sein Manual Training und vielleicht
deshalb seine Wunderwerke der Technik und Maschine.
Unsere junge, sogenannte Arbeitsschule dürfte
unseren schlummernden technischen Sinn aufwecken.
Und hätten wir auch bessere Produkte, sie würden

*) Wir haben die Form der abgekürzten Skizze ab-
sichtlich auch äußerlich beibehalten. Red.
Kunstgewerbeblatt. N. F. XXV. H. 6
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vielleicht nicht breit genug abgesetzt werden, weil
eben guter Bau und einfache Kunst noch nicht ver-
standen und selten begehrt werden.
Deshalb ist Aufklärung und Erziehung überall
nötig, bei drei Faktoren — Schaffenden — Vermitteln-
den und Abnehmenden.
Das Verständnis der Vermittler, der Verkäufer und
der Presse ist bezüglich des technischen Teiles auch
nicht groß, weil bisher Genügendes zu ihrer Ein-
führung nicht geschah.
Auch die Kunstwissenschaft arbeitet in ihren Se-
minaren zu abstrakt mit puren ästhetischen Problemen
und vergleichender geschichtlicher Methode. Man sieht
das fertige Werk, aber nicht sein Werden.
In beamteten Stellen und in der Presse hat die
Kunstwissenschaft selten noch Interesse für die Technik
und ihre Bedeutung bei der Gestaltung. Man geht
selten an die Quelle, in die Werkstatt.
Aber in Geschmack und Aestheticis ist der Deut-
sche gefährlich groß. Hier wuchert ein Wirrwar
von geborenen Gefühlen.
Aber Ästhetik und Technik sind untrennbar in
den konkreten Kulturdingen.
Pure Ästhetik und pure Technik gibt es nur in
Gedanken. Nicht mal im Papierentwurf oder im
Modell.
Deshalb ist auch Solobetrachtung von Ästhetik
oder Technik nicht möglich.
Und deshalb ist die Urteilsfähigkeit in Geschmack-
sachen auch eine Sache des Wissens und der tech-
nischen Vernunft.
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