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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Die Sammlung niederrheinischer Kunstarbeiten von Friedrich Camphausen in Krefeld
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0038

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Von großer kunstgeschichtlicher Bedeutung sind
die Holzbildwerke, die teils rheinischen, teils flämischen,
teils holländischen Ursprungs sind. Aus den letzten
Jahrzehnten des 14. Jahrhunderts stammt eine in der
Nähe von Jülich erworbene thronende Madonna mit
dem langbekleideten Jesuskinde. Das Lächeln, das die
Züge der Mutter sowie des Kindes umspielt, die leicht
geschwungene Haltung der Madonna zeigen die Kenn-
zeichen der frühgotischen Plastik, die hierdurch ihren
Figuren Leben und Bewegung verleihen wollte. Sie
ist wohl die Arbeit eines tüchtigen Bildschnitzers einer
Kölnischen Werkstatt. Der gleichen Zeit wird eine
stehende Madonna angehören, der Haltung und Ge-
sichtszüge einen ganz persönlichen Reiz verleihen und
die sich durch prächtige Faltengebung der Gewandung
und durch gut erhaltene alte Bemalung auszeichnet.
In Heimer bei München-Gladbach wurde eine lebens-
große Madonna auf der Mondsichel erworben, deren
Bedeutung im Wurf und der gefälligen Anordnung
des Gewandes liegt. Sie charakterisiert die Kunst des
15. Jahrhunderts, der die meisten der von Herrn Camp-
hausen erworbenen Figuren angehören. Den Stil dieser
Zeit kennzeichnet die allmähliche Zunahme des Natur-
studiums, das besonders gegen Ende des Jahrhunderts

Niederrheinische Arbeiten aus der Sammlung Camphausen in Krefeld

sich in einer freieren Bewegung der Figuren und einer
mehr oder weniger persönlichen Ausprägung der Ge-
sichter ausspricht. Unter den kunstgewerblichen Ar-
beiten dieser Zeit bemerken wir einen leuchtertragenden
Engel, die heilige Barbara mit dem Turm, einen flöte-
blasenden Engel und die schön gewandete Gruppe
der sitzenden Madonna mit dem Jesuskinde.

Den maßvollen Naturalismus der Calcarer Schule
erkennen wir an zwei reliefartig behandelten Gruppen:
Christus unter dem Kreuze zusammenbrechend mit
Simon von Kyrene und die trauernde Maria und Jo-
hannes. Von weniger feiner Art, aber gut in Aus-
druck und Gewandung ist die Figur eines unbekannten
Heiligen. Holländische Beeinflussung sehen wir an
drei farbig bemalten Bildwerken religiöser Art; darunter
die thronende Madonna mit wirkungsvoller Plastik der
Formen. Südholländische (vlämische) Verwandtschaft
zeigt sich in den Figuren des heiligen Hubertus und
des heiligen Antonius, sowie in der Gruppe der Maria
und des Joseph, die vor dem Jesuskinde knien, ein
Werk, an dem der Stempel der eingebrannten Hand,
das Zeichen der Antwerpener Bildschnitzer, klar zu er-
kennen ist.

Um die Wende des 15. Jahrhunderts sind einige
Madonnenfigürchen entstanden, welche die charakte-
ristischen Merkmale der Brüsseler Bildschnitzkunst auf-
weisen, nämlich das breite Gesicht, die hohe Stirn und
der turbanartige Kopfschmuck. Stärker treten diese
Eigentümlichkeiten noch hervor in der vordem zu
einer Kreuzigung gehörigen Gruppe der ohnmächtig
dahinsinkenden Maria, um die sich Johannes und Mag-
dalena bemühen, und bei der Figur der weinenden
Magdalena. Ein ansprechendes Werk der Marmorplastik
von Anfang des 18. Jahrhunderts ist das hoheitsvolle
Figürchen einer gekrönten Madonna mit dem Kinde,
das am Mittelrhein erstanden wurde. Den Möbeln —
ein großer spätgotischer Wandschrank aus der Probstei
in Emmerich mit Medaillonköpfen und Fachwerk-
füllungen, drei andere ebenfalls gotischen Charakters,
unter denen sich der Stollenschrank und der viertürige
Schrank durch gute Arbeit und Erhaltung bemerkbar
machen, eine große Frührenaissancetruhe, die aus der
Moerser Gegend stammt, mit den Wappen der nieder-
rheinischen Familien von Schaesberg und von Rollingen,
und mehrere andere Schränke mit Füllungen und Eben-
holzeinlagen. Ein zweitüriger spätgotischer Schrank,
der von Dammerhof in Willich stammt, ist mit Wappen
und spitzen Rauten verziert. In der Kirche zu Willich
hing einst das große, geschnitzte Wappen mit der Lilie,
das dem ausgestorbenen Geschlecht von Wachten-
donk angehört — den Möbeln, wiederholen wir, ent-
spricht die ansehnliche Gruppe der Delfter Fayencen,
denen sich als weitere Gruppe geschlossen eine kleine
Sammlung niederrheinischer Tonarbeiten anschließt, die
auf den Dörfern in der Umgebung Krefelds entstanden
sind.

So vereinigen sich in der Sammlung Friedrich
Camphausen die ortsgeschichtlichen Werte mit kunst-
und kulturgeschichtlichen zu einem anziehenden Ge-
samtbild, und der Besucher der Sammlung wird jeden-

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