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Die Eigenschaften der Stoffe

Die Eigenschaften der Stoffe
Gold ist zu allen Zeiten und von allen Völkern als das
begehrenswerteste Material und als Mafsstab für alle übrigen
Werte angesehen worden. Es gibt uns daher in den erhal-
tenen Stücken Zeugnis von allen, selbst den entlegensten
Kulturperioden, ist aber auch andererseits der Habgier in hohem
Mafse ausgesetzt; lediglich des Materialwertes halber sind die
älteren Kunstwerke zu allen Zeiten eingeschmolzen, und fast
nur die Gräber haben Arbeiten von reinem Golde bewahrt.
Gröfsere Geräte von Gold, wie sie das Altertum und auch
das Mittelalter in Fülle bildeten, gehören zu den besonderen
Seltenheiten.
Die allgemeine Verbreitung des Goldes auch bei wenig
kultivierten Völkern erklärt sich aus der Art seines Vor-
kommens und seiner Bearbeitung. Das Gold ist eines der
wenigen Metalle, welche ganz rein und noch dazu auf der
Oberfläche der Erde zu finden sind. Viele Flüsse führen kleine
Körner reinen Goldes mit sich, aus dem Sande wurden diese
Körner ausgewaschen, ohne einer weiteren Klärung zu be-
dürfen. An dieses Gold der Flüsse, das Gold des Pactolus,
das Rheingold, heften sich die ältesten Sagen von künst-
lerischer Arbeit.
Das so gefundene ganz reine Gold ist so weich und
dehnbar, dafs es sich mit den einfachsten Steinwerkzeugen
hämmern und zu Platten ausdehnen läfst. Auch in ganz
dünnem Zustande behält es die Eigentümlichkeit, den Ein-
flüssen der Witterung und selbst des feuchten Bodens zu wider-
stehen, und diese Eigenschaften neben seinem Glanze machten
das Gold allen Völkern so überaus wertvoll, dafs man es
in ganz dünne Platten verarbeitete, um möglichst viel Gerät
mit dem kostbaren Material überziehen zu können. Dieser
»Goldblechstil« [nach Gottfried Semper’s Bezeichnung] ist
herrschend zunächst in der prähistorischen, der ältesten orien-
talischen und griechischen Periode — auch in Mexiko und
Peru dasselbe Verfahren —- man überzog nicht nur hölzerne
Schilde und Geräte, sondern selbst ganze Wände und be-
nähte die Kleidung mit ausgeschnittenem Goldblech.
Diese Verwendung des Goldes als Ueberzug bedingt auch
den Charakter vieler mittelalterlicher Arbeiten. Ohne Einflufs
auf die Formen ist dagegen die Vergoldung [vgl. S. 13].
Massives Gold wird für Geräte fast niemals in künstlerischer
Absicht angewendet, sondern in dem Bestreben, den Material-
wert des Stückes zu erhöhen, als Weihgeschenk, um mit dem-
selben ein Gelübde zu erfüllen, oder eine Bufse von bestimmter
 
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