Sozialismus
^^ie heutigen Verfassungen und Ordnungen mögen vorläufig sein, die
Ideutsche Demokratie selbst ist unwiderruflich. Eine Umwandlung, die
schon mit den Befreiungskriegen einsetzte, im Iahre ^8 wenigstens im
Bürgertum durchbrach und dann durch die Bismarcksche Reichsgründung
unter schwachen Zugeständnissen aufgehalten wurde, ist heute durchgesetzt
und so die grundsätzliche Gleichartigkeit mit der politischen und rechtlichen
Entwicklung der übrigen Kulturwelt hergestellt. Die historische Auf-
fassung von der deutschen und europäischen Entwicklung, die bei uns unter
dem Einflujz der Bismarckschen Epoche eine sehr bestimmte Färbung an-
genommen hatte, muß heute berichtigt werden. Die Gedanken der Achtund-
vierziger erleben eine Rechtfertigung uud die tzistorie muß sich dem Gerichte
des Erfolges fügen, die Unwiderstehlichkeit und logische Folgerichtigkeit
der Entwicklung der Demokratie in der modernen Kultur anerkennen,
wobei es dann immer noch ofsen bleibt, ob man darin die Grundlage
großer Weiterentwicklungen oder die Auflösung der staats- irnd kultur-
bildeuden Krmft des modernen Europa sehsn will. Darüber werden erst
weitere Tatsachen einer sernen Zukunft entscheiden können, genau so wie auch
jetzt über die Berechtigung der aus Bismarcks Werk geschöpften Entwick-
lungsanschauung nur die Tatsachen entschieden haben. Vor dem Welt-
kriege gab es hier in der Tat noch verschiedene Möglichkeiten, wenn auch
die Aussichten des deutschen politischen Stiles von vorneherein die schwäche-
reu waren.
Aber ebenso sicher ist, daß die endgültige Demokratisierung der Kulturwelt
durch den Weltkrieg zugleich in der Geschichte der Demokratie einen Wende-
punkt bildet. Was in Deutschland und den östlichen Nachbarländern ge-
siegt hat, ist nicht die reine Demokratie westlichen Stiles, sondern eine
stark mit Sozialismus durchsetzte Demokratie. Darin behauptet sich nicht
nur auf neue Weise ein Grundzug deutscher sozialer Geschichte, der in
monarchistischer und demokratischer Form immerdar wirksam gewesen ist,
ein mit schroffstem Individualismus verbundener Zug zu überindividueller
Staats- und Gesellschaftseinheit, die Mystik des germanischen Genossen-
schaftsgedankens, sondern setzt sich zugleich und vor allem die von der
modernen Technik und den modernen Bevölkerungsverhältnissen geforderte
Bindung und Zähmung der freieu Konkurrenzwirtschaft durch, die mit der Dej-
ü Februarheft zyeo (XXX III, 9)
9?
^^ie heutigen Verfassungen und Ordnungen mögen vorläufig sein, die
Ideutsche Demokratie selbst ist unwiderruflich. Eine Umwandlung, die
schon mit den Befreiungskriegen einsetzte, im Iahre ^8 wenigstens im
Bürgertum durchbrach und dann durch die Bismarcksche Reichsgründung
unter schwachen Zugeständnissen aufgehalten wurde, ist heute durchgesetzt
und so die grundsätzliche Gleichartigkeit mit der politischen und rechtlichen
Entwicklung der übrigen Kulturwelt hergestellt. Die historische Auf-
fassung von der deutschen und europäischen Entwicklung, die bei uns unter
dem Einflujz der Bismarckschen Epoche eine sehr bestimmte Färbung an-
genommen hatte, muß heute berichtigt werden. Die Gedanken der Achtund-
vierziger erleben eine Rechtfertigung uud die tzistorie muß sich dem Gerichte
des Erfolges fügen, die Unwiderstehlichkeit und logische Folgerichtigkeit
der Entwicklung der Demokratie in der modernen Kultur anerkennen,
wobei es dann immer noch ofsen bleibt, ob man darin die Grundlage
großer Weiterentwicklungen oder die Auflösung der staats- irnd kultur-
bildeuden Krmft des modernen Europa sehsn will. Darüber werden erst
weitere Tatsachen einer sernen Zukunft entscheiden können, genau so wie auch
jetzt über die Berechtigung der aus Bismarcks Werk geschöpften Entwick-
lungsanschauung nur die Tatsachen entschieden haben. Vor dem Welt-
kriege gab es hier in der Tat noch verschiedene Möglichkeiten, wenn auch
die Aussichten des deutschen politischen Stiles von vorneherein die schwäche-
reu waren.
Aber ebenso sicher ist, daß die endgültige Demokratisierung der Kulturwelt
durch den Weltkrieg zugleich in der Geschichte der Demokratie einen Wende-
punkt bildet. Was in Deutschland und den östlichen Nachbarländern ge-
siegt hat, ist nicht die reine Demokratie westlichen Stiles, sondern eine
stark mit Sozialismus durchsetzte Demokratie. Darin behauptet sich nicht
nur auf neue Weise ein Grundzug deutscher sozialer Geschichte, der in
monarchistischer und demokratischer Form immerdar wirksam gewesen ist,
ein mit schroffstem Individualismus verbundener Zug zu überindividueller
Staats- und Gesellschaftseinheit, die Mystik des germanischen Genossen-
schaftsgedankens, sondern setzt sich zugleich und vor allem die von der
modernen Technik und den modernen Bevölkerungsverhältnissen geforderte
Bindung und Zähmung der freieu Konkurrenzwirtschaft durch, die mit der Dej-
ü Februarheft zyeo (XXX III, 9)
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