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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Jessen, Peter: Reisestudien, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0173

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Kaufhaus in Söul

der bergumrahmten, heißen Hauptstadt Söul
staunt man über die Scharen müßiger Männer.
Ein groß und aufrecht gewachsenes Geschlecht
von stolzer Haltung und schönen Zügen, in
sauberes Weiß gekleidet, Jacke, Rock, Hosen
und Schuhe, den Haarschopf von hinten auf-
gerollt unter ein weißes Käppchen und einen
hohen, breitkrämpigen Hut aus lockerem Roß-
haargeflecht über einem Bambusgestell, durch
ein Band unter dem Kinn festgehalten: so
stolzieren sie einher und hocken in Gruppen
vor den vielen Läden mit ihren langen, klein-
köpfigen Pfeifen, unersättliche Raucher und
Plauderer, das Urbild des eleganten Faulenzers.
Für sie arbeiten ihre Frauen im Innern der
Häuser und Höfe, unermüdlich;.besonders beim
Waschen und Klopfen der leinenen oder baum-
wollenen Wäsche; bekleidet mit kurzen weißen

Jäckchen, unter denen die Brüste arglos frei werden, Gesicht und Kopf aber schamhaft verhüllend durch ihre
weiten Röcke und buntseidenen, meist grünen Schleier. Sklavengleich ans Haus gefesselt, durften sie sich
früher nur von Sonnenuntergang bis Mitternacht auf der Straße zeigen, die so lange den Männern verboten
war. Seltsame Sondertypen sieht man noch heute: Gelehrte mit eckigem Roßhaarbarett und Trauernde in
riesigen Hüten aus grobem Brennesselgewebe. In den engen Gäßchen die Kinder in angeborener Nacktheit
und ursprünglichstem Schmutz.

Anders der Bauer, den man beobachtet auf der Fahrt durch das fruchtbare Land: fleißig mit seiner
Hacke und dem primitiven Pfluge, ein geschickter Besteller der Getreide-, Bohnen- und Reisfelder, äußerlich
Kleinbesitzer, in Wahrheit bislang Sklave seiner adligen Erpresser. Erstaunlich auch die geduldige Kraft der
Lastträger mit ihren hohen Gabelgestellen, auf denen sie die Ackerprodukte und ländlichen Waren zu Markte
schleppen, soweit nicht das Charaktertier Koreas, der gedrungene Stier, ihnen die Last abnimmt. Die fliegenden
Händler, klug in Gilden geschlossen, wandern unter gelben Zylinderhüten paarweise oder mit ihren Familien
durch das Land. So herab bis zu den verachteten Kasten der Schlächter und Schuster, geächtet, weil sie
das Fleisch und die Haut der Tiere verarbeiten, oder der Korbmacher, die den lebenden Baum schälen, und der
Schauspieler und Sänger, die wir doch Künstler nennen.

Was das Handwerk schafft, steht in den langen Ladenzeilen der Hauptstraßen zur Schau, großenteils
Heimarbeit der Bauern: die Geflechte der Sandalen, Matten, Wandschirme, die oft riesigen Tontöpfe, die auf den
Höfen die Speisen für Mensch und Vieh bergen, blankes Messinggerät, Leuchter, Lampen, Pfeifen und schöne
Beschläge an ansehnlichen Holzschränken; denn das Land ist reich an Metallen aller Art, ungehobenen
Schätzen von Gold, Kupfer und Eisen. Ein altes Gewerbe ist die Papiermacherei. Das Papier von Korea,
ein zähes Fasergeflecht vom Maulbeer- und Papierbaum, ist berühmt und dient, wie in Japan, auch für
Kleidung und Haus, so als Bezug des Fußbodens.

Durch die Gassen einer koreanischen Ortschaft zu wandern, ist weder für das Auge noch die Nase er-
quicklich. In dem alten Teil von Fusan neben holprigen Pfaden eng gedrängte Strohhütten mit eiförmigen
Kuppeldächern, unter deren Vorsprung die Bewohner auf der Schwelle kauern. Die Wände aus Holzpfosten
mit Feldsteinen oder lufttrockenem Lehm, ohne Fenster, auch in der Hauptstadt. Nur durch die Tür fällt
der Sonnenstrahl in die verschmutzten und verräucherten Zimmerchen, denn vom Küchenherd aus ziehen

sich unter den Fußböden Heizkanäle hin, aus
denen der Rauch durch ein Loch in der Wand
nach der Straße hin entweicht. Schornsteine
kennt der Koreaner alten Schlages nicht. Ein
Nest von Dreck und Staub solche Wohnung,
etwa bei dem Buchhändler, dessen wüstes Lager
ich einen Tag lang durchsuchte, leider ohne er-
hebliche Ausbeute.

Anders freilich die Paläste der Vornehmen,
nach chinesischer Bauweise geräumig um Höfe
geordnet, die Zimmer wie in Japan mit Matten
zum Hocken belegt, so daß der Eintretende
sich seiner Schuhe entledigen muß. Heute sind
diese Adelshäuser zum Teil von den Japanern
besetzt, und die Königspaläste in Söul stehen
verwaist im Kranze der kahlen Granitfelsen und

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Koreanische Dorfhäuser
 
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