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Barock und Rococo

U7

die Stockgriffe und ähnliches werden gebildet, sondern kleine
Ziergeräte ohne Gebrauchszweck, winzige Kannen und Schalen,
kleine Figuren von Zwergen und Bettlern aus monströsen
Perlen, und alles dies fällt mehr dem Juwelier als dem Gold-
schmied zu. Der Hauptmeister in diesen Dingen ist Johann
Melchior Dinglinger, geb. 1664, 7 1731 in Dresden, wo er
seit etwa 1694 für den prachtliebenden Hof Augusts des
Starken und seiner Nachfolger beschäftigt war, und wo sich
im Grünen Gewölbe vieles von seinen Arbeiten erhalten hat.
Das Meistbewunderte hiervon ist ein grofser Tafelaufsatz mit
Scharen von winzigen, aus Schmelz und Edelsteinen ge-
bildeten Figuren, ein Fest des Grofsmoguls darstellend. Von
demselben Meister ein Theegeschirr in Gold und Rubinen.
Sein Nachfolger, aber in bescheidenerer Zeit und schlichteren
Formen, Joh. Christ. Neuber, 7 1808. In Berlin sind herrliche
Dosen aus schlesischen Steinen in künstlerisch vollendeter
Fassung aus der Zeit Friedrichs II im Kronschatz. Einfache
Stücke im Museum Pultschr. 427 und 428.
Die kirchliche Kunst der Barockzeit
steht in katholischen Landen unter dem Einflufs des Jesuiten-
stiles. Die Kirchengeräte werden zur prunkvollsten Repräsen-
tation gesteigert. Die silbernen Altäre des Mittelalters und der
Renaissance waren Altaraufsätze von mäfsiger Höhe, die Barock-
kunst türmt sie bis zur Decke der Kirche empor mit Säulen,
Gebälk und lebensgrofsen Figuren. Für die reichen Ausla-
dungen und flatternden Gewänder ist die Treibearbeit in Silber-
blech eine willkommene Technik, die zu grofser Meisterschaft
für breite dekorative Wirkung entwickelt wird, so an dem
grofsen Altaraufbau mit dem Sarge des heiligen Nepomuk in
Prag. An die Stelle des älteren architektonischen Sakrament-
häuschens treten grosse Engelsgruppen aus Silber, welche den
Schrein schwebend emporzuhalten scheinen. Die Altarleuchter
wachsen auf zwei Meter Höhe heran, auch diese in getriebener
Arbeit mit breitem, dreikantigem Sockel, an allen Teilen mit
stark herausgearbeitetem Blumenwerk bedeckt. Statt der zwei
Altarleuchter des Mittelalters nunmehr eine geschlossene Front,
öfters in mehreren Reihen von steigender Gröfse. In ähnlicher
Weise die Ampeln: die eigentliche Glasschale mit der ewigen
Lampe von etwa 10 cm Durchmesser wird von einem annähernd
kugelförmigen Körper von oft 50 cm Durchmesser getragen.
[Beispiele gleichartiger Zinnleuchter und Messing-Ampeln im
Kunstgewerbe-Museum.]
Der Reliquienkultus ist etwas zurückgetreten und für
künstlerische Aufgaben weniger ergiebig. Statt des kapellen-
 
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