Koreanisches Paar
der zwanzig Kilometer langen Stadtmauer, die über Berg und Tal
klettert und sich über den Hauptstraßen mit geschweiften Turmtoren
öffnet. Der Hauptpalast liegt halb verfallen mit seinen weiten, um-
mauerten Höfen. Ringsum die Frauenhäuser, inmitten die geräumige
Empfangshalle, vor der allmorgendlich die hohen Beamten auf dem
Steinpflaster in noch heute kennbaren Rangreihen knieten, der Befehle
seiner Majestät gewärtig; daneben luftige Hallen aus einem oder zwei
Geschossen, Lusthäuschen mit Ausblicken, das Haus der Ahnentafeln,
Lotosteiche; das alles nicht unschön, in chinesischen Formen, zur
Zeit meines Besuches von Unkraut völlig überwuchert. Einen zweiten
Palast mit einem alten Park daneben haben die Japaner zu einem
Museum ausgestaltet. Die Tempel fand ich roh; die Kultur des ehr-
würdigen Buddhismus ist durch taoistische Kultgewohnheiten ver-
drängt worden mit bunten Götzenbildern und Wandmalereien im
tibetanischen Geschmack.
Zahllos sind, wie in China, die Friedhöfe; jedes Dorf, jedes Ge-
schlecht, oft jede Familie unterhält für sich und ihre Ahnen weite
Stätten; denn was den Toten an Leid geschieht, rächt sich an den
Lebenden. Allein die Japaner haben in den alten, längst verfallenen
Königstädten der mittelalterlichen Teilreiche vor den Grabstätten nicht
halt gemacht und vielerlei Schätze für das neue Kunstmuseum und
wohl auch für den Handel ausgegraben; ich sah besonders kostbare
Stücke in der Privatsammlung eines einflußreichen Beamten. Nicht
weit von Söul gibt es Königsgrabstätten mit Denkmälern und Statuen
des Gefolges nach Art der chinesischen Kaisergräber; auch sie ihren
Vorbildern, die ich bald in China bewundern sollte, nicht ebenbürtig.
Einen eigenen Typus roher Volksplastik machen die vielerlei Meilensteine und die fratzenhaften Wegpfähle
aus, die man auf den Landstraßen und neben den Dörfern beobachtet, Reste ursprünglichen Volksglaubens,
Schutz- und Schreckzeichen gegen die bösen Geister, die durch Opferstücke, Bänder und Zettel von dem
abergläubischen Volke besänftigt werden.
Im chinesischen, nicht eben veredelten Stil stehen in Söul auf den Vorhöfen der Paläste noch heute
einige Steinbildwerke als absonderliche, vieldeutige Sinnbilder einstiger Vorstellungen. Sucht man indessen
nach Kunst, so muß man sich an das halten, was seit kurzem in dem schönen Museum vereinigt worden
ist, das die kluge, umsichtige japanische Verwaltung in wenigen Jahren in und neben einem der alten Königs-
paläste geschaffen hat. Da stehen in den langen, reichverzierten Hallen um die weiten Gartenhöfe natur-
wissenschaftliche und volkskundliche Sammlungen, auf einer Anhöhe
aber ein neues, zweistöckiges Museumsgebäude, leider in einem ge-
mischt koreanisch-japanisch-europäischen Geschmack, mit Treppenhaus,
Sälen und Glasschränken nach unserer Weise. In sie hat man mit
bewundernswertem Eifer altkoreanische Kunstschätze aller Art zu-
sammengetragen, die den Koreanern selber und der Welt der Kunst-
freunde bisher so gut wie unbekannt geblieben waren. Denn sie
sind durch Jahrhunderte in den Grabhügeln verborgen gewesen. Nun
hat ein hochgebildeter Verwaltungsbeamter, der Reichsgerichtsrat
Komiya aus Tokio, Mittel und Wege geschaffen, sie aufzustöbern
und zu erhalten; der Museumsdirektor Suyematsu, ihr liebenswürdiger
Verwalter, zeigt sie mit berechtigtem Stolze dem Gaste aus dem fernen
Westen, und schon hat man ein großes, zweibändiges Lichtdruckwerk
veröffentlicht, das sie in trefflichen Bildern wiedergibt: ich habe diesen
seltenen Katalog als Gabe der Verwaltung heimbringen können.
