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Kurpfälzer Jahrbuch: ein Volksbuch über heimatliche Geschichtsforschung, das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben des Gebietes der einstigen Kurpfalz — 4.1928

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Westecker, Wilhelm: Moderne Architektur in der Pfalz
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https://doi.org/10.11588/diglit.29785#0184

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Moderne Architektur in der Pfah

Von Dr. Wilhelm Westecker-Neustadt a. d. tz.

Die Architektur steht wieder im Mittelpunkt dss künstlerischen Schaf-
fens der Gegenwart. Auch in der Pfalz sind in den letzten Jahren Vauten
entstanden, die nicht nur durch ihre Ausmaße, sondern voc allem durch
ihre Ausdruckskraft bemerkenswert sind. Architektur ist ja erst dann eine
künstlerische Angelegenheit und keine nur bautechnische mehr, wenn die
Gliederung der Dauteile oder die Rhhthmik der Fassade oder die Schich-
tung der Konturen eine bestimmte eigene und starke Melodie hat, die sich
dem Deschauer rein gefühlsmäßig mitteilt.

Vorausseßung aller guten Architektur ist nicht nur, daß sie markant
im Raum steht, in allen wesentlichen Leilen in großen durchgehenden
Linien verläuft, sondern daß sie vor allem auch der lebendige Wesens-
ausdruck des Architekten ist. Sie muß irgendwie charakteristisch im Raum
bewegt sein, sei es nun, daß sie sich stark und fest in den Boden stemmt
wie die des Architekten Müller in Neustadt an der Haardt oder weit in
den Raum hinausflieht wie die Oberbaurats Hussong in Kaiserslautern.
Jrgendeine Dewegungsrichtung muß schon da sein. Diese Mchtung> be-
stimmt dann die Gewichtsverteilung der einzelnen Glieder des Daues,
die Mhythmik der Fassaden. Das wird einem llberraschend klar an den
Wohnbauten, die Oberbaurat Hussong in der Fischerstrahe zu Kaisers-
lautern gebaut hat. Sie haben ja nicht die elegante Leichtigkeit, die seins
Ausstellungsbauten aus dem Jahre 1925 auszeichnet, nicht die schwe-
bende Zartheit der Konturen wie jene, sie sind etwas schwerer und kom-
pakter und doch ist auch hier alles in der Horizontalen verankert. Selbst
der Turm, dessen eigenartige Schönheit sich über einem stark betonten
Mittelrisalit erhebt, hat sich in diese Horizontale sügen müssen. Iede
Vertikale wirb von der Horizontalen abgebogen. Man hat den Eindruck,
als ob das, was in ihr in die Höhe strebte, allmählich von der horizon-
talen Grundtendenz wieder eingefangen und in die Horizontale abgeleitet
würde. 2m Kleinen wiederholt sich das auch an öen Pseilern und ihren
Dekrönungen. Die Horizontale tritt in den Dauten Hussongs mit der-
selben Kraft auf wie in den großen Bauten des Barock. Zu ihr tritt —
nicht in Len Ausstellungshallen (die sind klar und schlicht) — wohl aber in
den Wohnbauten eine barocke Fabulieclust, die sich im Dekorativen ent-
saltet. die sich im Turm ausspricht, die sich aber auch in den Fenster-
bekrönungen, den Dalkonstützen äuhert. Aber disse Formen sind ebenso
wie die Konturen des Gesamtbaues aus dem Lebensgefühl von heute
heraus gestaltet worden. Sie haben bei all ihrer weitschwingenden Elasti-
zität und schweifenden Hemmungslosigkeit doch eine Schärfe und Klar-
heit, die aus der Sachlichkeit der Gegenwart kommt. Sie lösen sich
durchaus nicht so ganz im Raum auf wie die großen Anlagen des Darock,
die auseinandersliehen, als hätten sie gar kein inneres Gerüst. Hussong

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