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DER KUNSTMARKT

zu. Den besten Preis erzielte ein Werk Giovanni Bellinis.
Zur Rechten befindet sich St. Johannes, Madonna mit
Kind, adorierendem Stifter und den Heiligen Johannes
dem Täufer, Magdalena, Georg und Petrus. Das Bild ist
bezeichnet »Joannes Bellinus«. Dies auf Holz gemalte
Altarwerk stammt aus dem Besitz der Familie Pesaro
und erzielte bei dem Verkauf der Sammlung von Sir
Charles Eastlake im Jahre 1894 nur 10710 Mark. Dr.
Waagen sagt von dem betreffenden Bilde aus: »Es ge-
hört zu den besten Werken des Meisters«. Mr. Fairfax
Murray, der das Gemälde wahrscheinlich für eine eng-
lische städtische Galerie erstand, zahlte den verhältnismäßig
außerordentlich geringen Preis von nur 23520 Mark. Ein
ebenso interessantes, dem Lionardo zugeschriebenes Ge-
mälde ist die »Madonna mit Kind« aus der Sammlung
Fesch. Die Madonna sitzt vor einem Vorhang, auf ihrem
Schoß der kleine Jesusknabe, der in seiner rechten Hand
Veilchen hält. Im Hintergründe ein See und Bergland-
schaft. Dr. Waagen hat das Werk beschrieben und hält
es für eine frühe Arbeit des Meisters, in Mailand ange-
fertigt. Ist das Werk also wirklich echt, so kann die von
Mr. Lesser für dasselbe gezahlte Summe von 21420 Mark
nur als ein Spottpreis bezeichnet werden. Von anderen
Objekten erwähne ich nachstehende: »Porträt von Mlle.
Guimard«, der berühmten Schauspielerin, von J. B. Greuze
und Madame Le Brun, 17850 Mark (Davis). Ein Stilleben
von De Heern, 13200 Mark (Schaeffer). Der Kopf eines
jungen Mädchens, von Greuze, 10920 Mark (Lesser). Paul
Veroneses »Der Tod von Procris«, für den Kaiser Rudolf
gemalt und von diesem dem König von Spanien geschenkt,
6300 Mark (Lesser). »Eine Bacchantin«, von F. Boucher,
4410 Mark (Hodzkins). Guardis »Santa Maria della Salute«,
3570 Mark (Lane). Unter den angebotenen Aquarellbildern
erzielten die besten Preise: »Ein Dorfwirtshaus«, von Birket
Foster, 7350 Mark (Richardson). Turners »Jerusalem«,
5240 Mark (Permain) und eine »Küstenlandschaft«, von
Fielding, 2415 Mark (Agnew). Für die Gemäldesammlung
wurden im ganzen 209901 Mark bezahlt. Unter den kunst-
gewerblichen Gegenständen wurde der höchste Preis für
eine Louis XV.-Golddose, emailliert und mit Genremalerei
nach Eisen versehen, von Mr. Hodzkins mit 19000 Mark
bezahlt. Eine oblonge Sevres-Jardiniere mit Malerei kam
auf 12600 Mark. Eine italienische Rüstung, schön graviert,
aus dem 16. (?) Jahrhundert, 4410 Mark (Wright). Der
Erlös betrug 97160 Mark, so daß in Summa für die Kol-
lektion 307061 Mark gezahlt wurden.
Hohe Bilderpreise. Kürzlich wurden in Christies
Auktionsräumen für eine Reihe Werke der klassischen eng-
lischen Schule — alle bisher im Besitze des verstorbenen
Herrn C. F. Huth — folgende hohe Preise gezahlt: Rey-
nolds, Porträt einer Dame in grünem Kleid mit weißem
Überwurf, früher im Besitz des Earl of Ducie (66650 Mark);
Gainsborough, idyllische Landschaft (62350 Mark); derselbe,
»Frederick, Duke ofYork« (53750 Mark, 1863 in derBirknell-
auktion 1370 Mark); derselbe, »Win-Pitt« (49450 Mark). Für
diese drei Bilder, die nun über 165000 Mark realisieren,
hat der Künstler selbst kaum 3000 Mark erhalten! Wir ver-
zeichnen noch: Gainsborough, eine Kreideskizze seines be-
rühmten Porträts der Herzogin von Devonshire (10 950 Mark);
zwei Landschaften von Crome, »Am Yare, Norwich« und
»Am Yare, Mondlicht« (40050 und 24725 Mark), und aus
anderen Sammlungen: Gainsborough, »Mrs. Richards«
(25800 Mark); A. Ostade, »Der wandernde Musikant«
(15480 Mark). Für ein Damenporträt von Henry Raeburn
wurden in einer Auktion in Edinburgh 59125 Mark gegeben.
Bei der Versteigerung der Hawkins-Sammlung
bei Christie Ende März erzielte ein kleines kostbares Bild
Watteaus »La Jouesse de Guitare« den höchsten Preis von

