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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI Artikel:
Hillig, Hugo: Kunstgewerbliche Symbolik, [6]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0208

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keine große mythologische Bedeutung, außer etwa die der
kapitolinischen Wachsamkeit, sie ist der Vogel des heiligen
Martin und muß sich aus diesem Anlaß um die Zeit des
Martinstages braten lassen, außerdem ist sie noch das
Symbol der weiblichen Dummheit, obwohl die Gänse gar
nicht so dumm sind, wie sie aussehen.

Der Schwan ist bei den Griechen der weiße Vogel
des Lichtes und als solcher neben dem Greif dem Apollon
und der Artemis heilig. Zeus verwandelt sich bei dem
galanten Abenteuer mit der Königstochter Leda in einen
Schwan und auch in der nordischen Mythe können im
Schwan die Walküren stecken, die bei ihren Ausritten das
Schwanenhemd anlegen. In der Lohengrinsage ist diese
Schwanenverwandlung eine der Grundideen. Sonst, auch
in der christlichen Symbolik, verkörpert der Schwan den

Stolz.

Bis in unsere Zeit ist die symbolische Bedeutung des
Storches lebendig geblieben, der aus dem Jungbrunnen der
Frau Holle oder aus dem Teiche die kleinen Kinder bringt,
aber schon früher taucht diese Idee in der Art auf, daß
der Storch, der wie alles Rote, seiner roten Beine halber
dem Donar als Adebar heilig ist, die durch den Blitz Donars
geborenen Seelen zu den Menschen bringt. Außer dem
rotbeinigen Storch sind auch das rote Eichhörnchen, der
rote Fuchs, das Rotkehlchen und das Rotschwänzchen dem
Donar heilige Tiere.

Die Taube ist in der römischen Mythologie neben dem
Hasen und dem Delphin der Aphrodite zugeeignet. Später
in christlicher Zeit wird sie zum Symbol der Frömmigkeit,
aber auch des heiligen Geistes, der in Gestalt einer Taube
vom Himmel herabkommt, sie ist mit den Ölzweig die
Friedensbringerin, auch wohl, besonders als Turteltaube,
das Symbol der ehelichen Liebe und Treue, obwohl ge.
rade die Treue der Tauben von dem, der die Tauben in
ihren Liebesleben kennt, sehr angezweifelt wird; deshalb
ist auch das Christuswort: Seid ohne Falsch wie die Tauben
. . . nicht so ganz wörtlich zu nehmen. Der Turteltäube-
rich ist aber auf jeden Fall ein Sinnbild der Verliebtheit
und aller der Torheiten, die ein Verliebter anstellen kann.

Die Schwalbe ist der Freia heilig, sonst kann sie auch
als Symbol der Häuslichkeit, aber auch der Geschwätzig-
keit gelten; sie zeigt durch ihren niedrig schweifenden Flug
kommenden Regen wirklich an.

Die Schnepfe heißt auch Donnerziege, sie ist dem Ge-
wittergott Donar heilig. Sonst hat sie nach ihren Lebens-
gewohnheiten wie auch die Dohle noch eine andere, mo-
dernere »symbolische» Bedeutung erhalten.

Der Kuckuck ist sowohl der griechischen Hera, der Gat-
tin des Zeus, als auch der germanischen Freia heilig und in
diesem Zusammenhange ist er durch den Freitagsmythus
in den Ruf eines prophetischen Vogels gekommen, der die
Zahl der zukünftigen Kinder anzeigt, aber auch, natürlich
nicht mit rechten Dingen, das Geld im Sack vermehren
kann. Denn er ist auch Stellvertreter des bösen Prinzips,
des Teufels, und man läßt heute noch unerwünschte Dinge
und Menschen ebenso gern vom Teufel als vom Kuckuck
holen.

Der Specht ist dem Mars heilig, neben Wolf und Acker-
stier; er ist ein prophetischer Vogel. In der römischen
Mythologie ist der Specht der von der bösen Zauberin
Kirke, die Männer auch in Schweine verwandeln kann, in
Spechtsgestalt verzauberte Gatte der Nymphe Canens oder
der Pomona.

