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Der Kunstmarkt
Wochenschrift für Kenner und Sammler
Herausgegeben u. verlegt von E. A. SEEMANN, Leipzig, Querstrasse No. 13
[MnununununuRUfio Beiblatt der Zeitschrift für bildende Kunst nufiurejnantinunufiu
I. Jahrgang 1903/1904 Nr. 35. 3. Juni
Der Kunstmarkt erscheint am Freitage jeder Woche und kostet 4 M. jährlich. Bei Bezug unter Kreuzband, direkt von der Verlagsbuchhandlung,
beträgt der Jahrespreis 6 M. Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten den Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigenpreis 30 Pf. für die ein-
spaltige Petitzeile. Redaktionsschluß Montag früh.

BEVORSTEHENDE AUKTIONEN

*6. Juni u. ff. Hugo Helbing, München. Sammlung
Hefner - Alteneck I: Gemälde, Zeichngn.,
Waffen und Kunstgegenstände.
*7.-8. JunL Rudolf Bangel, Frankfurt a. M. Gemälde
älterer und mod. Meister, Kunstblätter,
Kunstgegenstände.

*9.-10. Juni. Math. Lempertz, Bonn. Gemälde alter
und neuer Meister, Möbel u. s. w.
16. Juni u. ff. S. Verdier, Kopenhagen. Kunstsachen
und Antiquitäten.
*Oktober. J. M. Heberle, Köln. Kunstsammlungen
Gebr. Bourgeois.

Über die mit Sternchen versehenen Versteigerungen ist im Anzeigenteile dieser Nummer näheres zu finden.

NEUIGKEITEN VOM KUNSTMARKTE

Die Vente Somzee in Brüssel ist im vollen Gange.
Nach den Antiken ist man gegenwärtig zu den Gemälden
übergegangen, deren Menge in vier Vakationen bewältigt
werden soll. Dank dem Renommee der Sammlung und
vor allem Dank dem sehr splendiden Kataloge ist der
Besuch auch aus Frankreich und Deutschland gut, aber
man bemerkt wenig Museumsvorstände, die überwiegende
Mehrzahl sind Händler und Sammler, viele mit ihren Damen
in großer Toilette. Die Auktion findet in dem großen
Oberlichtsaale des Palais de Somzee statt, dessen ge-
räumiges Vestibül vorläufig noch der größte Teil der ver-
kauften Antiken schmückt. Die Preise erreichten bei allen
besseren Stücken fast durchweg eine verhältnismäßig sehr
stattliche Höhe. Aber wie dünn gesät waren doch die
wirklich qualitätvollen Gemälde? Mr. de Somzee muß
alles gesammelt haben, was er erreichen konnte, und muß
niemals auch den ärgsten Bodensatz seiner Sammlung aus-
geschlossen haben. Wenn ich sage, daß kaum zehn Pro-
zent des Gebotenen einen einigermaßen wählerischen Privat-
sammler befriedigen konnten, so glaube ich nicht zu scharf
zu urteilen. Von wirklichen Museumsstücken waren z. B.
in der Freitagsauktion kaum ein halbes Dutzend Bilder unter
den mehreren Hundert. Verkauft wurden die Gruppen
der altsienesischen, frühflorentinischen, der spanischen, alt-
holländischen und altdeutschen Schule.
Die sienesischen Stücke waren in ihrer Gesamtheit
äußerst gering in Qualität und Erhaltung. Alle die Namen
der großen Meister Guido, S. Martini, L. Memmi, Lorenzetti
waren grundlos zitiert. Ein stattliches und wohlerhaltenes
Bild war nur die dem Sim. Memmi zugeschriebene Madonna
mit Engeln (Nr. 282) und brachte 5600 Francs. Nr. 286,
Madonna »eines unbekannten Meisters« war eine spezifische
Arbeit des Giov. di Paolo (900 Fr.). Nr. 287 eine gut-
erhaltene Heilige Familie von Matteo di Giovanni billig
für 400 Fr.

Auch unter den Florentinern war kein eigentlicher
Schlager. Unter den Namen der hervorragendsten Primi-
tiven gingen zumeist sehr jämmerliche und ruinöse hand-
werkliche Arbeiten. Nur 296, eine Geburt Christi, durfte
Anspruch auf Taddeo Gaddi machen (700 Fr.). Nr. 300
Madonna, dem Al. Baldovinetti zugeschrieben, war ein
nicht uninteressantes Bild von einem häufig in den Samm-
lungen Italiens und des Auslands (auch in Berlin, Alten-
burg) vertretenen, handwerklich arbeitenden Satelliten der
Ghirlandajo (5000 Fr., Duc de Robert (?) Paris). Der an-
gebliche Masaccio, Darstellung des Verrats des Judas mit
einer bemerkenswerten perspektivischen Architektur (Nr.
306), kam verhältnismäßig sehr billig für 1900 Fr. in die
Hand Charles Sedelmeiers, Paris. Über den kunstgeschicht-
lichen Wert dieses ziemlich großen Gemäldes kann kein
Zweifel sein, trägt es doch den deutlichen Ausdruck jener
wahrhaft triebkräftigen Frühlingszeit der florentinischen
Frührenaissance in den Tagen Masaccios, aber alles Figür-
liche in dem Bilde ist geradezu schwächlich und unsicher
und das ganze Bild offenbar ganz übermalt, denn es strahlt
wie gestern gemalt. Ein respektables, in der Farbe feines,
vielleicht echtes Bild des P. Pollajuolo, war die Madonna
mit Heiligen (Nr. 308) und brachte 12500 Fr. Richtig be-
zeichnet waren wohl auch 309, Porträt von Bronzino
(1600 Fr.) und 311, Madonna von A. d. Sarto (3600 Fr.).
Unter den Spaniern waren einige bemerkenswerte,
nicht alltägliche Stücke z. B. Nr. 529, eine aus 26 Heiligen-
darstellungen zusammengesetzte Bilderwand in gotischem
Rahmenwerk, sehr frisch und etwas hart, niederländisch
beeinflußt, um 1480. Es brachte 15000 Fr. (Duc de
Robert [?], Paris). Die Murillos der Sammlung hatten
kein Glück; das verhältnismäßig beste Stück, die Heim-
suchung (Nr. 537) brachte 2400 Fr. (billig'). Der schöne
Ribera, Porträt eines lorbeerbekränzten alten Gelehrten,
etwas dunkel, in fast Rembrandtscher Kraft, brachte 5100 Fr.
 
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