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Der Kunstmarkt
Wochenschrift für Kenner und Sammler
Herausgegeben u. verlegt von E. A. SEEMANN, Leipzig, Querstrasse No. 13
rj na na na rj rjrj na Beiblatt der Zeitschrift für bildende Kunst rjrjrjrjrjrjrjrj

I. Jahrgang

1903/1904

Nr. 16. 22. Januar

Der Kunstmarkt erscheint am Freitage jeder Woche und kostet 4 M. jährlich. Bei Bezug unter Kreuzband, direkt von der Verlagsbuchhandlung,
beträgt der Jahrespreis 6 M. Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten den Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigenpreis 30 Pf. für die ein-
spaltige Petitzeile. Redaktionsschluß Montag früh.

NEUIGKEITEN VOM KUNSTMARKTE

Datum
In nächster Zeit finden die folgenden wichtigen Auktionen statt:
Berlin:
Datum
Leipzig:
27.-29.
Jan.
Rudolf Lepke. Stiche: Alte dtsche. Meister.
Ältere Handzeichnungen und Aquarelle.
25.-28.
Jan.
List & Francke. Autographensammlung.
2. Febr.
Rudolf Lepke. Antiquitäten.
25.-28.
Amsterdam.
9. lO.Feb.
Rudolf Lepke. Alte Gemälde.
Jan.
Muller & Cie. Manuskripte und Bücher.
Über die mit Sternchen versehenen Versteigerungen ist im Anzeigenteile dieser
Hummer näheres zu finden.

Wiener Kunstversteigerungen. Während Kunst-
versteigerungen von Jahr zu Jahr immer seltener werden,
und selbst in London im Auktionshause Christie & Manson
nur noch vereinzelte und meist weniger bedeutende Ver-
steigerungen zu verzeichnen sind, steht Wien in diesem
Winter im Zeichen der Kunstauktionen. Es ist dies um
so auffälliger, da wir im letzten Jahrzehnt nur herzlich
wenig namhafte Versteigerungen von Kunstsachen hier
erlebt haben. Den Aufschwung verdankt Wien wohl dem
neuen städtischen Kunstauktionshause, das sich der leb-
haften Förderung namentlich des Statthalters erfreut. Frei-
lich von rechter Dauer kann dieser Aufschwung kaum
sein, dazu besitzt Österreich nur noch zu wenige Kunst-
sammlungen, von den großen Galerien unserer Magnaten-
und einigen neueren Privatsammlungen abgesehen, die
hoffentlich nie unter den Hammer kommen. Anfang
Dezember wurde bei H. Cubasch die wenig bedeutende
Antiquitätensammlung von Karl von Ratzersberg verstei-
gert. Sie enthielt einige leidliche Renaissancebronzen: ein
kleines Exemplar des Dornausziehers um 1500, einen
blasenden Triton in der Art des Gian Bologna, dessen
bekannte Nessusgruppe in einem geringen Exemplar, sowie
einem Putto auf Delphin mit Muschel zur Seite, die als
Tintenfaß diente. Diese Stücke, die man bisherigen Preisen
entsprechend auf 500 bis 1500 Kronen schätzte, wurden
von Wiener Händlern bis auf 10000 Kronen getrieben.
Von ihnen wurden sie nach London verkauft, wo für den
Triton 21000 Kronen (in Wien 2980 Kronen), für den Putto
auf Delphin 18500 Kronen (in Wien 5800 Kronen) verlangt
werden! Wie wenig infolge der unsinnigen Bronzehausse
die Händler selbst über den Marktwert der Bronzen orientiert
sind, zeigt der Preis von 10000 Kronen, den ein Wiener
Händler für die Nessusgruppe zahlte, während gleichartige
Stücke derselben Gruppe in Italien mit etwa 4000 Kronen,
in London mit nur 1300 Kronen bezahlt werden. Ein

kleines Exemplar des Dornausziehers erzielte in der
Ratzersbergschen Auktion 1360 Kronen, ein Renaissance-
pferd 1500 Kronen, eine späte Kopie des Farnesischen
Fechters 740 Kronen. — In der eben abgeschlossenen
Versteigerung des Karl v. Kratzerschen Nachlasses (bei
Wawra), der meist Bilder enthielt, brachten die Blei-
statuetten eines Merkur und einer Venus von Raphael Donner
14300 Kronen.
Das angebliche Porträt der Marie Antoinette in
Wiesbaden. Wir haben in der letzten »Kunstchronik«
die durch viele Zeitungen gehende Notiz von dem Funde
eines Brustbildes der Marie Antoinette, von J. L. David
gemalt, ohne Kommentar registriert, müssen aber jetzt,
wo das Bild in der Leipziger »Illustrierten Zeitung«
reproduziert ist, unsere starken Bedenken gegen die Be-
deutung des Fundes äußern. Schon der erste Blick auf
die Abbildung enttäuscht vollständig, denn das Bild hat
nicht einmal eine entfernte Ähnlichkeit mit Marie Antoinette
und stellt bei dem Fehlen jeglichen Schmuckes oder son-
stigen Anhaltes wohl überhaupt keine regierende oder
vornehme Frau dar. Dabei hat das Gemälde etwas außer-
ordentlich Hölzernes und Schematisches infolge der ängst-
lich innegehaltenen Enfacestellung und des vollständigen
Mangels an Modellierung, Ausdruck und Belebung. Ge-
radezu hilflos sind die Augen gezeichnet. Es handelt sich
hier also um kein Kunstwerk, sondern um eine Croüte,
und es ist unrecht, den Namen Davids, der gerade in
Porträts seine jetzt am höchsten geschätzten Meisterwerke
geschaffen hat, damit in Verbindung zu bringen. Wenn
auch sein Name auf diesem Bilde steht, so muß er bei
einer früheren Restauration vielleicht von unberufener Hand
darauf gesetzt sein, und ist im Zusammenhang mit dieser
handwerksmäßigen Malerei nicht einmal geschickt gewählt;
auch die Datierung 1790 steht im Widerspruch zur Haar-
tracht, die wesentlich früher ist. F. b.
 
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