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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

DOI Artikel:
Hillig, Hugo: Kunstgewerbliche Symbolik, [7]
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0232

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bild der Unsterblichkeit, der steten Erneuerung und Läute-
rung der Menschheit oder der Auferstehung Christi, in die
christliche Symbolik gekommen. Auch Christus wird bis-
weilen als Phönix dargestellt. Das »Buch der Natur« des
Konrad von Megenberg, eine aus dem 14. Jahrhundert
stammende Handschrift (Kgl. Hof- und Staatsbibliothek zu
München) gibt folgende Beschreibung dieses Geflügels:
Fenix ist ein vogel in dem land arabia. der ist alle zeit-
nevr ainer sam Solinus. Jacobus. ysidorus vnd ambrosius
sprechent vnd lebt drin hundert vnd viertzig iar. Er ist
an der grözz als ain adlär vnd hat ein gecremt haupt sam
ein pfawe vnd gevalten gümen . . .

Eine Abwandlung der Schlange ist die Hydra, die Wasser-
schlange, die auf einem Schlangenleib neun, nach dem Ab-
schlagen wieder neu wachsende Köpfe trägt, von denen
einer, dessen Atem giftig, unsterblich ist: sie haust im
Sumpfe Lerna und heißt deshalb auch die lernäische Hydra;
es gehört zu den Taten des Herakles, sie zu töten. Diese
Hydra wird heute noch symbolisch gebraucht für Dinge,
die kein Ende nehmen, die sich schneeballähnlich ver-
größernd fortwälzen. (»Hydra der Revolution« usw.) Wie
lange die Hydra auch als Kunstgebilde gelebt hat, geht
aus der Bemerkung in Qessners berühmtem Schlangen-
buch (Heidelberg 1613) hervor, die einem Bericht über
eine 1530 nach Venedig gebrachte »scheutzliche sieben-
köpfige Wasserschlange« angefügt ist: »Jedoch bedunckt
die verstendigen der natur solches seyn ein erdichteter
cörpel, nach der poetenphantasey formiert und gestaltet,
und das umb soviel mehr, dieweil die ohren, zungen, nase
etc. mit der Schlangengestalt bey weitem nit überein-
kommen . . .«. Als Meerdrachen ist um jene Zeit auch der
Leviathan, von dem der Prophet Jesaias zwei Spielarten,
den gekrümmten und den geraden kennt, im Hoitus Sani-
tatis (1491) wieder erweckt worden.

Der Vampyr, der blutsaugende, aus dem Grabe ent-
standene Tote, hat seinen Ursprung in den slavischen
Volkssagen; eine festumrissene Gestalt hat er, wie es
scheint, nicht.

Der Pegasos, das edle geflügelte Roß, das Symbol
der Dichtkunst, ist in der griechischen Mythologie der Sproß
des Poseidon, der selbst als Schöpfer und Bändiger des
Rosses den Beinamen Hippios führt und der bei seinen
Ausfahrten vor seinen Wagen schnellfliegende Rosse schirrt.
Noch heute werden wohl die daherrollenden Meereswogen
Rosse des Poseidon oder Neptunrosse genannt. Nach einer

