Porlsmouth (N. H.)
Hauseingang
wie die Stimmung einer tätigen, aber noch besonnenen Zeit
sich in Landschaft, Häusern und Menschen ausspricht, das
ist ein so erquickender Gegensatz gegen das ohrbetäubende,
augenblendende Getriebe von heute, daß man den Ameri-
kaner begreift, der seiner Vorzeit, dieses verlorenen Paradieses,
mit ebenso tiefer Sehnsucht gedenkt, wie nur irgend ein
Romantiker im alten Europa.
Heute muß man, wenige Stellen ausgenommen, sich die
Reste dieser alten Kultur mühselig zusammensuchen, nicht
nur die Wohnhäuser, sondern auch die öffentlichen Ge-
bäude, selbst die Kirchen, die durch die Pietät der Gläubigen
noch am sichersten gegen die rücksichtslose Vernichtung
geschützt sind. In New York sind ihre bescheidenen Massen
und selbst die schlanken Türme mit den feingezeichneten
Umrissen längst erdrückt durch die himmelhoch aufschießen-
den Bauklötze über den Nachbargrundstücken. Die älteste
unter ihnen, die St. Paul's Chapel, um 1765 in engem An-
schluß an die Londoner Vorbilder in Sir Christopher Wrens
Geiste gebaut, bewahrt in ihrer Kanzel eines der wenigen
Beispiele des Rokokostils, der im übrigen in Amerika wie
in England gegen den stets vorherrschend klassizierenden
Geschmack niemals recht aufgekommen ist. Freier stehen
die ältesten Kirchen in Boston, dessen Stadtkern erst jetzt
von der Flutwelle der Wolkenkratzer überspült wird. Old
South Church aus dem Jahre 1730 ist die ehrwürdigste;
viel später, erst im 19. Jahrhundert, aber in älteren Formen
und altem Geiste empfunden und gezeichnet, ragt der an-
mutige, dreistöckige Turm der Park Street Church an hervorragender Stelle der Stadt wie ein Wahrzeichen
einstiger Baugesinnung auf. Eine geräumige, innen schön gegliederte Kapelle von 1753, die King's Chapel,
die zum Abbruch bestimmt war, hat die Gesellschaft zum Schutze alter Bauten dadurch gerettet, daß sie
eine der städtischen Volkslesehallen darin zweckmäßig untergebracht hat. Auch das ältere State house, das
erste Verwaltungsgebäude des Staates Massachusetts, im Jahre 1747 noch mit einer Giebelfront errichtet, hat
dieselbe rührige Gesellschaft wiederherstellen und als stadtgeschichtliches Museum einrichten lassen. Das
spätere Staatenhaus in Boston, 1795—98 von Charles Bulfinch auf freier Höhe am Parke gebaut, aber sehr
fein mit seiner etwas trockenen, ausgeglichenen Fassade, breitem Säulenvorbau und schlichter, vergoldeter
Kuppel kennzeichnet aufs beste den Geist der Jahrhundertwende. An Typen öffentlicher Gebäude ist besonders
das wohlverwaltete Philadelphia reich, darunter Kirchen, Gerichtsgebäude, Krankenhaus, Schule, zum Teil
architektonisch wertvoller als die berühmte, neuerdings wiederhergestellte Independence Hall. Auch das Kapitol
in Washington in seinen ersten, 1827 vollendeten Teilen ein vornehmes Werk des ausgehenden Klassizismus,
hat durch die späteren Zusätze (1851 —1865) wohl an Umfang, nicht aber an architektonischem Werte gewonnen.
Eine groß gedachte, charakteristische An-
lage ist die Universität von Virginia, nahe der
Stadt Charlottesville, der Heimat des Präsiden-
ten Thomas Jefferson. Hier hat dieser weit-
blickende Politiker, der Genosse George
Washingtons, ein warmherziger Freund der
Erziehung, anfangs der zwanziger Jahre des
19. Jahrhunderts nach seinen eigenen Skizzen
und als werktätiger, allseitig anregender Bau-
leiter noch in hohem Alter auf geräumigem
Gelände eine Reihe edler Gebäude errichtet,
die den reifen Klassizismus aufs Beste dar-
stellen. Nach den Maßstäben englischer Uni-
versitäten um weite Rasenflächen vornehme
Wandelgänge, luftige Vorhallen, Terrassen,
Freitreppen, alles in kraftvollen, nur leicht
wechselnden antikischen Formen. Als Mittel-
punkt ein Rundgebäude von besonders eigen-
artiger Wirkung. Das alles war in Verfall
geraten, und ein Brand hatte 1897 das Haupt-
gebäude, die Rotunde, beschädigt. Da gab Salem (Mass.) Sitzungssaal des Gemeinderats, 1839
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Hauseingang
wie die Stimmung einer tätigen, aber noch besonnenen Zeit
sich in Landschaft, Häusern und Menschen ausspricht, das
ist ein so erquickender Gegensatz gegen das ohrbetäubende,
augenblendende Getriebe von heute, daß man den Ameri-
kaner begreift, der seiner Vorzeit, dieses verlorenen Paradieses,
mit ebenso tiefer Sehnsucht gedenkt, wie nur irgend ein
Romantiker im alten Europa.
