die Welt ein so anderes Bild bekam. Denn dieselbe
Legende fast befindet sich schon in der griechischen My-
thologie, Persephone, die Tochter der Demeter, wird hier
durch den Biß in einen Granatapfel die Gattin des Hades,
des Gottes der Unterwelt. Deshalb war der Granatapfel
neben der Quitte in Athen das Symbol der Eheschließung.
Der Apfel bedeutet, wie auch der Granatapfel, Fruchtbar-
keit in der ehelichen Liebe, der Apfel auch weltliche
Liebe. Er galt bei den Griechen als von Dionysos
erschaffen, der Aphrodite war er heilig. Die biblische
Legende vom Apfelbiß hat aus dem Apfel die verbotene
Frucht gemacht und die Sünde, wie überhaupt jeden
verbotenen oder heimlichen Genuß damit verbunden.
Aber auch die griechische Mythologie hat dem Apfel eine
schlimme Rolle zugetraut; sie läßt nämlich Eris, die Göttin
der Zwietracht ärgerlich werden, weil sie zu einer Hoch-
zeit nicht geladen ist und in diesem Ärger wirft die Eris
einen Apfel unter die Hochzeitsgesellschaft, der die Auf-
schrift trägt: Der Schönsten. Es müßten die Griechen
ganz andere Menschen gewesen sein, wenn sich unter den
weiblichen Gästen nicht sofort ein Streit erhoben hätte
über die Frage, welchem Weib dieser Apfel zugedacht sei.
Hera, Athene und Aphrodite stritten sich darum, und die
Folge war der Schiedsspruch des Paris, der den Apfel
der Aphrodite reichte. Darum spricht man heute noch von
böswillig zugeschobenen Zankursachen als von Erisapfeln.
Auch Herakles hatte mit Äpfeln zu tun und zwar mit den
Äpfeln der Hesperiden, die auf dem von der Gaia, der
Erdgöttin, auf der Hesperideninsel gepflanzten goldenen
Wunderbaum wuchsen, aber bewacht waren von einem
hundertköpfigen Drachen und die Herakles nun holen sollte.
Durch einen Bauernfängertrick bewog Herakles den Atlas,
den Träger des Himmelsgewölbes, drei dieser Hes-
peridenäpfel für ihn zu pflücken. Schließlich kannten die
Germanen auch noch die Äpfel der Unsterblichkeit, die
von der Göttin Idun verwahrt, ein Mittel für die Götter
waren, sich jung zu erhalten, wenn sie zu altern begannen.
Sie blieben nach dem Genuß dieser Äpfel in jugendlicher
Schönheit bis zur Götterdämmerung.
Die Erdbeere soll, blühend und Früchte tragend, die
sinnliche Liebe symbolisieren.
Die Kornähren sind heute noch Symbol der länd-
lichen Fruchtbarkeit und des Bauernfleißes; der Kornähren-
kranz zum Erntefest geht indessen wahrscheinlich auf das
alte Sonnensymbol, das Rad zurück. In der christlichen
Symbolik bedeutet eine Zusammenstellung von Kornähren
und Weintrauben das heilige Abendmahl. Gerstenähren,
auch mit Hopfenblättern sind ein Sinnbild des Brauwesens.
Die Mandel ist zum Urbild einer sehr verbreiteten
mittelalterlichen Symbolform geworden, nämlich einer be-
sonderen Art von Heiligenschein, der Mandorla. Die
Mandorla, jener spitzovale, mandelförmige Nimbus, der
oft die ganze Figur in der christlichen Malerei umgibt,
und der auch die »mystische Mandel« heißt, wird frei-
lich von englischen Archäologen vesica piscis, also Fisch-
blase genannt; wir haben aber gesehen, daß das Fisch-
blasenornament der Gotik doch vielleicht von anderen
Formen ausgeht, als von der ganz anderen Gestalt der
Fischblasen, die zudem die größten Verschiedenheiten in
der Form zeigen. Warum soll denn nicht die Mandel,
wie schon der italienische Name besagt und an deren Ge-
stalt die Mandorla ganz genau erinnert, das Urbild sein,
zumal in der Pflanzensymbolik die süße, in der harten
Frucht liegende Frucht der Mandel als das Symbol der
Menschwerdung gilt. Und sehen wir uns in der christ-
lichen Bilderkunst um, so finden wir meistens, daß es
Maria mit dem Jesuskinde, dem menschgewordenen Gott
ist, die von der Mandorla umgeben ist.