anderen Mythe entsprang Pegasos dem Rumpfe der ge-
töteten Medusa, getötet von Perseus, der die schaurig
schöne schlahgenhäuptige Medusa geliebt habe. Wie Pe-
gasos zu seiner jetzigen Symbolik gekommen ist, ergibt
sich vielleicht aus der Mythe, daß Bellerophon, nachdem
er den wilden Pegasos gezähmt, auf ihm habe in den
Himmel eindringen wollen, von Zeus aber mit seinem Blitze
sei der Frevler zur Erde hinabgestoßen worden und nur das
Flügelroß habe sich zu den Unsterblichen aufgeschwungen.
Der Cherub ist ein Fabelwesen, das aus der Tiergestalt
ebenso wie die Chimära langsam ganz oder teilweise in
die Menschengestalt übergeht und als solche auch in der
christlichen Symbolik der historischen Stile wohl ange-
wendet wird, heute sogar noch in Kirchenmalereien und
auch sonst in der kirchlichen Kunst, die auch noch den Levia-
than oder den Vampyr abbilden dürfte. In der Bibel ist der
Cherub (Mehrzahl: Cherubim) ein Geistwesen in der Um-
gebung Jahwes, wie auch die Chimära eine Personifika-
tion der Gewitterwolke, aus der Jahwes Stimme als Donner
spricht. Der Regenbogen ist Jahwes Bogen, den er nach
dem Gewitter zur Seite stellt. Den Thron Gottes um-
stehen vier Cherubim, nach der Offenbarung Johannes (4, 6)
mit sechs Fittichen beflügelt, voller Augen vorn und hinten,
außen und innen. Der erste Cherub hat die Gestalt eines
Löwen, der zweite die eines Kalbes, der dritte hat das Ge-
sicht eines Menschen, der vierte erscheint in der Gestalt
eines fliegenden Adlers. Nach Philo, dem semitisch-helle-
nistischen Philosophen, sind diese Gestalten Symbole der
Himmelskörper; aus ihnen haben sich die, allerdings an-
ders erklärten Symbole der vier Evangelisten entwickelt.
Nach der mystischen Haggade sind indessen die Cherubim
nur Engel und zwar Engel der ersten Rangstufe, denen
die folgenden Rangstufen der Ophanim, der Chajoth und
der Malajim nachstehen. Der Seraph ist schon ein richtiger
unzweifelhafter Engel, ein Lichtengel, — aber hier müssen
wir aufhören; in den Kreisen der Theologen haben sich
selbst schon Stimmen erhoben gegen die Engelsgestalten in
der christlichen Kunst, wie sich auch schon Proteste gegen
die künstlerische Verwendung des Kentauren, der fisch-
geschwänzten Tritonen und Nereiden, der bockfüßigen
Faune erhoben haben, von der Zeit des Bernard von Clair-
vaux her bis heute. Das geht uns hier indessen nur
soviel an, als man von nüchtern modernem Standpunkt
aus, der die sachliche Richtigkeit liebt, solchen Dingen, die
nur die Phantasie angehen, überhauptnichtnahekommendarf.

VIII.

DIE »Kinder der Flora
weniger beteiligt als die Tiere, und schon die
Häufigkeit des Namens Flora in unserer Zeit für
Gärten usw. sagt uns, daß wir gar nicht das Recht
haben, die Pflanzensymbolik zu übersehen. Vielleicht sind
in der Ornamentik diese symbolischen Deutungen der
Pflanzenmotive noch weniger vergessen als die Bedeutung
anderer Symbole, und deshalb ist es auch heute noch not-
wendig, die Symbolik der Pflanzen einmal im Zusammen-
hange darzustellen. Wir stellen jetzt noch zum Pfingstfest
den »Maibaum«, die Pappel oder die Birke vor die Tür, und
ein deutsches Weihnachten läßt sich so wenig ohne Tannen-
baum, dem »Christbaum«, denken, wie ein englisches Weih-
nachtsfest ohne Mispelzweig. Auch die Eiche, als Sinn-
bild der Stärke und des Trotzes, ist noch nicht über den
Haufen geworfen, und vom Lorbeer des Sieges, vom Öl-
zweig des Friedens sprechen wir nicht nur in der Schrift-
sprache, sondern auch ornamental oft genug.

Die Eiche war schon im germanischen Altertum dem
Donnergotte heilig; sie wurde deshalb auch Donnerbesen

DIE SYMBOLIK DER PFLANZEN

sind an der Symbolik nicht oder Donnerbart genannt

Bei den Griechen war sie dem
Zeus heilig, bei den Slawen dem Perkunos. Ein Eichen-
kranz war bei den griechischen Spielen der Preis des Siegers,
und die römische Bürgerkrone (corona civilis) bestand aus
einem Eichenkranz. Die Linde war der germanischen
Freia heilig. Sie gilt noch heute vielfach als Symbol des
Friedens. Die Zypresse war dem Hades, dem griechischen
Gotte der Unterwelt, geweiht, und darum ist sie noch
heute der eigentliche Friedhofsbaum. Bei der Trauerweide
ist es wohl mehr das charakteristische Aussehen des
Baumes, der ihr zu ihrem Namen und zu ihrer Verwen-
dung auf Friedhöfen verholten hat.

Der Weinstock war dem griechischen Dionysos heilig,
die Weinrebe dem Bacchus, und der Bacchusstab war
manchmal mit Weinlaub umwunden. Aber in der christ-
lichen Kirchensymbolik ist der Weinstock auch wieder
anzutreffen, wohl auf Grund des Christuswortes: Ich bin
der Weinstock und ihr seid die Reben. Ein Weinstock
mit 12 daranhängenden Trauben bedeutet Christus und die
12 Apostel. Eine verdorrte Weinrebe ist dasSymbol der Buße.

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