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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI Artikel:
Jessen, Peter: Reisestudien, [7]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0202

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Irdener Kochtopf, angeblich frühe Han-Dynastie, 206 v. Chr. bis 25 nach Chr.

heiligen Berge Taischan, erhoben sich nicht über
den Stil der Chroniken und riefen sehr zu ihrem
Nachteil die Erinnerung an die schwunghaften
Linien der alten Fresken in Horiuji ins Gedächt-
nis. Daß der Kunstfreund die Gemäldekunst
des alten China nicht auf chinesischem Boden
in sich aufnehmen kann, weil es ihm an Ge-
legenheit fehlt, zu dem sicherlich noch vor-
handenen Kunstbesitz des Landes vorzudringen,
ist eine schmerzliche Entbehrung. Ich habe mich
ungern damit beschieden, daß ich einen >Tag
der Maßstäbe« für die chinesische Malkunst in
der Sammlung des Herrn Freer in Detroit erlebt
und dort mich überzeugt hatte, wie hoch die
Meister Chinas auch ihre besten japanischen Nach-
ahmer an Größe, Tiefe und Pinselkraft überragen.
Es lag mir nahe, auch den graphischen
Künsten nachzugehen. Ich hoffte, in den Bib-
liotheken weitere Aufschlüsse über den Farben-
druck der Chinesen zu finden, von dem uns
zuerst Laurence Binyon in London Kunde ge-
geben hat, als er unter alten Beständen des British
Museum, die noch auf die Kämpferschen Samm-
lungen aus dem Ende des 17. Jahrhunderts
zurückgehen, Einzelblätter und Bücher mit mehr-
farbigen Holzschnitten nachwies, um ein Jahr-
hundert vor dem Farbendruck in Japan. Allein
die große kaiserliche Bibliothek war beim Boxer-
aufstand verbrannt, und ich habe weder in der neu sich bildenden Bibliothek der Universität noch bei den
Händlern neues Material gefunden. Auch zu den schönen Werken über chinesische Schrift, die ich aus
japanischen Buchläden als Anregung für unsere Schreibkünstler und Schriftfreunde heimgeschickt hatte, fand
ich in China selbst keinen wesentlichen Zuwachs. Doch gewann ich durch die eigene Anschauung Aufklärung
über ein anziehendes Sondergebiet chinesischer Flächenkunst, von dem ich in Tokio und Kioto Beispiele er-
worben hatte, die Abreibungen von flach gravierten Steinen, welche köstliche Proben edler Schrift, feiner
Ornamentik und eindrucksvoller Figuren wieder-
geben. Ein Ausfluß der uralten literarischen
Kultur der Chinesen, drängen sich Inschriften
aller Art und Größe an allen ehrwürdigen
Stätten zu Hunderten und Tausenden auf, auf
den Denksteinen, in den Vorhöfen und Hallen
der Tempel und Kaisergräber, anderwärts als
lehrhafte Sinnsprüche, Verordnungen, Weih-
gedichte, von subtilster Ausführung bis zu
riesigen Schriftbildern, wie man sie etwa beim
Aufstieg auf den Taischan an den Felswänden
bestaunen kann. Ein guter Teil nicht Schrift
allein, sondern untermischt mit oft großzügigen
Bildern einzelner heiliger oder historischer
Gestalten, auch sinnbildlichem Getier, Vögeln,
Bäumen, Blumen, Landschaften. An berühmten
Stellen treiben die Priester oder Tempeldiener
schwunghaften Handel mit den Abreibungen
schöner und berühmter Steine; auch hat man
wohl feinere Gravierungen ausdrücklich für
solche Wiedergabe hergestellt, Vorläufer der
Holzplatten, von denen Abreibungen und Ab-
drücke in China so früh in Gebrauch gekommen
sind. Auch hier eine noch ungenutzte Quelle
fruchtbarer Anregung für berufene Künstler.

PETER JESSEN.

Glasierte Tonschale, Unterseite

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