Das Museum enthält zumeist Gräberfunde, mehr Kleinkunst als
Monumentalwerke. Nur wenige Bronze- und Eisenbildwerke größeren
Maßstabes, einige aus sehr früher Zeit; dagegen eine ganze Reihe
bemerkenswerter Stücke geringerer Größe. Besonders seltene Typen
persönlicher Gräberbeigaben, Schmuckstücke, Kleingerät, Nadeln, Messer,
Löffel, aus verschiedenen Metallen und Elfenbein, mit mannigfachem
Zierat. Schöne Bronzespiegel, edle Metallgefäße, oft mit Silberein-
lagen von anmutiger Zeichnung. Voran durch Zahl und Güte die
Kunsttöpfereien, kostbarste Stücke der verschiedenen Scherben, Glasuren
und Zierweisen, teils die hellgrünen Glasuren in den Seladontönen
der chinesischen Sungzeit, teils die überaus zarten, stets wechselnden Koreanischer Lastträger
— 140
der zwanzig Kilometer langen Stadtmauer, die über Berg und Tal
klettert und sich über den Hauptstraßen mit geschweiften Turmtoren
öffnet. Der Hauptpalast liegt halb verfallen mit seinen weiten, um-
mauerten Höfen. Ringsum die Frauenhäuser, inmitten die geräumige
Empfangshalle, vor der allmorgendlich die hohen Beamten auf dem
Steinpflaster in noch heute kennbaren Rangreihen knieten, der Befehle
seiner Majestät gewärtig; daneben luftige Hallen aus einem oder zwei
Geschossen, Lusthäuschen mit Ausblicken, das Haus der Ahnentafeln,
Lotosteiche; das alles nicht unschön, in chinesischen Formen, zur
Zeit meines Besuches von Unkraut völlig überwuchert. Einen zweiten
Palast mit einem alten Park daneben haben die Japaner zu einem
Museum ausgestaltet. Die Tempel fand ich roh; die Kultur des ehr-
würdigen Buddhismus ist durch taoistische Kultgewohnheiten ver-
drängt worden mit bunten Götzenbildern und Wandmalereien im
tibetanischen Geschmack.
Zahllos sind, wie in China, die Friedhöfe; jedes Dorf, jedes Ge-
schlecht, oft jede Familie unterhält für sich und ihre Ahnen weite
Stätten; denn was den Toten an Leid geschieht, rächt sich an den
Lebenden. Allein die Japaner haben in den alten, längst verfallenen
Königstädten der mittelalterlichen Teilreiche vor den Grabstätten nicht
halt gemacht und vielerlei Schätze für das neue Kunstmuseum und
wohl auch für den Handel ausgegraben; ich sah besonders kostbare
Stücke in der Privatsammlung eines einflußreichen Beamten. Nicht
weit von Söul gibt es Königsgrabstätten mit Denkmälern und Statuen
des Gefolges nach Art der chinesischen Kaisergräber; auch sie ihren
Vorbildern, die ich bald in China bewundern sollte, nicht ebenbürtig.
Einen eigenen Typus roher Volksplastik machen die vielerlei Meilensteine und die fratzenhaften Wegpfähle
aus, die man auf den Landstraßen und neben den Dörfern beobachtet, Reste ursprünglichen Volksglaubens,
Schutz- und Schreckzeichen gegen die bösen Geister, die durch Opferstücke, Bänder und Zettel von dem
abergläubischen Volke besänftigt werden.
Im chinesischen, nicht eben veredelten Stil stehen in Söul auf den Vorhöfen der Paläste noch heute
einige Steinbildwerke als absonderliche, vieldeutige Sinnbilder einstiger Vorstellungen. Sucht man indessen
nach Kunst, so muß man sich an das halten, was seit kurzem in dem schönen Museum vereinigt worden
ist, das die kluge, umsichtige japanische Verwaltung in wenigen Jahren in und neben einem der alten Königs-
paläste geschaffen hat. Da stehen in den langen, reichverzierten Hallen um die weiten Gartenhöfe natur-
wissenschaftliche und volkskundliche Sammlungen, auf einer Anhöhe
aber ein neues, zweistöckiges Museumsgebäude, leider in einem ge-
mischt koreanisch-japanisch-europäischen Geschmack, mit Treppenhaus,
Sälen und Glasschränken nach unserer Weise. In sie hat man mit
bewundernswertem Eifer altkoreanische Kunstschätze aller Art zu-
sammengetragen, die den Koreanern selber und der Welt der Kunst-
freunde bisher so gut wie unbekannt geblieben waren. Denn sie
sind durch Jahrhunderte in den Grabhügeln verborgen gewesen. Nun
hat ein hochgebildeter Verwaltungsbeamter, der Reichsgerichtsrat
Komiya aus Tokio, Mittel und Wege geschaffen, sie aufzustöbern
und zu erhalten; der Museumsdirektor Suyematsu, ihr liebenswürdiger
Verwalter, zeigt sie mit berechtigtem Stolze dem Gaste aus dem fernen
Westen, und schon hat man ein großes, zweibändiges Lichtdruckwerk
veröffentlicht, das sie in trefflichen Bildern wiedergibt: ich habe diesen
seltenen Katalog als Gabe der Verwaltung heimbringen können.
Das Museum enthält zumeist Gräberfunde, mehr Kleinkunst als
Monumentalwerke. Nur wenige Bronze- und Eisenbildwerke größeren
Maßstabes, einige aus sehr früher Zeit; dagegen eine ganze Reihe
bemerkenswerter Stücke geringerer Größe. Besonders seltene Typen
persönlicher Gräberbeigaben, Schmuckstücke, Kleingerät, Nadeln, Messer,
Löffel, aus verschiedenen Metallen und Elfenbein, mit mannigfachem
Zierat. Schöne Bronzespiegel, edle Metallgefäße, oft mit Silberein-
lagen von anmutiger Zeichnung. Voran durch Zahl und Güte die
Kunsttöpfereien, kostbarste Stücke der verschiedenen Scherben, Glasuren
und Zierweisen, teils die hellgrünen Glasuren in den Seladontönen
der chinesischen Sungzeit, teils die überaus zarten, stets wechselnden Koreanischer Lastträger
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