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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Warnatsch, Max: Die rückständigen Einrichtungen der Friseurgeschäfte
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0210

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Einrichtungsgegenstände. Viele unnötigen Verzierungen,
die teuren Fassetten an den Spiegeln und so manches
andere könnte erspart und dafür Typen geschaffen werden,
die in ihrer Einfachheit und Zweckmäßigkeit zu einem an-
nehmbaren Preise unserer heutigen Geschmacksrichtung ent-
sprechen würden. Seltsamerweise hat sich damit weder
die Fachpresse ernstlich befaßt, noch ist auch nur die Idee
eines diesbezüglichen Wettbewerbes erörtert worden. So
fristen diese Erzeugnisse einer längst vergessenen Zeit noch
weiter in diesen Geschäften ihr klägliches Dasein.

Nur wenige Ausnahmen sind zu verzeichnen, wo der
Architekt oder erprobte Fachmann hinzugezogen wurde
und in dem Friseurgeschäft einen Raum von einheitlicher
künstlerischer Wirkung schuf. Völlig in Vergessenheit ist
es geraten, daß vor etwa 20 Jahren einer unserer bahn-
brechenden modernen Künstler von einem bekannten Hof-
friseur dazu beauftragt wurde. Unter seiner Leitung erstand
eine solche Einrichtung von dem Kunstgeweibehaus tadel-
los ausgeführt, welche trotz billigster Berechnung die respek-
table Summe von weit über 60000 Mark kostete. Ein
derartiger Kostenaufwand für diesen Zweck gehört zu den
größten Seltenheiten, ebenso dürfte die Heranziehung so
anerkannter Kräfte einzig dastehen. Die gute Lösung der
Aufgabe ist in solchen Fällen eine selbstverständliche Folge.

Ganz anders verhält es sich mit den gewöhnlichen
Einrichtungen, die man gleich denen vor Jahrzehnten noch
heute fabriziert. Wie bei den mustergültigen Arbeiter-
wohnungen müßten auch hier nach auserlesenen Entwürfen
Gegenstände geschaffen werden, die in ihrer Zusammen-
stellung auch für die einfachen Geschäfte eine einheitliche
geschmackvolle Raumwirkung hervorbringen.

So manche Verbesserungen ließen sich treffen, deren
Verbilligung auf der anderen Seite der Form oder dem
Materiel zugute kommen würden. Warum verwendet man
nur furnierte, ganz selten gebeizte Möbel unter vollständiger
Vermeidung des gestrichenen Holzes! Große Vorteile bringt
ein guter Ölfarbenanstrich mit sich. An Arbeit und Material
würde erheblich gespart. Die Verwendung der wohlfeilen,
nicht einmal erstklassigen Nadelhölzer und der Erle ge-
nügt, da die Ölfarbe vollständig deckt, und sogar bei einiger
Vorsicht mit lauwarmem Wasser zu reinigen ist. Der An-
strich bietet vollständigen Schutz gegen Nässe und Staub.
Nach jahrelanger Dauer ist eine Erneuerung bequem mög-
lich, und bietet besonders nach Umzügen die Möglichkeit,
das Geschäft wieder mit geringen Mitteln in vollständig
neuem Gewände erstehen zu lassen. Jeglicher zeitgemäßen
Geschmacksrichtung in Farbe und gemalter Verzierung kann
leicht Rechnung getragen werden.

Wenn die Naturfarbe verändert wird, so sind tief ein-
dringende Beizen oder das Räucherverfahren anzuwenden,
damit bei der hier oft notwendigen Reinigung und der
Abnutzung keine hellen Stellen entstehen. Was lassen sich
da bei unsern deutschen Hölzern, z. B. Rüster, Eiche, Erle,
Birke usw. und selbst bei unseren Nadelhölzern für vor-
treffliche Wirkungen erzielen, auch schon unter Beibehaltung
des natürlichen Holztones! Für die bevorzugte nachherige
Behandlung mit Politur ist der matte abgestumpfte Glanz
zu empfehlen.

In den Höhenverhältnissen wird über das notwendige
Ziel zum Schaden der Raumteilung meist hinausgegangen.
Bei einem größten Höchstmaß von 2 m auch für die et-
waigen Abteilungswände bietet die Holzumrahmung noch
genügend Raum für die Spiegel. So notwendig und zweck-
mäßig dieselben für den Geschäftsbetrieb sind, so wird
fast immer in der dekorativen Überschätzung des Spiegels
zuviel getan. Die weit entwickelte Technik in der Her-
stellung des Spiegelglases hat dazu beigetragen, daß die
Anschaffungskosten hierfür erschwingliche sind. Und so

kommt es, daß durch die übermäßige Anwendung und da-
durch erfolgte künstliche Erweiterung des Raumes oft eine
vollständige Zerreißung desselben eintritt.

