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Kunstgewerbeblatt: Vereinsorgan der Kunstgewerbevereine Berlin, Dresden, Düsseldorf, Elberfeld, Frankfurt a. M., Hamburg, Hannover, Karlsruhe I. B., Königsberg i. Preussen, Leipzig, Magdeburg, Pforzheim und Stuttgart — NF 28.1917

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Martell, P.: Vivatbänder
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https://doi.org/10.11588/diglit.4829#0258

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fach kleine textile Meisterwerke erstehen lassen. Die Vivat-
bänder waren von wechselnder Größe, vorherrschend war
die Breite von drei bis fünf Zentimetern; während die Länge
zwanzig, dreißig und vierzig Zentimeter betrug. Es gab
aber auch kleine, nur zehn Zentimeter lange Bänder, und
gelegentlich konnte man anderseits Bänder bis zu andert-
halb Meter Länge antreffen. Die Hauptfarben der Bänder
waren rot, blau und gelb, auch weiß ist nicht selten, wäh-
rend grün nur äußerst wenig vorkommt. Von den Braun-
schweiger Bändern wissen wir, daß einige nach den Ent-
würfen des berühmten Kupferstechers Beck hergestellt
worden sind. Das Berliner Hohenzollern-Museum besitzt
zahlreiche Vivatbänder auf den Hubertusburger Frieden,
darunter ein von Chodowiecki gemaltes, das Wünsche für
den König und die Königin aussprach. Vivatbänder er-
schienen auch bei Hochzeiten oder Geburtstagen in der
königlichen Familie. Die ältesten Vivatbänder beziehen
sich auf die Schlacht bei Roßbach. Der figürliche Schmuck
zeigt hier einen zur Sonne aufsteigenden Adler mit dem
Hohenzollern-Wahlspruch: Non soli cedit. Die Darstellung
ist von dem Spruch umrankt: Es lebe Friedrich der Preußen
König. Dazu die Verse: »Die sogenannte Reichsarme und
Frankreichs große Dauphine, die sind nunmehr wohl über-
führt, daß Friedrich als ein Held regiert.« Auch die Sieges-
bänder von Leuthen werden in der Darstellung noch von
dem zur Sonne emporsteigenden Adler beherrscht; aber
jetzt machen sich in dem zeichnerischen Schmuck schon
Medaillonporträts und Büsten des großen Königs geltend.
Ein Vivatband auf den großen Sieg bei Leuthen enthält
nachstehenden Vers, ersichtlich eine Anlehnung an ein
Volkslied: »Es lebe durch des Himmels Gnade, der König,
der uns helfen kann, so schlägt er mit der Wachtparade
noch mehrmals 80000 Mann!« Fast derselbe Vers, nur wenig
abweichend, findet sich auf einem Siegesband, das die
Schlacht bei Liegnitz betrifft. Die auf die ersten Siege im
siebenjährigen Krieg bezugnehmenden Vivatbänder waren
fast durchweg einfach gewebt, lediglich das Wort »Vivat«
zeigend, begleitet von dem verschlungenen Namenszug
des Königs, einer Krone oder einem Adler.

Die auf die Wiedereroberung Breslaus bezugnehmen-
den Vivatbänder sind vielfach mit dem Bild des Königs
in ganzer Figur, zum Teil zu Pferde, zum Teil auf dem
Thronsessel geschmückt. Bei den Vivatbändern, die von
der Schlacht bei Krefeld handeln, kommen neben dem Bild-
nis vom alten Fritz auch die der beiden Herzöge Karl und
Ferdinand von Braunschweig und des Königs Georg von
Hannover vor. Manchmal erinnern auch nur Wappen oder
Namenszüge an diese Fürsten. Die große Schlacht bei
Zorndorf rief eine besonders stattliche Zahl von Vivatbän-
dern hervor. Auch hier wieder eine Fülle von Kopf-
inschriften, wie: »Zittre, falle, beuge dich, für den großen
Friedrich« oder »Friedrichs Ruhm soll auf Erden, Aller Zeiten
Wunder werden.« Unter den bildlichen Darstellungen herr-
schen vier kleinere Obelisken vor, an denen die Wappen-
schilde der Feinde Friedrichs hängen, auf die Blitze herab-
zucken. Von den Zorndorfer Vivatbändern ist uns auch
eines der wenig erhalten gebliebenen gestickten Bänder
überliefert worden. Eines dieser Zorndorfer Vivatbänder
zeigt die Inschrift »Victoria! Die große Russische Armee
ist geschlagen. Zorndorf, den 25. und 26. Aug. 1758.«
Es folgt das Medaillon des großen Königs, darüber ein
Siegesengel mit Fanfare, darunter der Vers: »Ihr redlichen
Preußen! singt jauchzet und lobet, Barbaren, die sonsten
unmenschlich getobet, Kalmücken Kosacken, ein grausames
Heer, die liegen verstummet, sie wüten nicht mehr.« Dieser

