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Das Mittelalter. Byzanz

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Das Mittelalter
Die Goldschmiedekunst des Mittelalters geht in den ersten
Jahrhunderten ihrer Entwickelung — soweit wir sie verfolgen
können — nicht völlig parallel mit der Plastik und Malerei
jener Zeit, ja nicht einmal mit der Architektur, welche sonst
die dekorativen Künste zu leiten pflegt. Die Ueberlieferungen
des klassischen Altertums, welche sich in den übrigen Künsten,
anknüpfend an erhaltene und direkt verwendete Reste, als ein
Nachleben der Antike bis in die Zeit der Gothik hinein erkennen
lassen, haften in der Goldschmiedekunst nicht wesentlich über
den Verfall des weströmischen Reiches hinaus. Festgehalten
werden nur technische Errungenschaften des Goldschmuckes,
welche sich sogar an einzelnen entlegenen Stellen Italiens bis
in unsere Tage hinein erhalten haben, so dafs es dem Gold-
schmied Castellani in Rom möglich wurde, bei der Wieder-
belebung des antiken Goldschmuckes bäuerliche Arbeiter heran-
zuziehen, welche gewisse Künste des Filigrans und des Gold-
körnens in einer zweitausendjährigen Ueberlieferung übten.
Dagegen verschwindet die antike Formenwelt des Silbergerätes
fast spurlos, ja selbst der Gebrauch des Silbers tritt zurück
gegen das barbarische Gelüste, womöglich auch die Geräte
aus reinem Golde gebildet zu sehen. Wie im Anfänge der
europäischen Kultur finden wir wieder Goldschätze von
schweren, künstlerisch fast wertlosen Formen und Schmuck-
stücke, bei denen lediglich der Materialwert in Frage kommt.
Aber es trat in der Goldarbeit keine jener grofsen Stockungen
ein, welche wir in der eigentlichen Kunstgeschichte zu ver-
zeichnen haben. Das Bedürfnis nach Schmuck- und Gerät-
bildnerei blieb naturgemäfs immer lebendig, wo im Strom der
Völkerwanderung neu entstandene Fürstentümer den Ertrag
ihrer Beute für den Glanz ihres häufig wechselnden Hofhaltes
in leicht beweglicher Form zu verwerten suchten. Natur-
gemäfs haben dieselben Zeitverhältnisse auch eine starke Zer-
störung herbeigeführt, so dafs wir uns nur mit vereinzelten An-
haltspunkten das Bild des frühen Mittelalters aufbauen können.
Byzanz,
welches die Weltherrschaft übernahm, hat unter Einführung
des orientalischen Prunkes einen grofsen Aufwand von Gold
an Geräten und an der Kleidung getrieben. Die Sophien-
kirche wird mit Gold ausgestattet; im Hof halte der Kaiser
sind die goldenen Konfektschüsseln von solchem Gewicht,
dafs sie durch Stricke von der Decke her auf die Tafeln
gehoben werden müssen. Als besonders charakteristisch er-
 
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