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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 27.1915/​1916

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Pazaurek, Gustav E.: Künstlermarken und Fabrikzeichen: ein Vorschlag
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Kunstgewerbliche Rundschau
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https://doi.org/10.11588/diglit.4828#0228

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nisse nicht verhüten konnten, wenn es den auf der
Albrechtsburg von Meißen eingesperrten Porzellan-
arkanisten gelang, ihre Kenntnisse und Erfahrungen
zu günstigeren materiellen Bedingungen allen Fürst-
lichkeiten ihrer Zeit anzubieten, so wird man in
unseren Tagen der Freiheit und Freizügigkeit das
meist keiner Veränderung abholde Künstlervölklein
erst recht nicht verhindern können, die Tätigkeit an
einer anderen Stelle fortzusetzen, wenn die früheren
Verhältnisse unangenehm oder gar drückend geworden
sind. Ein jeder Mensch hat einen unbedingten An-
spruch auf vollwertige Entschädigung für seine Leistung,
und findet er sie nicht in seiner jetzigen Stellung, so
sucht er eben eine andere. Nur Kurzsichtigkeit kann
sich dagegen verschließen. Ein bescheidener Anfänger
bleibt eben zum Glück für die allgemeine Entwicklung
nicht immer Anfänger, und der »Hauskünstler«, der
tüchtig und brauchbar ist, darf nicht als Sklave unter-
drückt, sondern muß als Freund behandelt werden,
dem der Fabrikant außer der Bezahlung auch Dank
schuldet. Künstler und Fabrikant — das möge man
nie aus dem Auge verlieren — dürfen niemals nur
nüchterne »Arbeitnehmer« und »Arbeitgeber« und als
solche vielleicht gar Gegner sein. Nur ein auf die
volle Erfüllung der beiderseitigen Verpflichtungen ge-
gründetes gegenseitiges Vertrauen, ein auf Ebenbürtig-
keit beruhendes Freundschaftsverhältnis schafft den
günstigsten Nährboden für die beste Arbeitsleistung,
an der beide Teile ihre Freude haben müssen. Ge-
rade wenn der Fabrikant bei jedem Anlasse »seinen«
Künstler nach Gebühr hervorhebt, fesselt er ihn, selbst
wenn ihn verlockendere Angebote nach auswärts zu
entführen drohen, um so fester an sich und verschafft

sich gleichzeitig eine auch seinem Unternehmen
nützende fortwirkende Reklame.

Dies haben beispielsweise die heute auf dem Ge-
biete der deutschen Gebrauchsgraphik1) führenden
Firmen allen anderen voraus eingesehen, und ich
zweifle nicht im geringsten daran, daß eben einem
solchen geradezu freundschaftlichen Zusammenarbeiten
von Künstler und Werkstatt oder Fabrik der beispiel-
lose Aufschwung unseres kommerziellen Kunstdrucks
zu verdanken ist. Fast alle guten Plakate und die
meisten anderen gelungenen Werbe-Drucksorten tragen
Namen oder Zeichen der Künstler wie der ausführen-
den Anstalten, und dieses leuchtende Beispiel möge
auch die Betriebe in anderen kunstgewerblichen Grup-
pen bestimmen, sich diesen für die Qualitätssteigerung
so sehr bewährten Vorgang ebenfalls zu eigen zu machen.

Selbstverständlich rufe ich nicht nach Gesetz und
Polizei. Wir wollen keine staatlichen Erlasse, Ver-
ordnungen oder sonstige Zwangsmaßnahmen bean-
tragen, die in künstlerischen Dingen immer bedenklich
sind. In freiwilliger Disziplin und guter deutscher
Organisation wollen wir diesen eigentlich schon längst
naheliegenden Schritt tun, den uns Anstand und zu-
gleich Klugheit gebietet. Der Deutsche Werkbund
und alle seine Mitglieder mögen bei jeder Gelegenheit
dafür eintreten, daß bei allen gelungenen, für das
Inland bestimmten kunstgewerblichen Erzeugnissen
Künstlermarken und Fabrikzeichen nicht fehlen und
daß das kaufende Publikum entsprechend auf sie hin-
gewiesen werde.

1) Vgl. Pazaurek: Anonymität und Qualität,
der Berliner Zeitschrift »Das Plakat« 1916.

Maiheft





KUNSTGEWERBLICHE RUNDSCHAU







Die XXVI. Wandersammlung des Deutschen Ge-
werbeschulverbandes Hamburg Pfingsten 1916. Gruppe
der Kunstgewerbeschulmänner. Die Tagung in Hamburg
wird allen Teilnehmern der XXVI. Wanderversammlung des
Deutschen Gewerbeschulverbandes, der jetzt ohne die kor-
porativen Mitglieder fast 1600 Schulmänner in sich vereinigt,
unvergeßlich bleiben. Trotz der Kriegslage waren über
600 Frauen und Männer, die dem Unterrichte der gewerb-
lichen Schulen dienen, dazu namhafte Vertreter der Mi-
nisterien und Behörden der Bundesstaaten — der Süden
glänzte allerdings wieder durch Abwesenheit — dem Rufe
nach der berühmten alten Welthandel- und Hansestadt
Hamburg gefolgt. Und wieder sind wir gerade in dieser
hochgehenden Zeitströmung von ungewöhnlich starken
Eindrücken und Bildungsgewinn reichlich bedacht an unsere
Arbeitsstätten mit dem festen Willen zum »Durchhalten«
zurückgekehrt. Ein jeder fand in den Hamburger Dar-
bietungen, trotz der Stille in dem sonst so mitreißenden
Getriebe der Großstadt, eine Fülle von Anregung und Be-
lehrung gerade auch für das, was er brauchte.

Wir Kunstgewerbeschulmänner besonders, die wir mit
etwa 60 Köpfen erschienen waren, konnten mit Recht der

Einbildung leben, daß das, was der Verbandsvorsitzende,
Kunstgewerbeschuldirektor Prof. Rieh. Meyer, für die glän-
zende Durchführung der Gesamttagung mit seinem Orts-
stabe vorgesehen hatte, in erster Linie uns, also der von
ihm zugleich geleiteten Sondergruppe zugedacht gewesen
sei. Einen überaus stark nachwirkenden Eindruck hinterließ
der geistvolle, formvollendete und zeitgerechte Vortrag in
der glänzenden Hauptversammlung aller Gruppen von Bau-
direktor Prof. Fritz Schumacher-Hamburg über »Ausblicke
für die technische und künstlerische Arbeit unseres Volkes«.
Der Kern des meisterhaften Vortrages schien mir eine Hul-
digung und Zustimmung für Geheimrat Muthesius' Vortrag
auf der Werkbundtagung in Köln 1914: »Die Werkbund-
arbeit der Zukunft« (die Typisierung der Form umfassend)
zu bedeuten, denn beide Männer haben in seltener Weise
erfaßt und zum Ausdruck gebracht, was uns, namentlich
auch in bezug auf unser technisches und künstlerisches
Bildungswesen not tut. Die Forderung nach der Typi-
sierung der Form für das große Leben der Masse klang
auch bei Schumacher immer wieder durch; er stellte dafür
die Forderungen der Baukunst mit den verwandten An-
sprüchen des Kunstgewerbes nach der Seite der indivi-

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