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Kunstwart und Kulturwart — 33,2.1920

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Heft 9 (1. Februarheft 1920)
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Vom Heute fürs Morgen
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Unsre Bilder
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https://doi.org/10.11588/diglit.14431#0154

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Wir als unsre eigenen Sklaven

eht seufzen Willionen von Wenschen
beider Geschlechter und aller Stände
unter dem Drucke mechanischer und un-
würdiger 'Arbeiten. Die ältere Genera-
tion erliegt unmutig und überläßt mit
verzeihlicher Trägheit die jüngere in
allen Dingen fast dem Zufall, nur darin
nicht, daß sie gleich nachahmen und
lernen muß dieselbc Erniedrigung. Das

ist die Ilrsache, warum sie den freien
und offenen Blick nicht gewinnen, mit
dem man allein das Universunr fin-
det. Es gibt kein größeres Hiudernis
der Religion als dieses, daß wir un-
sere eigenen Sklaven sein müssen, denn
ein Sklave ist jeder, der etwas ver-
richten muß, was durch tote Kräfte
sollte bewirkt werden können.

Friedrich Schleiermacher

Unsre Bilder

'enn nnsere Kunstschreiber ü la mode von ihren zwei Augen nicht eines
HZndrückten und das andere einkniffen, so wäre kaum zu erklären, daß sie
einen wie Ernst Kreidolf im Grunde wie einen gleichgültigen
Kinderbuch-Waler behandelten. Was er auch unserer Meinung nach ist, davon
spricht Leopold Weber in diesem Heft, und davon soll die „Kreidolf-Mappe"
zeugen, die als erste unserer Bilderveröffentlichnngen nach dem Kriege jetzt
eben vom Kunstwart herausgegebcn ist. Dort heißt unser Blatt „Der stachlige
Gast". Man braucht sich die Stiefmütterchen- und Stiefmutter-Gesichter nur
näher anzusehen, um sofort zu erkennen, daß hier kein Kinderbild gegeben
ist nnd cbensowenig eines von ausschließlich heiterm Inhalt. Nicht nur von
Kreidolf dem scherzenden Phantasiekünstler für die Kleinen spricht ja auch
Weber, sondern auch, und vor allem von Kreidolf dem manchmal fast mhstisch
tiefen Maler-Phantasten und Maler-Poeten für die Großen.

Dann geben wir noch einen schönen Drnckschnitt von Panl Leschhorn
wieder, „Hochwald". Er mußte freilich verkleinert werden, so daß die Wirkung
des großen Originals nicht annähernd erreicht wird. Doch blieb der Charakter
des echten Schnittdruckes mit seincm Herausheben der Lichtcr aus dem Dunkel
zur Genüge gewahrt.

Äber die erste Seite gehört eigentlich Schwinds Februar-Kopfleiste. Die zeigt
einen fetten Narren, der, ans Faß gelehnt, selbstzufrieden zum Karneval dudelt.
Schwind wird uns im Elhsinm verzeihen, daß wir das gerade heute nicht
bringen. Wir können's nicht. Und so finden die Leser über dem Heft
dieselbe Leiste, die wir im Kw. XXVIII, 20 über jenen Offenen Brief von
Avcnarius an Romain Rolland setzten, der um Anssprache zwischen den geistig
Führenden der Völker anch während des Krieges, um „Parlamentäre der Nicht-
kämpfer" warb. Die Erlaubnis, solche Aussprache fortzuführen, war damals
vom Kunstwart von der Zensurbehörde erlangt worden, aber Rolland, der mit
einem ergreifenden Briefe,an Avenarius antwortete, bat doch zugleich, diesen
Brief nicht abzudrucken. Nun haben wir einen „Fricden", welcher der Vater
unseligster Zukunft bleiben würde, wenn er selbst bliebe, wir haben ihn statt
eines Friedens, wie ihn nicht nur Männer wie Rolland, sondern die besten
Köpfe aller Völker an seiner Stelle ersehnen. Und mit ebenso viel oder
cbenso wenig Gewißheit auch erreichen werden, ,wic mit der: daß schließlich das
Vernünftige siegt.

herausgeber: Or. K. o. Ferdinand Avenarius in Dresden-Blasewitz; verantwortlich: der
herausgeber. Mitleitende:Artur Bonus, l)r. E. Kurt Fischer und Wolfgang Schumann — In
österreich°'Ungarn fürHerausgabeu.Schriftleitrnrg verantwortlich:vr.RichardBatka inWien II,Taborstr.20.
Sendungen für den Text ohneAngabeeinesPersonennamensan die„Kunstwart°Leitung- in
Dresden--Vlasewitz — Manuskripte nur nach vorheriger Ve reinbarung, widrigenfalls
keine Verantwortung übernommen werden kann — Verlag von Georg D. W. Eallwey, Druck von
Kastner L Eallwey, Buchdruckerei in München — Geschäftsstelle für Berlin: Georg Siemens, 57,
Kurfürstenstr. 8 — Geschäftsstelle für österreich-Ungarn: Vuchhandlung Moritz Perles, Wien l. Seilergasse 4
 
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