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Der Kunstmarkt
Wochenschrift für Kenner und Sammler
Herausgegeben u. verlegt von E. A. SEEMANN, Leipzig, Querstrasse No. 13
nanafiananananana Beiblatt der Zeitschrift für bildende Kunst na na na na na na na na

I. Jahrgang 1903/1904 Nr. 24. 18. März

Der Kunstmarkt erscheint am Freitage jeder Woche und kostet 4 M. jährlich. Bei Bezug unter Kreuzband, direkt von der Verlagsbuchhandlung,
beträgt der Jahrespreis 6 M. Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten den Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigenpreis 30 Pf. für die ein-
spaltige Petitzeile. Redaktionsschluß Montag früh.

BEVORSTEHENDE AUKTIONEN
21. März. M.-J. Schulmann, Amsterdam. Keizers-
gracht 448, Münzen und Medaillen. Samm-
lung F. de Witt und P. Lankelma.
22. März. Rudolf Lepke, Berlin. Alt-Meißner Porzellan.
*22. März. Amsler & Ruthardt, Berlin. Holzschnitte,
Kupferstiche und Schabkunstblätter alter
und neuer Meister.
*22. März. Rudolf Bangel, Frankfurt a. M. Moderne
und alte Meister, Nachlaß J. Ritter von
Singer-Wien.
*21. März. Georg Mössel, München. Antiquitäten.

NEUIGKEITEN VOM KUNSTMARKTE
Die Versteigerung der Sammlung Gillot in Paris.
II. Die Käufer.
Auf den ersten Weltausstellungen war Japan noch
nicht vertreten. In Wien 1873 wurden die wenigen guten
Altsachen zurückgedrängt von einer Menge mittelmäßiger
Marktware, mit der die japanische Industrie den Ansprüchen
des Abendlandes zu dienen vermeinte. Von den damals
kaufenden deutschen Museen konnten nur wenige Stücke
von dauerndem Wert erworben werden. Die wohlfeile
Marktware schien immer noch reizvoll genug, um museums-
würdig befunden zu werden, aber weit stand sie hinter
dem zurück, was inzwischen von der älteren Kunst Japans
zu unserer Kenntnis gelangt ist, und wohl nur wenige
Sammlungen freuen sich heute noch ihrer damaligen An-
käufe. Besser hatten es die Franzosen bei ihrer Welt-
ausstellung von 1878. Die politische und soziale Um-
wälzung, die mit der Ära Meiji begonnen hatte, hatte im
ersten Anlauf auch zu einer Geringschätzung und Ent-
wertung der Kunstaltertümer des eigenen Landes geführt.
Alte Geschlechter entäußerten sich ererbten Kunstbesitzes,
und kostbare Altsachen strömten in der Gefolgschaft der
Weltausstellung nach Paris, wo sie zu Preisen ausgeboten
wurden, die lächerlich gering waren im Vergleich zu den
Preisen, die man in Europa für Altertümer des Abend-
landes anzulegen schon sich gewöhnt hatte. Die Leiter
der öffentlichen Sammlungen waren damals noch nirgends
vorgeschritten genug in der Erkenntnis des Wertes der
Kunst Alt-Japans, um die Gelegenheit auszunutzen. Desto
sicherer griffen private Sammler zu, und damals begannen
jene Pariser Sammlungen sich zu bilden, von denen einige
inzwischen wieder verstreut worden, andere heute noch

der Stolz ihrer glücklichen Besitzer sind. Dieser Sammler
waren aber doch nur wenige, und als in der Folge die
Zuflüsse kostbarer alter Lackarbeiten, Schwertzieraten,
Bronzen, Töpferwaren und Gewebe den Pariser Markt mit
einer Fülle der herrlichsten japanischen Kunstaltertümer
versorgten, konnten die eigentlichen Sammler, deren es
nicht viele gab, doch nur einen kleinen Teil davon auf-
nehmen. Desto bereiter war die reiche Gesellschaft, die
in den japanischen Altsachen willkommene Bibelots, ge-
schmackvolle Nippes begrüßte, wohl auch manches Kunst-
werk als Gebrauchsgegenstand verbrauchte, alte Goldlack-
briefkasten als Handschuhkasten, Kogos als Bonbonnieren
dem Untergang weihte. Altertümer im Werte von un-
gezählten Millionen wurden dadurch im Laufe eines Jahr-
zehnts in alle Winde verstreut und werden erst wieder
entdeckt werden müssen, vielleicht erst nach vielen Jahren
auf den Kunstmarkt zurückfließen. Als der kundigen
Sammler mehr sich einstellten, war die Gelegenheit ver-
paßt; die Zuflüsse ließen nach, weil man in Japan sich
wieder auf sich selber besann; die in Paris wie Pilze aus
der Erde geschossenen Japanhandlungen gingen zurück,
gleichzeitig stiegen die Preise und es lernten die japanischen
Künstler, die Nachfrage auch durch geschickte Nach-
ahmungen ihrer Altsachen befriedigen. Immer schwieriger
wurde es, die zunehmende Zahl der eigentlichen Sammler
und die endlich nachhinkenden Museen mit bester Ware
zu versorgen. Da brachten Versteigerungen nach Todes-
fällen, zuerst die der Sammlung Philippe Burtys, dann die
der Sammlung de Goncourts und schließlich die Vente
Gillot neuen Aufschwung in die stockende Bewegung. Die
älteren Sammler, die den Grund gelegt hatten in Jahren,
wo der Markt von guten Altsachen strotzte, konnten sich
der großen Werterhöhung ihrer Schätze freuen, die jüngeren
mußten sich mit Preisen abfinden, die um ein Vielfaches
die vor zwei Jahrzehnten üblichen übertrafen. Aussicht
auf ein Zurückgehen der Preise haben wir um so weniger,
als erst jetzt überall die Museen nachdrücklich in den
Wettbewerb eintreten müssen und werden, wenn jene
Worte noch zutreffen, die Julius Lessing 1878 in einem
seiner Weltausstellungsbriefe schrieb, daß nicht nur inner-
halb der ostasiatischen oder der orientalischen, sondern
sogar innerhalb der ganzen, aus allen Teilen des Erdballs
in Paris vereinten Kunstübungen Japan frisch sprudelnde
und anmutige Kunst darbiete, Japan dasjenige Land sei,
welches den höchsten Triumph gefeiert, durch Eigenartig-
keit und künstlerisches Empfinden sämtliche übrigen Länder
in Schatten gestellt habe.
Bei dieser vergangenen und gegenwärtigen Lage des
japanischen Kunstmarktes in Europa wird es von Interesse
sein, soweit es möglich, den Wegen zu folgen, welchen
die Perlen der Sammlung Gillot bei ihrer Verstreuung ge-
 
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