Die Eule ist der heilige Vogel der römischen Göttin
des sinnenden und ersinnenden Verstandes, der Minerva,
die die Handwerker und Künstler und die Gelehrten, auch
die Ärzte verehrten. Minerva ist die griechische Athene,
doch ohne deren kriegerischen Charakter. Daher wird heute
noch der Gewerbefleiß durch die Minerva symbolisiert, die
Wissenschaft allein begnügt sich mit der auf einem Buch
oder Bücherstoß sitzenden Eule. Merkwürdigerweise ist
die Eule bei den Christen auch ein Sinnbild der Lichtscheu.

Die Elster hat als Vogel ganz besonders deutliche
Charaktereigenschaften, sie ist gierig nach glänzenden Din-
gen, diebisch, und für diese Eigenschaften ist sie deshalb
auch ein oft wörtlich gebrauchtes Sinnbild. Weil sie schwarz-
weiß ist, ist sie der germanischen Todesgöttin Hei zuge-
eignet.

Der Rabe hat in der germanischen Mythologie eine
sehr hohe Stellung; zwei Raben mit Namen Hugin (Ge-
danke) und Munin (Erinnerung) sitzen auf der Schulter
Wodans; sie erforschen die Zeit und flüstern die Kunde dem
Gotte ins Ohr; daher wohl auch die Deutung als Symbol
der Klugheit. Zwei Raben sind auch dem Teufel zuge-
eignet und im Faust fragt darum die Hexe den Mephi-
stopheles, wo denn seine beiden Raben seien.

Endlich ist noch der Schmetterling zu erwähnen, in
dessen Gestalt Psyche oft dargestellt wird, die römische
Verkörperung der liebenden Seele, sonst eine Königstochter,
die Amor lieb gewinnt. Als Falter oder Schmetterlinge
machen sich in der nordischen Mythologie die Hexen oder
Eiben über die Milch, den Rahm (Schmetten) und die
Butter her, daher heißen die Schmetterlinge auch Butter-
vögel, im niederdeutschen Platt heute noch.

Sonst gibt es noch eine ganze Menge auch uns ge-
läufiger Gleichnisse, die von Eigenschaften der Tiere aus-
gehen und die auch die Grundlage symbolischer Deutung
sein können. So die Stummheit der Fische, die Dummheit
der Gänse (»Dumme Gans!«), des Schafes, des Kamels,
des Kalbes, des Ochsen. Die Feigheit des Hasen. Die
Schlauheit und List des Fuchses. Die Schnelligkeit des Ros-
ses, des Hasen (der auch christliches Sinnbild der Geilheit ist,
wie der Sperling das der Unzucht), der Gazelle, die Flüchtig-
keit der Antilope. Die Widerlichkeit der Hyäne, des Scha-
kals, des Widehopfes. Die Falschheit der Katze, der
Schlange, des Krokodils. Die Geschwätzigkeit der Schwalbe,
der Ente. Die Gutmütigkeit der Kuh, des Kamels. Die
Treue des Hundes, die Behaglichkeit des Mopses. Die
Beharrlichkeit der Wanze. Die Langsamkeit der Schnecke.
Die Geduld der Spinne, die ihres Gewebes halber christ-
liches Sinnbild der Gebrechlichkeit ist, des Esels, des Schafes.
Die Grausamkeit der Katze, der Spinne. Der Fleiß der
Biene, der Spinne. Die Wildheit der Hummel. Die Stärke
des Bären. Die Faulheit des Dachses. Die Flinkheit der
Eidechse (die in der christlichen Symbolik das Fleckige dar-
stellt), des Flohes. Die Ärmlichkeit des Wurmes. Dann
sind noch der Affe, der Papagei, der Hamster (Geiz), das
Kaninchen (Karnikelwirtschaft), das Schwein und das Ferkel,
das Wiesel (Diebesgelüst), Fledermaus, Nachtfalter (Finster-
nis) usw. sehr viel gebrauchte symbolische Begriffe des
Alltags. Auch in der Sprache der Technik haben sich
viele Tiernamen in ursprünglich meist symbolischer An-
wendung eingebürgert, z. B. Kranich, Katze, Hund, Fuchs
(Fuchsschwanz), Fallbär, Reißwolf, Bock, Hörner, Klauen,
Schwalbenschwanz, Wurm, Schnecke, Salamander, Taube,
Drache.

(Fortsetzung folgt.)

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