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Kunstwart und Kulturwart — 33,2.1920

DOI Heft:
Heft 12 (2. Märzheft 1920)
DOI Artikel:
Stumpf, Felix: Zur Belebung der Bildnisphotographie
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https://doi.org/10.11588/diglit.14431#0276

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Zur Belebung der Bildnisphotographie

/^-^.iele Bemühungen der neueren Zeit, die Photographie von Menschen
(auf eine künstlerische tzöhe zu sühren, haben namentlich in technischer
^»^Beziehung Erfolg gehabt, so daß oft Bildnisse von hohem Reiz er--
zielt werden, namentlich von charaktervollen Köpfen geistig hochstehender
Männer oder von Menschen mit besonderem Profil. Iedoch wie oft ist
der Photograph enttäuscht, daß anmutige Gesichter im Augenblick der Aus--
nahme den Ausdruck annehmen, der sicherlich der langweiligste oder häß--
lichste ist, dessen sie fähig sind! Dieser Kampf mit dem Photographiergesicht
bleibt dem Porträtmaler erspart. Sein Werk gibt nicht nur den Dargestellten,
sondern darüber Hinaus Empfindung und Persönlichkeit des Künstlers,
dessen Ausfassung das Werk erst wertvoll macht. Es ist die dichterische Syn-
these, die aus dem Konterfei ein Bild macht, deshalb führt zur Kunst kein
Weg für den Techniker. Das Beste, was der künstlerisch veranlagte Photograph
erreichen kann, ist das Festhalten eines ausdrucksvollen Augenblicks. Male-
rischen Impressionismus im Sinne der Momentphotographie gibt es dagegen
nicht, das wäre ein theoretisches Mißverständnis. Denn auch der impressio-
nistische Maler wird, wenn er eine charakteristische Geste entdeckt hat, diese mit
den Möglichkeiten anderer Ausdrücke verbinden müssen — er kann glücklicher-
weise nicht schnell genug malen, sonst würde auch sein Bild die Starrheit der
Momentphotographien zeigen. Die gemalte Bewegung einer Tänzerin etwa
von Degas wird dadurch lebensvoll, daß außer dem momentanen Zustand
etwas vom vorhergehenden und nachsolgenden dem Empfinden suggeriert
wird. Ebenso liegt Mona Lisas Bildnis nicht allein ein charakteristischer
Augenblick zugrunde, daraus folgt: gerade das Andeuten vieler Ausdrucks-
möglichkeiten gibt dem Bildnis das Leben.

Ein wenig davon kann aber der Photograph auch. Er kann sein Werk
dem des Künstlers noch näher bringen, als er vorläufig tut. Das Ver-
fahren ist einfach. Wir wollen einige Proben zeigen, wie es sich schon
mit den geringen Mitteln des Nicht-Fachmanns erreichen läßt.

Man macht einige Aufnahmen eines Kopfes aus möglichst gleicher
Stellung und bewirkt, daß das Gesicht jedesmal einen anderen Ausdruck
annimmt. Die einzelnen Bilder werden dabei nicht immer gut ausfallen,
aber darauf kommt es nicht so sehr an. Diese Einzelbilder verbindet man
dann zu einer „Durchschnittsphotographie". Dies geschieht am einfachsten,
wenn man auf ein und dasselbe photographische Papier jede der einzelnen
Platten ein wenig kopiert. Dabei muß sich die nachfolgende Platte mit
der Kopie der vorangegangenen gut überdecken. Man kann auch auf eine
Platte nacheinander mehrere Aufnahmen mit verkürzter
Expositionszeit machen oder während einer Exposition den Gesichtsausdruck
sich verändern lassen. Doch ist das zuerst geschilderte Verfahren das leichteste.

Unsere Beispiele zeigen uns je fünf Einzelbilöer und links, durch einen
Strich von ihnen getrennt, die Durchschnittsphotographie. Für die Bilder
der ersten Reihe hatte eine ausgezeichnete Künstlerin bei den Aufnahmen
die Freundlichkeit, einige verschiedene Stimmungen anzudeuten. Iedes
dieser Bilder ist leider recht schlecht zu nennen, keines ist eine würdige
Wiedergabe der Persönlichkeit. Die Vereinigung aller jedoch zeigt ein
reiches Leben, dieses Bild deutet die Lebhaftigkeit der Augen und den
ausdrucksvollen Mund an. Die Einzelbilder einer andern Reihe sind mit
Ausnahme des ersten sogar gänzlich unähnlich. Die Dame empfand das

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