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Kunstwart und Kulturwart — 33,2.1920

DOI Heft:
Heft 8 (2. Januarheft 1920)
DOI Artikel:
Thieme, Friedrich: Der Monolog
DOI Artikel:
Clemen, Paul: Die Gefährdung des deutschen Kunstbesitzes, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14431#0070

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lichere Form der Gedankenenthüllung als dieser selbst. Kein Mensch spricht
seine tiefsten und heiligsten Gedanken gegen andere aus, etwas bewahrt
er immer für sich allein, jedes tzerz, auch das des schlichtesten Menschen,
birgt seine Geheimnisse. Unsere äußere, für die Menschen bestimmte Per-
sönlichkeit ist im Grunde eine Maske. Der Mensch ist das Produkt nicht
nur seiner inneren Natur, sondern auch der Wirkungen seiner Umgebung,
er nimmt gegen diese eine von äußeren mehr als inneren Bedingungen
gebildete Form an, aus der herauszutreten er sich scheut. „Wenn du
betest, geh in dein Kämmerlein", sagt schon Iesus Christus. tzamlet hätte
gewiß die in seinen Monologen niedergelegten Gedanken und Absichten
auch seinem Freunde tzoratio oder einem anderen Vertrauten mitteilen
können, aber der große Seelenkenner William wußte genau, warum er
sie seinen Hamlet nur gegen sich selber aussprechen ließ. Das Gegenteil
wäre eine Sünde gegen den Charakter Hamlets und ein ärgerer Verstoß
gegen die Gesetze der natürlichen Wahrheit gewesen, als wenn er sich der
Ausdrucksform des Monologs bediente. Das Gefühl des Dichters ist
hier, wie bereits ausgesprochen, der allein maßgebende Richter. Betrügt
ihn sein Gefühl, so wird ihn die verfehlte Wirkung gebührend strafen. Die
Monologe eines Franz Moor sind sicherlich vom rein realen Standpunkt
aus unwahrscheinlich, aber für die Räuber und ihren Dichter bilden fie
eine künstlerische Notwendigkeit. Sie eröffnen uns wie auch diejenigen
Hamlets einen Blick in das innerste Getriebe der menschlichen Seele. Der
Dichter wird hier zum kühnen, unerbittlichen Forscher, der mit dem Sezier-
messer seiner Allsicht und Allgegenwart das uns rätselhafteste und ge-
heimnisvollste Menschenorgan zergliedert, und er steht weit höher noch
als der empirische Forscher, denn dieser enthüllt uns nur den wundersamen
Mechanismus, in welchem die wunderbare Verwandlung des Stofflichen
in Las Geistige und Ewige stattfindet, aber der Dichter führt uns mit der
Allmacht des schöpserischen Geistes in die geheimen Kammern der un-
erfaßlichen Seelel Friedrich Thieme

Die Gefährdung des deutschen Kunstbesitzes*

>^»<eit ein paar Monaten hat der Kunsthandel, der als unmittelbare Folge
i^^unseres Niederbruchs zwischen den Ländern deutscher Zunge und dem
^^Ausland emporgeblüht ist, eine ganz unerhörte Ausdehnung und
völlig phantastische Formen angenommen. Nicht nur der alte, solide und
ehrenhafte wohlorganisierte Großhandel benutzt die günstige Konstellation,
sondern Hunderte von kleinen Geschästen sind emporgewachsen, und im
geheimen arbeiten vortrefflich orientierte Agenten, durch gut ausgebildete
Helfer aus allen — aber auch aus allen — Klassen unterstützt, zusammen
mit der fchon vor dem Kriege bekannten Gattung der marchands amateurs,
zu denen jetzt die unerfreuliche Spezies der Gentlemanfchieber ge-

* Die Leser wissen: es ist ganz ungewöhnlich, daß unser Blatt einen langen
Aufsah aus einer Tageszeitung „überuimmt", und nun tun wir das nach kurzer
Pause sogar zum zweiten Male mit einem Beitrage desselben Verfassers, des
Geheimrats Clemen in Bonn. Es weiß aber mit diesen Dingen kein anderer
besser, vielleicht kein anderer ebensogut Bescheid, wie er, und die schnelle Ver-
öffeutlichung iu einer Lageszeitung,' diesmal der „Tägl. Runüschau", war dcr
drängenden Eile wegen geboten. Auch uns ist es ums Winken zu tun, das
wissen unsre Leser, und deshalb werdeu sie diese beiden Abdrucke entschuldigen.

Kw.-L.

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