IX.
SYMBOLISIERTE BEGRIFFE
WIR sind in den vorhergehenden Abschnitten immer
von den Symbolen ausgegangen, um nach ihrer
Deutung zu suchen. Das konnte deshalb ge-
schehen, weil die Symbole selbst feststehende Formen, die
leicht zu benennen sind, angenommen haben und weil es
sich auch hauptsächlich darum handelt, diese bekannten
Symbolformen in ihrer ursprünglichen Deutung vorzuführen.
Aber es bleiben bei dieser Art eine Menge von Symbolen
übrig, die sich nicht so leicht benennen lassen oder die
nur in besonderen Fällen und in eigenartigen Verspinnun-
gen mit zufälligen Gedankengängen oder Begebenheiten
symbolischen Inhalt zeigen, ferner auch solche, die über-
haupt keine gegenständliche Form haben, sondern, wie z. B.
der Regenbogen u. a., nur Erscheinungen, oder wie die
Elektrizität Naturgewalten sind, denen der Mensch von
allem Anfange an als unterwürfiges Wesen gegenüberstand
und für die er auch, nun, nachdem er sie erkannt oder be-
zwungen und gezähmt hat, einen kurzen, umfassenden, be-
zeichnenden Ausdruck liebt, der über die sachliche Nüchtern-
heit der Formel und des Exempels hinausgeht, einen Aus-
druck, der nicht nur dem kalten Verstände, sondern auch
dem Gemüte zugänglich ist. Nicht daß er diesen Ausdruck
nun im praktischen Gebrauch des Tages, in der Brotarbeit,
benutzen möchte — aber auch der moderne, sachlich ge-
richtete, nüchtern erwägende, praktisch rechnende Mensch
lebt nicht von Brot allein, wie er sehr oft gerade bekennen
muß, wenn ihn die Härten des täglichen Lebens am
dichtesten umdrängen — und darum ist auch die Meinung
nicht richtig, daß sowohl die Symbolik der alten Welt end-
gültig erledigt sei wie auch die moderne Welt für neue Sym-
bole kein Verständnis und kein Bedürfnis habe. Es ist schon
gesagt daß aus dem praktischen Bedürfnis nach Symbolen
sogar eine neue Bilderschrift entstehen konnte, wie die Eisen-
bahnsignale und die international vereinbarten Wegesignale
für Automobile beweisen«; wenn die Nachwirkungen des
Weltkrieges überwunden sein werden, wird manwahrschein-
ich auch zu internationalen Luftschiffersignalen kommen.
Die Stenographie ist ein Schritt zi;r symbolischen Bilder-
schrift auf dem Umwege über die Silbenschrift, und wenn
wir uns aufmerksam umsehen, so werden wir noch viele
solcher symbolischen Zeichen finden, die aus dem Bedürfnis
nach einer prägnanten, leicht merkbaren Abkürzungsformel
für schriftliche Mitteilungen hervorgegangen sind.
Um wieviel leichter ist das aber möglich bei Begriffen,
wo nicht sachlich nüchterne Einengungen den symbolischen
Ausdruck niederhalten. Hier sind wir immer noch nicht
über Rückgriffe in die alten Mythenschätze hinaus, und
wenn sich aus modernem Denken ein traditonsfreies Sym-
bol findet, so läßt sich sein künstlerischer Ausdruckswert
immer nur darnach beurteilen, ob es Besseres eindringlicher
zu sagen weiß, als es mit den alten mythologischen Mitteln
möglich wäre. Die Naturgewalten, Blitz, Donner, Sturm,
die Naturerscheinung des Regenbogens sind aber mit alten
Mitteln, wie wir in den vorhergegangenen Abschnitten ge-
sehen haben, so vielfach und oft so glücklich symbolisch
ausgedrückt worden, daß es zweifelhaft erscheint, ob aus
modernem Gedankengange heraus, gestützt auf die natur-
wissenschaftliche Erkenntnis, die uns jene Naturgewalten
— 230
Legende fast befindet sich schon in der griechischen My-
thologie, Persephone, die Tochter der Demeter, wird hier
durch den Biß in einen Granatapfel die Gattin des Hades,
des Gottes der Unterwelt. Deshalb war der Granatapfel
neben der Quitte in Athen das Symbol der Eheschließung.
