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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Sommer, Lina: Speyerer Jugenderinnerungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0106

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Lperjerer Zugenderinnerungen

Von Lina Lommer-Karlsruhe

So lebhaft wie ein Kind in all seiner Begeisterungsfähigksit erlebt
kaum ein Erwachsener ein Stück Weltgeschichte; denn ein Kind — am
Lreiben der Nm- und Mitwelt noch nicht so beteiligt — kann sein ganzes
Interesse auf Eines konzentrieren.

So steht mir die -Zeit des Krieges von 1870/71 noch so lebhaft in
Erinnerung, als ob es gestern gewes-en wäve. Ich sehe noch den d-amaligen
Kronprinzen hoch zu Roß vor mir, als er — Befehlshaber der III. Armee
— in d-er Herdgasse in Speyer, meinem Elternhaus gegenüber, die Parade
über seine südd-eutschen Truppen abnahm, und seh-e noch die Gesichter der
einzelneü Offiziere und Sold-aten. — Nnd lange Jahre verfolgte mich die
abscheuliche Fratze eines Turkos, der nach d-er Schlacht von Weihenburg,
offenbar nur leicht verwundet, mit Anderen in das Lazarett in Speyer
eingeliefert worden war und öfters im Domgarten spazieren ging. Wir
streckten ihm in übermütiger Kinder-Sieger-Art od-er Sieger-Kinder-Art
die Zungen heraus, und dann hatten wir — weih Gott wohsr — ein paar
Ausdrücke aufgegabelt, d-ie wir zwar nicht verstanden, die aber sehr schön
klangen und ihn ärgern sollten: „Ivlusjeb k^illabaclri", „kvlusjeb Xeller-
elibh „lvlusjeb ^.luboriör", riefen wir ihm nach. Erst später als ich in
die Geheimnisse der französischen Sprache eingeweiht war, ging mir der
Sinn für diesen äünsinn auf. Es sollte wohl heißen: „Vive la patrie",
„L)uelle beure est-il?" la bonnebeure" ufw.

Das spätere Erlernen der fremden Sprache wurde uns durch unser
Grohmütterle leicht gemacht. Sie sagte uns — wie es ihr in ihrer Iugend-
zeit beigebracht worden war — verschiedene Derslein, die wir dann nach-
plappern muhten, z. B.:

„I^e boeuk — der Ochs,

1>u vacbe — die Kuh,

I^erme^ la porte — mach's Türle zu."

oder

„2n mein Haus — maison

Kam ein Dieb — laron

Stahl mir den Schinken — jambon

Aus meinem Kessel — obunclron

Da nahm ich den Stock --' bäron

And schlug ben Dieb — laron

Aus meinem Hause — maison."

Das Köstlichste. was ich aus jener Zeit noch weiß, hat unser Kinder-
mädchen „'s Malche" geliefert. Sie sollte einen Korb mit allerlei Liebes-
gaben in das Lazarett tragen. Vnterwegs — in der Hauptstrahe — be-
gegnete ihr, an einer Krücke humpelnd, ein junger hübscher Franzose.
Impulsiv und gutherzig wie unsere Pfälzer Mädchen nun mal sind, langte

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