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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI Artikel:
Jessen, Peter: Reisestudien, [8]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0225

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Innenraum aus einem Gebäude am Sihu-See bei Hangtschou
Aufn. E. Boerschmann

Doch lassen sich die chinesischen Baukünstler durch solch
straffes Schema nicht fesseln, wo es nicht am Platze wäre.
Sie verstehen sich auch auf malerische Gruppierung, wo Zweck
und Gelände sie fordern. Man wird deshalb als Widerspiel
der Stadtpaläste die freigegliederten Anlagen studieren, die sie
für dieselben Kaiser draußen in der Landschaft als Erholungs-
stätten, als »Sommerpaläste«, geschaffen haben. Ihr glänzendes
Beispiel, der Sommerpalast von Peking, wird heute jedem
Fremden bekannt. Mit dem Stadtpalast durch Wasserläufe
verbunden, auf denen der Hof zu Schiffe übersiedeln konnte,
liegt er in die Hügel und an einem See eingeschmiegt. Leider
auch er, wie man weiß, großenteils ein ungeheueres Trümmer-
feld, von den Engländern und Franzosen 1861 hinterlassen
als ein Zeichen ihrer vergeltenden Macht, heutp von jedem,
der zwischen Ruinen und Gestrüpp in ihm umhe.klettert, als
ein Schandmal europäischer Brutalität empfunden. Hier hatte
Kien-lung, ein Ludwig XIV. des Ostens, nach europäischen
Plänen mit Hilfe eigener Werkstätten seine stolzen Ziegelbauten
hingestellt, von deren köstlichen Glasuren, die heute an Ort
und Stelle völlig verwittert sein würden, einst Herr von Brandt
einige Proben in unser Berliner Kunstgewerbemuseum gerettet
hat. Eine gewaltige Vorstellung gibt eine Folge zwanzig
großer chinesischer Kupferstiche, die die Bibliothek desselben
Museums bewahrt. Von den niederdrückenden Bildern der
Verwüstung, die das ganze Gelände heute bietet, erholt man
sich in den Anlagen auf den Höhen längs des Sees, die die
energische »alte« Kaiserin Tze-schi sich wieder hat herrichten
lassen. Auch hier um das ganze Gelände die übliche rote

Mauer mit kaisergelben Ziegeln, davor stattliche Tore und geräumige Vorhöfe. Dann längs der blanken
Wasserfläche lange Laubengänge und Brüstungen, an der Landungsstelle eine feierliche Ehrenpforte. Von
hier aus eine Achse mit inneren Höfen, Empfangs- und Wohnpalästen; weiterhin ansteigende Terrassen mit
einem ragenden, mehrgeschossigen Turm, Pavillons, Aussichtsplätzen, Treppen aller Art; oben auf der Höhe
ein bunt glasierter buddhistischer Tempel; unten am Fluß Steinwege, Brücken, ein geschmackloses Marmor-
schiff; überall erfrischende Ausblicke auf den See mit seinen hochgeschwungenen Brücken und mit Lust-
plätzen am jenseitigen Ufer. Das alles bis zum Tode der Kaiserin
im Glänze einer noch echt kaiserlichen Hofhaltung, belebt durch ein
Heer von Beamten und Dienern, durch Feste und Theater, an die die
Herrscherin große Mittel wendete; sie selber der anregende Mittelpunkt
in gewähltesten Kleidern aus den reichsten Seiden, mit geschmackvollen
Stickereien und dem kostbarsten Schmuck aus Gold, Perlen, Nephrit
und allen Arten edler Steine. So bietet dieser Palast, obwohl seine
Einzelheiten nicht mehr die einstige Sicherheit der Arbeit und des
Geschmackes verraten, doch einen untrüglichen Beleg dafür, wie die
chinesischen Baukünstler es bis auf den heutigen Tag verstehen, eine
große Aufgabe frei und groß zu lösen.

Diese echt baumäßige Kunst wünschte ich weiter zu verfolgen an
der unerschöpflichen Fülle kleiner und großer Tempel und ihrer Be-
zirke. Nirgends fühle ich schmerzlicher, daß ich nur einen engen
Ausschnitt habe selber sehen können, nur Beispiele aus der Ebene,
wie sie Peking bietet oder etwa der große, schöne Tempel in Tai-
anfu am Fluße des Taischan. Der Grundzug des Planes pflegt dem
der Paläste zu ähneln: ein weiträumiger, rechteckiger Bezirk, von schnur-
geraden Mauern umwehrt, symmetrisch in mehrere Flöfe gegliedert;
dasselbe Schema für die drei Abarten chinesischer Konfession und doch
keine Anlage völlig gleich einer anderen, so daß man nie ermüdet,
die Gruppen, Massen und Einzelpunkte zu beobachten. Die Tore
schmal oder breit, hoch oder niedrig, mit einem oder mehreren Durch-
gängen; die Höfe im Schatten oft ehrwürdiger Bäume, umrahmt von
Reihen edler Denksteine; die Hauptgebäude auf Sockeln erhöht, bei
.. .., _ ,.. , reicheren, von Kaisern erbauten oder gepflasterten Anlagen mit Marmor-

Marmorpfeiler vom Geländer einer Terrasse .. ' ,ö * ö ...

im Kaiserpaiast, Peking brücken und schonen Gelandern wie in den kaiserlichen Schlossern;



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