mehr als 150 Jahre alte Vers hat heutigen Tages seine
neue ungeschmälerte Wahrheit erlebt. Vivatbänder wurden
ferner aus Anlaß der Entsetzung der Festung Neiße, der
Siege bei Minden und Parchwitz und der Schlacht bei
Torgau hergestellt. Eine besondere Gattung stellen die
Geburtstagsbänder dar, die meist in großer Zahl am
24. Januar, dem Geburtstage des großen Königs, erschienen.
Andere Bänder wieder beziehen sich auf die Rückkehr des
Königs aus dem Felde. Als eine umfangreiche, besondere
Gattung sind auch die Friedensbänder zu betrachten, die
das Ergebnis des Hubertusburger Friedens und der diesem
vorangegangenen Separatfrieden waren. Das Kgl. Zeug-
haus zu Berlin besitzt ein grob gesticktes schwarz und
blaues Vivatband, das mit hellblauem Seidendamast abge-
füttert ist. Sämtliche Buchstaben des zehn Zentimeter
breiten und etwa fünfzig Zentimeter langen Bandes sind
aus Füttern zusammengesetzt. Es ist ein Friedensband des
Jahres 1763. Übrigens feierten die Gegner den Abschluß
des langen siebenjährigen Krieges in ähnlicher Weise. Im
Germanischen Museum zu Nürnberg befindet sich ein säch-
sisches Vivatband mit der Inschrift: »Endlich da zweener
Adler Blitz sich dränget, Ward mir mein Rauten Stock ver-
senget.« Das Band zeigt in rotbraun den preußischen und
österreichischen Adler, zwei verschlungene Zweige, das
Wort Saxonia und zwei Schwerter, die an einem entblätter-
ten Baum lehnen. Ein Nordhausener Vivatband ist mit
dem Porträt von Franz 1. und Maria Theresia geschmückt.
Man hat auch in den Vivatbändern Ordensbänder sehen
wollen, doch ist dies zweifellos ein Irrtum, wenngleich es
den Anschein hat, daß die Mitkämpfer an der Schlacht bei
Roßbach sämtlich ein Vivatband erhielten, das aber doch
nur ein Erinnerungsband war, nicht aber für Tapferkeit
vom König verliehen wurde. Da die nicht besonders bil-
ligen Seidenbänder für manchen Kreis sicher zu hoch waren,
so half man sich mit bedruckten Papierbändern. Bei der
leichten Vergänglichkeit des Materials ist es begreiflich,
daß nur sehr wenige dieser papiernen Vivatbänder auf uns
gekommen sind.

Nach dem Vorbild der Vivatbänder schuf man damals
sogenannte Familienbänder, die sich auf Verlobungen,
Hochzeiten, Jubiläen und Abschiedsfeste bezogen. Auch
in unserer Zeit ist man gelegentlich zur Schaffung solcher
Familienbänder geschritten. In diesem Sinne kann auch
das Vivatband genannt werden, das zum 80. Geburtstage
von Adolph Menzel im Jahre 1895 gewebt wurde, zur
Huldigung des großen genialen Malers der gewaltigen
friderizianischen Zeit. In der Zeit der Freiheitskriege haben
die Vivatbänder keine allgemeine Erneuerung erlebt, was
sich wohl zum Teil aus den geschichtlichen Ereignissen
von selbst erklärt. Ganz verschwunden waren sie aber
auch nicht in dieser Zeit. So ist ein Band vom Einzüge
des Königs Friedrich Wilhelm III. und der Königin Luise
aus dem Jahre 1809 bekannt, welches Berliner Band den
Vermerk trägt: »Zu haben in der Zürngibl'schen Buchdruk-
kerey, an der Spandauer Brükk Nr. 1. »Die große, ge-
waltige Zeit, deren Zeugen wir sind, würde eine Wieder-
belebung der alten kulturgeschichtlich so interessanten Vivat-
bänder vollauf rechtfertigen, damit sie so den späteren Gene-
rationen sinnige Wahrzeichen von den gewaltigen Kämpfen
sind, die wir um des Reiches Macht und Größe und die
Freiheit unseres Volkes führen. Unsern Künstlern und der
Textilindustrie ist in diesen Vivatbändern eine würdige,
neue Aufgabe gestellt, die durch die vom Roten Kreuz ge-
schaffenen Vivatbänder eine gewisse Erfüllung gefunden
haben. Dr. p. martell.

Für die Redaktion des Kunstgewerbeblattes verantwortlich: Fritz Hellwao, Berlin-Zehlendorf-Mitte
Verlag von E. A. Seemann in Leipzig. — Druck von Ernst Hedrich Nachf., q. m. b. h., in Leipzig
 
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