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Der Kunstmarkt
Wochenschrift für Kenner und Sammler
Herausgegeben u. verlegt von E. A. SEEMANN, Leipzig, Querstrasse No. 13
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I. Jahrgang

1903/1904

Nr. 25. 25. März

Der Kunstmarkt erscheint am Freitage jeder Woche und kostet 4 M. jährlich. Bei Bezug unter Kreuzband, direkt von der Verlagsbuchhandlung,
beträgt der Jahrespreis 6 M. Abonnenten der Zeitschrift für bildende Kunst erhalten den Kunstmarkt kostenfrei. Anzeigenpreis 30 Pf. für die ein-
spaltige Petitzeile. Redaktionsschluß Montag früh.

BEVORSTEHENDE AUKTIONEN
*29.—30. März. J. M. Heberle, Köln. Neuere Meister.
*7.—20. April. J. M. Heberle, Köln. Bibliothek H.
Lempertz sen.
24. Mai u. ff. M. J. Fievez, Brüssel. Kollektion Leon
de Somzee. Alte Meister, Antiquitäten
und Kunstgegenstände.
*20. April. Brüder Egger, Wien. Münzen und Bücher
(Numismatik).
*25.—28. April. Gilhofer & Ranschburg, Wien. Kupfer-
stiche.

NEUIGKEITEN VOM KUNSTMARKTE
Die Versteigerung der Sammlungen des Marquis
von Townshend in London.
Vom 3. bis 7. März wurde ein Teil der verschiedenen
Kunstsammlungen des Marquis von Townshend bei Christie
versteigert. Da sich unter den bezüglichen Objekten eine
lange Reihe von Ahnenbildern und zum Majorat gehörende
Kunstgegenstände befanden, so hatte das zuständige Ge-
richt zuvor seine Einwilligung zum Verkauf geben müssen.
Der offizielle Grund, an den ich aber nicht recht glaube, um
dessentwillen die Behörden die Veräußerung genehmigten,
war der, daß mit dem zu erwartenden Erlös eingetragene
Beschränkungen auf den Majoratsbesitzungen gelöscht
werden sollten. Die Kollektionen bestanden vornehmlich
aus alten Silbersachen, Porzellan, Möbeln, dekorativen
Gegenständen und Gemälden alter, namentlich aber eng-
lischer Meister. In den beiden ersten Tagen wurden gleich-
zeitig mit den »Townshend-Sammlungen« noch einzelne
gleichartige, nicht aber zu der genannten Kollektion ge-
hörige Stücke meistbietend verkauft. Die betreffenden
Kunstobjekte hatten sich bisher in dem Schloß Raynham
Hall, in Norfolk gelegen, und zwar ein erheblicher Teil
mehrere Jahrhunderte daselbst befunden.
Am ersten Auktionstage kamen 46 Nummern, be-
stehend in alten Silbersachen, zum Angebot, und unter
diesen war demnächst das Hauptstück, der sogenannte
»Bacon-Becher«. Dieser ist ein einfacher silberner Becher
in matter Vergoldung, mit Deckel 11,5 Inches hoch, mit
der Marke der Londoner Silberschmiede von dem Jahre
1574, eine Arbeit Thomas Bamptons. Der Pokal wiegt
ca. 41 Unzen. Das Interessanteste bildet jedenfalls die
eingravierte und also lautende Inschrift: »A thyrde bowle
made of the Greate Seale of Englande and left by Syr

Nycholas Bacon, Knygt, Lorde Keeper, as an Lleyreloom
to his Howse of Stewkey, 1574«. Mr. Crichton erstand
den Pokal für den verhältnismäßig enormen Preis von
50000 Mark, eine zu hohe Schätzung, wenn man erwägt,
daß es sich um keinen eigentlichen Kunstgegenstand,
sondern nur um eine historische Reliquie handelt. Im
Gegensatz zu diesem einfachen Silberbecher wurden die
nachfolgenden, künstlerisch schön dekorativen Pokale ver-
hältnismäßig zu wenig honoriert. Ein zweihändiger Becher
mit Deckel, 1725 von Fleurant David angefertigt, mit ge-
triebenen, reliefartig gehaltenen Verzierungen geschmückt
und durchbrochener Arbeit, Laubwerk darstellend, trägt
die Inschrift: »This cup given by His Majesty King George
the First to his godson George Townshend, born at London,
Februar the 29 th, 1724«. Mr. Tessier, der dies Objekt für
6680 Mark erwarb, gelangte ebenfalls in den Besitz des
bezüglichen Pendants für den Preis von 7680 Mark. Das
letztgenannte Werk war 1725 von Matthew Cooper an-
gefertigt und weist folgende Eingravierung auf: »This cup
given to the Hon. John Townshend, second son to George,
Lord Viscount Townshend«. Die Deckel beider Pokale
sind mit dem Wappen König Georgs I. verziert. Endlich
gehört in dieselbe Kategorie, aber aus späterer Zeit, ein
zweihenkeliger, mit Deckel versehener, silbervergoldeter
Becher. Die künstlerische Ausschmückung desselben be-
steht in klassischen Rankenornamenten, Laubwerk u. s. w.
Der Deckel wird von vier getriebenen Kronen überragt.
Für den Preis von 3000 Mark ging auch dies Stück in den
Besitz von Mr. Tessier über. Der Erlös für die gesamten
46 Nummern betrug 87037 Mark.
Der zweite Tag galt dem Verkauf von dekorativen,
alten englischen und französischen Möbeln, sowie Porzellan-
sammlungen, Miniaturen und Gegenständen der Kleinkunst.
Nur die ersteren stammten aus dem Besitz des Marquis
von Townshend, von denen deshalb hier zunächst die
Rede sein soll. Unter den Möbeln waren die erwähnens-
wertesten und die dafür gezahlten Preise folgende: Ein
Paar eichengeschnitzte Stühle, im Stil Karls I. gehalten,
1260 Mark (Ford). Drei ähnliche, aber etwas kunstvoller
gearbeitete Stühle 1660 Mark (Sutton). In demselben Stil,
jedoch reicher drei dekorierte Stühle, kamen auf 2000 Mark
(Sutton). In Anbetracht, daß die betreffenden Gegenstände,
in ihrer Art als Kunstwerke, keinen zu hohen Wert be-
saßen, waren sie sicherlich sehr gut bezahlt. Dennoch
möchte ich niemand auf dem Kontinent raten, sich durch
derartige Preise dazu verlocken zu lassen, entsprechende
Sammlungen hierher zur Auktion zu senden. Neben dem
künstlerischen Wert spielt Tradition, Stammbaum, Nach-
weis und ob namentlich der Gegenstand aus englischem
Besitz sowie hiesiger Kunstwerkstätte herstammt, eine zu
große Rolle in England. Soweit es mir erinnerlich ist,
 
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