51600 M. Mr. Hawkins hatte es seinerzeit aus der Samm-
lung des Marquis of Lansdowne für 10000 M. gekauft und
nun erstand es die Kunsthändlerfirma Lawrie in London
um das mehr als Fünffache nach einem harten Kampf
mit Agnew. 34 Zeichnungen von Birket Foster brachten
es auf 36700 M.
Zu der Notiz über die Townshend-Versteigerung,
Nr. 25 des »Kunstmarktes«, tragen wir noch nach, daß bei
der Katalogisierung der Sammlung das kostbarste Stück,
das Porträt von Anne Montgomery, Marquise von Towns-
hend, von Joshua Reynolds 1779 gemalt und auf 400000 Mark
geschätzt, fehlte und daß eine Belohnung von 2000 Mark
für den Nachweis des jetzigen Bewahrungsortes des Ge-
mäldes ausgesetzt ist. o. v. s.
Der große Pan ist tot. In den Schaufenstern der
Antiquare und Leihbibliotheken sieht man jetzt die Hefte
des Pan und die Kunstblätter daraus zum billigen Einzel-
verkauf feilgeboten. Die Restbestände der Auflage werden
offenbar nach dem Prinzip »Fort mit Schaden« mit Hoch-
druck verschleist. Das volle Exemplar kostet jetzt- nur
wenig mehr als ein Drittel des ursprünglichen Preises,
ein einzelnes Heft 10 bis 12 Mark, eine Kunstbeilage 1 bis
2 Mark, etwa anhängender Text wird gratis mitgegeben!
Junge Künstler, Studenten, Konservatoristen und modern
gesinnte Leutchen aller Art mit kleiner Börse kommen so
zu den aparten Blättern und freuen sich leuchtenden Auges
der billig erstandenen vornehmen Kunstwerke. Das ist ja
gewiß auch ein Erfolg, wenn auch nicht der beabsichtigte,
und wer möchte sagen, welch fruchtbare Anregungen
diese erlesenen modernen Kunstprodukte jungen, bildungs-
durstigen Menschenkindern vermitteln können. Indes es
tut doch weh zu sehen, wie ein großes, ideal angelegtes
und von einer Reihe der hervorragendsten und ge-
schmackvollsten Künstler, Kunstkenner und Schriftsteller
splendid und mustergültig ausgestattete Kunstpublikation,
die ihresgleichen noch nicht hatte, so wenig rühmlich
endet. Es scheint mir auch ganz unzweifelhaft eine nur
vorübergehende Geringschätzung dieses kostbaren Werkes
zu sein. Denn was in einer künstlerisch so hochstehenden
Zeit wie der unserigen von einer Vereinigung der ge-
schmackvollsten Geister mit Aufgebot ungewöhnlicher
Mittel glücklich geschaffen ist, kann als wichtiges Doku-
ment der Zeit nimmermehr dauernd entwertet bleiben.
Wir werden es gar bald erleben, daß man den Pan, trotz
manchen Ballastes, den er sicher enthält, um seiner vielen
echten Perlen wegen wieder schätzt und zwar sehr hoch!
In einer Besprechung der Frühjahrsausstellung der
Sezession in München in den »Münchener Neuesten
Nachrichten« macht Georg Fuchs folgende ernste und den
gegenwärtigen modernen Kunsthandel kennzeichnende Be-
merkungen: »Auf dieser Ausstellung, die von Talenten
geradezu strotzt, ist bisher sozusagen nichts verkauft wor-
den. Setzen wir auch in Rechnung, daß viele Talente
noch lange nicht reif sind, daß andere auffällig »in verba
magistri« schwören, daß die meisten noch da aufhören,
wo die Kunst eigentlich erst anfängt, nämlich mit der
Technik, so muß dieses jammervolle geschäftliche Resultat
doch zum Nachdenken veranlassen. Wenn irgendwo, so
kann man doch auf Ausstellungen wie dieser direkt »auf
Spekulation« kaufen; der Kenner sieht hier mehr als einen
jungen Künstler, den der Handel in absehbarer Zeit ein-
mal als einen »Namen« hoch bewerten wird. Wenn trotz-
dem nicht gekauft wird, so ist das abermals ein untrüg-
liches Zeichen dafür, daß München, so sehr es als Pro-
duktionsstätte fortgesetzt aufblüht, als Markt und Aus-
stellungsort immer ernster gefährdet ist.«
Ein neues Niederländisches Künstler-Lexikon, be-
arbeitet von Alfred v. Wurzbach, wird soeben durch einen
 
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