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Kunstwart und Kulturwart — 33,2.1920

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Heft 10 (2. Februarheft 1920)
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Bonus, Arthur: Alters- und Jugendurteil
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https://doi.org/10.11588/diglit.14431#0159

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Alters- und Jugendurteil*

>^^penglers „Untergang des Abendlandes'' ist schon viel besprochen wor--
l^^den (im Kunstwart von Spectator). Es wird noch viel besprochen
^«^werden. Und das nicht mit Unrecht, denn es ist ein in seiner Art
gewaltiges Buch. Recht plastisch ist mir seine Bedeutung geworden, als
ich einen so zukunftfreudigen und kampffrohen Mann wie Paul Lensch
vor dem Buch umknicken sah, wie einen Halm im Winde.

Wie immer bei so starker Wirkung ist es auch hier. Das Buch spricht
eine weitverbreitete Stimmung an und aus. Diese Stimmung ist ja nicht
von gestern, nicht etwa durch den Weltkrieg hervorgerufen. Wir Alteren
sind in dieser Stimmung grotz geworden, teils unter ihrem beklemmenden
Anhauch, teils im Kampf gegen sie. Dazu kam ein sonderbarer Zufall:
Das Buch, im Krieg erschienen, setzt eigentlich den Sieg des preußischen
Militarismus voraus und wurde bekannt beim Zusammenbruch eben dieses
Militarismus. Sachlich macht das nicht viel aus; denn wenn nicht eben
der preußische, so hat der Ententemilitarismus gesiegt und, könnte man
sagen, eben darin der preußische erst recht; falls es nämlich wahr ist, daß
es vorher keinen vergleichbaren Militarismus in den Ententestaaten gab.
Welcher größere Sieg kann einer Weltanschauung zuteil werden, als daß
sie sich ihre Feinde unterwirft! Aber dem Buch war diese Wendung günstig.
Denn die Weltimtergangsstimmung, die dies immerhin schwere Buch fast
zum Marktschlager machte, ergriff die Massen erst seit der Niederlage.
Mit dem Sieg, den das Buch voraussetzt, hätte es diesen Anklang nicht
gefunden, obwohl es in diesem Fall mehr am Platze gewesen wäre.

Das Buch ist tief pessimistisch. Aber es gibt zweierlei Pessimismus. Den
Pessimismus der Iugend, den ich einen geistvollen jungen Mann dahin
ausdrücken hörte: „Glauben Sie, daß, wenn wir so schwarz sehen, wir das
nur können, weil wir einen sehr starken Glauben an dis Zukunft haben",
und den Pessimismus des Alters, der umgekehrt ganz heiter aussieht, —
und aussehen kann, weil er in tiefem Unglauben resigniert hat und von der
Zukunft durchaus nichts mehr erwartet, als Weiteraltern und Tod. Der
Spenglersche Pessimismus ist dieser Art.

Die Kulturen sind Ausgestaltungen einer jeweils neu aufbrechenden An--
sicht von der Welt. Als solche erleben sie sich nach Spenglers Buch wie
irgend welche natürliche Organismen in Iugend, Erwachsenheit und Alter.

* Nach einem vor der „Freideutschen Ingend" gehaltenen Vortrag.

2. Februarheft 1920 (XXXIII, ;o)
 
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