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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI Artikel:
Jessen, Peter: Reisestudien, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0054

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Boston

Staatshaus

Auch in der Kunst steht das alte »koloniale« Amerika hoch
im Kurs. Es nimmt einen Ehrenplatz in den Museen ein, es
reizt den Ehrgeiz der Sammler und die Gewinnsucht der Händler,
es erzielt fabelhafte Preise auf den Versteigerungen, es wird ge-
fälscht mit allen Kniffen der Neuzeit. Überall gibt es Gesellschaften
für Heimatsforschung, einzelne mit glänzend ausgestatteten Biblio-
theken und Sammlungen; neuerdings treibt man auch mit rührender
Liebe Heimatschutz. Man erhält die spärlichen alten Bauten gegen
oft ungeheure Widerstände und mit ungeheuren Mitteln; man
macht treffliche photographische Aufnahmen und hat eine Reihe
inhaltreicher Werke veröffentlicht; man sucht das Alte auch für
die heutige Kunstübung zu nutzen.

Zunächst für die Baukunst. Als vor zwanzig Jahren hellsichtige
deutsche Architekten sich für die amerikanische Baugesinnung be-
geisterten (davon haben wir schöne Zeugnisse in dem Werke »Neu-
bauten in Nordamerika« von Hinckeldeyn und Graef und in den
neueren Studien von F. R. Vogel über »das amerikanische Haus«),
herrschte noch die starke Persönlichkeit von Henry Hobson
Richardson (1838—1886), eines Genies, dem seine noch lebenden
Mitarbeiter und Freunde längst eine würdige Lebensbeschreibung
als Ehrenmal hätten setzen sollen. Für jeden, der hinter den
Zieraten den Kern der Baukunst zu begreifen vermag, ist er noch
heute der Wegweiser zu wahrhaft moderner Auffassung. Er hatte
seine vorwiegend sachlich und räumlich gestalteten Bauten als
Schüler der Pariser Ecole des beaux-arts in eine südfranzösische
Formensprache gekleidet, die bekannte, eigenartige, amerikanisch-
romanische Ornamentik, den »romanesque style«. Er selber wußte diese Formen maßvoll und anziehend
zu behandeln. Aber die Meute der Nachahmer, auch dort der Fluch der Zeit, hat seine höchst persönliche
Art in kurzen Jahren gemein gemacht. Heute ist sie aus der Mode. Der Widerspruch hat eingesetzt nicht
seitens schöpferisch begabter Naturen, sondern durch die nüchternen, auf das Zaghafte gestimmten Pedanten,
denen überall die Heimatkunst eben recht kommt. Ein solcher Protest war das Buch »American renaissance«
von dem Architekten Joy Wheeler Dow, New York 1904. Allerdings hat man für die bescheideneren Auf-
gaben des Wohnhauses in Stadt und Land mancherlei Anregungen aus den alten Resten holen können, und
die Forschung darf die Teilnahme der Künstler dankbar begrüßen. Fleißige Aufnahmen und Studien gerade
der Architekten über öffentliche und private Gebäude der verschiedenen Städte und Siedelungen mit Innen-
räumen, Einzelheiten, auch Möbeln und Geräten, sind aus der Zeitschrift »The American Architect« zusammen-
gefaßt in einem dreibändigen Werke von W. R. Ware, The Georgian period, New York igo8. Für den
Fremden ist es nicht leicht, den weit verstreuten Resten nachzugehen; ich habe mich bemüht, charakteristische
Beispiele kennen zu lernen, soweit Zeit und Gelegenheit es erlaubten.

Die frühesten Ansiedler haben auf dem unwirtlichen Boden und im Kampfe mit den feindlichen Ur-
bewohnern ihre Bauten auf das Notwendigste
beschränken müssen. Von den spanischen Er-
oberern in Florida, seit etwa 1564, und den
ersten Ansiedlern in Virginia 1584 ist nichts auf
uns gekommen. Aber von den holländischen und
englischen Begründern der nördlicheren Kolonien
haben sich aus der Mitte des 17. Jahrhunderts
einzelne bescheidene Häuser erhalten, das älteste,
soweit bekannt, von 1634. Man baute anspruchs-
lose Farmen und geschlossene Siedlungen mit
locker geordneten Wohnhäusern und wehrfesten
Gemeinhäusern. Da es an Raum nicht gebrach,
so brauchte man von dem daheim gewohnten
Einzelhaus nicht abzugehen; in den Städten legte
man sie zu Reihen aneinander. Im Süden, auf
den weiten Tabakspflanzungen, überwog das
Einzelgehöft von oft stattlichem Umfang. Als
Baustoff war zunächst das Holz der Urwälder
zur Hand; die ersten Vorkämpfer pflegten es
zum Blockhaus zu fügen. Aber, an die Kultur
ihrer Heimat gewöhnt, haben sie die geschieh- Washington Heights (N.v.) Thejumei

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