Die kalten weißen Marmorplatten sind der Raumstim-
mung wegen zu vermeiden und entsprechende farbige vor-
zuziehen. Für Stühle und Hocker gelten die einfachsten
Formen. Reiche Profilierung auch in den etwa gedrehten
Füßen ist möglichst der bequemen Reinigung wegen weg-
zulassen. Aus diesem Grunde eignen sich auch nicht die
schweren rauhen Stoffe, weder für die Stühle noch für die
Dekoration. Rohr, Matte, Leder und Holz sind für die
Sitzgelegenheit vorzuziehen und waschbare Stoffe für die
Dekoration.

Eine auf protzenhafte Wirkung berechnete Einrichtung
bildet die große, höchstens durch Rahmen geteilte Spiegel-
wand, welche durch Verschwendung dieses Raumes die
Aufstellung von Extraschränken meist notwendig macht.
Es ist zu bedenken, daß der vielfach kaum 6 m breite Laden
oft noch durch eine Mittelwand in eine Herren- und Damen-
abteilung getrennt wird, so daß nur noch breite Gänge als
Arbeitsräume übrig bleiben. Eine rationelle Ausnutzung
des Platzes würde entstehen durch Anordnung von schmalen
Spiegeln und der Zwischenteile zu flachen Bordbrettern
oder Glasschränkchen, gleichzeitig an dieser Stelle die wirkt
samste Geschäftsreklame bildend. Bei Massenanfertigung
könnten auch diese Teile je nach der Anzahl der Plätze
ohne erhebliche Arbeit konstruktiv an Ort und Stelle vom
Tischler zusammen verbunden werden.

Eine weitere Ersparnis an Geld und Raum ist ferner,
wenn die Kleiderständer in Wegfall kommen und dafür
die freien Wände mit Gaderobeleisten und -haken ent-
sprechend versehen werden.

Wie für die Schränkchen ist auch zum Schaufenster
nur eine geringe den Ausstellungsgegenständen entspre-
chende Höhe und Tiefe notwendig, mehr ist Platzver-
schwendung. Zur Vermehrung der natürlichen Beleuchtung
des Ladens, sowie als hinteren Abschluß für die Ausstellungs-
gegenstände wird hier zu Füllungen undurchsichtiges Glas
verwandt. Genügen die Glastür und die Fensterscheiben
über dem Schaufenstereinsatz als natürliche Lichtquellen,
so ist dann das beliebteste Dekorationsmotiv der Spiegel.
Durch die Spiegelung ist die Betrachtung des Ausstellungs-
objektes von allen Seiten möglich und bildet scheinbar für
die Arbeiten des Friseurs die wirksamste Reklame Die
Schaufensterdekoration hat in den letzten Jahren so große
Triumphe gefeiert, daß es staunenswert ist, wie wenig die
Friseurgeschäfte davon profitierten. Wenn die sonst ge-
nügende natürliche Beleuchtung die Absperrung des Schau-
fensters zuläßt, welche Erfolge könnten dann durch die
Bespannung mit dunklen Stoffen, Seide, Plüsch usw. erzielt
werden. Scharf umrändert heben sich dann die meist hellen
Ausstellungsgegenstände, Büsten und die nach Farben und
Formen in bestimmtenGruppen einheitlichgeordnetenkleine-
ren Sachen ab. Die Anordnung einer zweckmäßigen Be-
leuchtung an den Wänden oder der Decke würde die Wirk-
samkeit der Reklame noch erhöhen.

Auch im Innenraum läßt die Beleuchtung so manches
zu wünschen übrig. Die Verbesserung würde auch hier
in vielen Fällen eine Ersparnis bedeuten. Unsere hoch-
entwickelte Beleuchtungstechnik bietet alle Möglichkeiten
für Gas und elektrisches Licht. Bei geringen Mitteln könnten
die primitivsten Einrichtungen, Schnur oder Metallrohr mit
einfachen hängenden Glaskörpern, einheitlich zu den Plätzen
geschmackvoll angeordnet und der Sparsamkeit wegen mit
Extraausschaltung oder Kleinstellung versehen, eine gute
Wirkung haben.

Ebenso wie die genannten Gegenstände sind jene Ge-
fäße und Gläser für die Ausübung dieses Berufes am zweck-

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