Der Apfel bedeutet, wie auch der Granatapfel, Fruchtbar-
keit in der ehelichen Liebe, der Apfel auch weltliche
Liebe. Er galt bei den Griechen als von Dionysos
erschaffen, der Aphrodite war er heilig. Die biblische
Legende vom Apfelbiß hat aus dem Apfel die verbotene
Frucht gemacht und die Sünde, wie überhaupt jeden
verbotenen oder heimlichen Genuß damit verbunden.
Aber auch die griechische Mythologie hat dem Apfel eine
schlimme Rolle zugetraut; sie läßt nämlich Eris, die Göttin
der Zwietracht ärgerlich werden, weil sie zu einer Hoch-
zeit nicht geladen ist und in diesem Ärger wirft die Eris
einen Apfel unter die Hochzeitsgesellschaft, der die Auf-
schrift trägt: Der Schönsten. Es müßten die Griechen
ganz andere Menschen gewesen sein, wenn sich unter den
weiblichen Gästen nicht sofort ein Streit erhoben hätte
über die Frage, welchem Weib dieser Apfel zugedacht sei.
Hera, Athene und Aphrodite stritten sich darum, und die
Folge war der Schiedsspruch des Paris, der den Apfel
der Aphrodite reichte. Darum spricht man heute noch von
böswillig zugeschobenen Zankursachen als von Erisapfeln.
Auch Herakles hatte mit Äpfeln zu tun und zwar mit den
Äpfeln der Hesperiden, die auf dem von der Gaia, der
Erdgöttin, auf der Hesperideninsel gepflanzten goldenen
Wunderbaum wuchsen, aber bewacht waren von einem
hundertköpfigen Drachen und die Herakles nun holen sollte.
Durch einen Bauernfängertrick bewog Herakles den Atlas,
den Träger des Himmelsgewölbes, drei dieser Hes-
peridenäpfel für ihn zu pflücken. Schließlich kannten die
Germanen auch noch die Äpfel der Unsterblichkeit, die
von der Göttin Idun verwahrt, ein Mittel für die Götter
waren, sich jung zu erhalten, wenn sie zu altern begannen.
Sie blieben nach dem Genuß dieser Äpfel in jugendlicher
Schönheit bis zur Götterdämmerung.
Die Erdbeere soll, blühend und Früchte tragend, die
sinnliche Liebe symbolisieren.
Die Kornähren sind heute noch Symbol der länd-
lichen Fruchtbarkeit und des Bauernfleißes; der Kornähren-
kranz zum Erntefest geht indessen wahrscheinlich auf das
alte Sonnensymbol, das Rad zurück. In der christlichen
Symbolik bedeutet eine Zusammenstellung von Kornähren
und Weintrauben das heilige Abendmahl. Gerstenähren,
auch mit Hopfenblättern sind ein Sinnbild des Brauwesens.
Die Mandel ist zum Urbild einer sehr verbreiteten
mittelalterlichen Symbolform geworden, nämlich einer be-
sonderen Art von Heiligenschein, der Mandorla. Die
Mandorla, jener spitzovale, mandelförmige Nimbus, der
oft die ganze Figur in der christlichen Malerei umgibt,
und der auch die »mystische Mandel« heißt, wird frei-
lich von englischen Archäologen vesica piscis, also Fisch-
blase genannt; wir haben aber gesehen, daß das Fisch-
blasenornament der Gotik doch vielleicht von anderen
Formen ausgeht, als von der ganz anderen Gestalt der
Fischblasen, die zudem die größten Verschiedenheiten in
der Form zeigen. Warum soll denn nicht die Mandel,
wie schon der italienische Name besagt und an deren Ge-
stalt die Mandorla ganz genau erinnert, das Urbild sein,
zumal in der Pflanzensymbolik die süße, in der harten
Frucht liegende Frucht der Mandel als das Symbol der
Menschwerdung gilt. Und sehen wir uns in der christ-
lichen Bilderkunst um, so finden wir meistens, daß es
Maria mit dem Jesuskinde, dem menschgewordenen Gott
ist, die von der Mandorla umgeben ist.