Heute muß man, wenige Stellen ausgenommen, sich die
Reste dieser alten Kultur mühselig zusammensuchen, nicht
nur die Wohnhäuser, sondern auch die öffentlichen Ge-
bäude, selbst die Kirchen, die durch die Pietät der Gläubigen
noch am sichersten gegen die rücksichtslose Vernichtung
geschützt sind. In New York sind ihre bescheidenen Massen
und selbst die schlanken Türme mit den feingezeichneten
Umrissen längst erdrückt durch die himmelhoch aufschießen-
den Bauklötze über den Nachbargrundstücken. Die älteste
unter ihnen, die St. Paul's Chapel, um 1765 in engem An-
schluß an die Londoner Vorbilder in Sir Christopher Wrens
Geiste gebaut, bewahrt in ihrer Kanzel eines der wenigen
Beispiele des Rokokostils, der im übrigen in Amerika wie
in England gegen den stets vorherrschend klassizierenden
Geschmack niemals recht aufgekommen ist. Freier stehen
die ältesten Kirchen in Boston, dessen Stadtkern erst jetzt
von der Flutwelle der Wolkenkratzer überspült wird. Old
South Church aus dem Jahre 1730 ist die ehrwürdigste;
viel später, erst im 19. Jahrhundert, aber in älteren Formen
und altem Geiste empfunden und gezeichnet, ragt der an-
mutige, dreistöckige Turm der Park Street Church an hervorragender Stelle der Stadt wie ein Wahrzeichen
einstiger Baugesinnung auf. Eine geräumige, innen schön gegliederte Kapelle von 1753, die King's Chapel,
die zum Abbruch bestimmt war, hat die Gesellschaft zum Schutze alter Bauten dadurch gerettet, daß sie
eine der städtischen Volkslesehallen darin zweckmäßig untergebracht hat. Auch das ältere State house, das
erste Verwaltungsgebäude des Staates Massachusetts, im Jahre 1747 noch mit einer Giebelfront errichtet, hat
dieselbe rührige Gesellschaft wiederherstellen und als stadtgeschichtliches Museum einrichten lassen. Das
spätere Staatenhaus in Boston, 1795—98 von Charles Bulfinch auf freier Höhe am Parke gebaut, aber sehr
fein mit seiner etwas trockenen, ausgeglichenen Fassade, breitem Säulenvorbau und schlichter, vergoldeter
Kuppel kennzeichnet aufs beste den Geist der Jahrhundertwende. An Typen öffentlicher Gebäude ist besonders
das wohlverwaltete Philadelphia reich, darunter Kirchen, Gerichtsgebäude, Krankenhaus, Schule, zum Teil
architektonisch wertvoller als die berühmte, neuerdings wiederhergestellte Independence Hall. Auch das Kapitol
in Washington in seinen ersten, 1827 vollendeten Teilen ein vornehmes Werk des ausgehenden Klassizismus,
hat durch die späteren Zusätze (1851 —1865) wohl an Umfang, nicht aber an architektonischem Werte gewonnen.
Eine groß gedachte, charakteristische An-
lage ist die Universität von Virginia, nahe der
Stadt Charlottesville, der Heimat des Präsiden-
ten Thomas Jefferson. Hier hat dieser weit-
blickende Politiker, der Genosse George
Washingtons, ein warmherziger Freund der
Erziehung, anfangs der zwanziger Jahre des
19. Jahrhunderts nach seinen eigenen Skizzen
und als werktätiger, allseitig anregender Bau-
leiter noch in hohem Alter auf geräumigem
Gelände eine Reihe edler Gebäude errichtet,
die den reifen Klassizismus aufs Beste dar-
stellen. Nach den Maßstäben englischer Uni-
versitäten um weite Rasenflächen vornehme
Wandelgänge, luftige Vorhallen, Terrassen,
Freitreppen, alles in kraftvollen, nur leicht
wechselnden antikischen Formen. Als Mittel-
punkt ein Rundgebäude von besonders eigen-
artiger Wirkung. Das alles war in Verfall
geraten, und ein Brand hatte 1897 das Haupt-
gebäude, die Rotunde, beschädigt. Da gab Salem (Mass.) Sitzungssaal des Gemeinderats, 1839
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