IX.
SYMBOLISIERTE BEGRIFFE
WIR sind in den vorhergehenden Abschnitten immer
von den Symbolen ausgegangen, um nach ihrer
Deutung zu suchen. Das konnte deshalb ge-
schehen, weil die Symbole selbst feststehende Formen, die
leicht zu benennen sind, angenommen haben und weil es
sich auch hauptsächlich darum handelt, diese bekannten
Symbolformen in ihrer ursprünglichen Deutung vorzuführen.
Aber es bleiben bei dieser Art eine Menge von Symbolen
übrig, die sich nicht so leicht benennen lassen oder die
nur in besonderen Fällen und in eigenartigen Verspinnun-
gen mit zufälligen Gedankengängen oder Begebenheiten
symbolischen Inhalt zeigen, ferner auch solche, die über-
haupt keine gegenständliche Form haben, sondern, wie z. B.
der Regenbogen u. a., nur Erscheinungen, oder wie die
Elektrizität Naturgewalten sind, denen der Mensch von
allem Anfange an als unterwürfiges Wesen gegenüberstand
und für die er auch, nun, nachdem er sie erkannt oder be-
zwungen und gezähmt hat, einen kurzen, umfassenden, be-
zeichnenden Ausdruck liebt, der über die sachliche Nüchtern-
heit der Formel und des Exempels hinausgeht, einen Aus-
druck, der nicht nur dem kalten Verstände, sondern auch
dem Gemüte zugänglich ist. Nicht daß er diesen Ausdruck
nun im praktischen Gebrauch des Tages, in der Brotarbeit,
benutzen möchte — aber auch der moderne, sachlich ge-
richtete, nüchtern erwägende, praktisch rechnende Mensch
lebt nicht von Brot allein, wie er sehr oft gerade bekennen
muß, wenn ihn die Härten des täglichen Lebens am
dichtesten umdrängen — und darum ist auch die Meinung
nicht richtig, daß sowohl die Symbolik der alten Welt end-
gültig erledigt sei wie auch die moderne Welt für neue Sym-
bole kein Verständnis und kein Bedürfnis habe. Es ist schon
gesagt daß aus dem praktischen Bedürfnis nach Symbolen
sogar eine neue Bilderschrift entstehen konnte, wie die Eisen-
bahnsignale und die international vereinbarten Wegesignale
für Automobile beweisen«; wenn die Nachwirkungen des
Weltkrieges überwunden sein werden, wird manwahrschein-
ich auch zu internationalen Luftschiffersignalen kommen.
Die Stenographie ist ein Schritt zi;r symbolischen Bilder-
schrift auf dem Umwege über die Silbenschrift, und wenn
wir uns aufmerksam umsehen, so werden wir noch viele
solcher symbolischen Zeichen finden, die aus dem Bedürfnis
nach einer prägnanten, leicht merkbaren Abkürzungsformel
für schriftliche Mitteilungen hervorgegangen sind.
Um wieviel leichter ist das aber möglich bei Begriffen,
wo nicht sachlich nüchterne Einengungen den symbolischen
Ausdruck niederhalten. Hier sind wir immer noch nicht
über Rückgriffe in die alten Mythenschätze hinaus, und
wenn sich aus modernem Denken ein traditonsfreies Sym-
bol findet, so läßt sich sein künstlerischer Ausdruckswert
immer nur darnach beurteilen, ob es Besseres eindringlicher
zu sagen weiß, als es mit den alten mythologischen Mitteln
möglich wäre. Die Naturgewalten, Blitz, Donner, Sturm,
die Naturerscheinung des Regenbogens sind aber mit alten
Mitteln, wie wir in den vorhergegangenen Abschnitten ge-
sehen haben, so vielfach und oft so glücklich symbolisch
ausgedrückt worden, daß es zweifelhaft erscheint, ob aus
modernem Gedankengange heraus, gestützt auf die natur-
wissenschaftliche Erkenntnis, die uns jene Naturgewalten
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