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Martin, Rudolf
Lehrbuch der Anthropologie in systematischer Darstellung: mit besonderer Berücksichtigung der anthropologischen Methoden ; für Studierende, Ärzte und Forschungsreisende ; mit 460 Abbildungen im Text, 3 Tafeln und 2 Beobachtungsblättern — Jena, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.37612#0705
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E. Gehirnschädel als Ganzes.

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lmnderts war ausgesprochen dolichokephal, während in diesen Ge-
bieten heute Brachykephale mit einem mittleren Index von 84 sitzen.
Dasselbe hat AAHisBACH (1897) für Bosnien und ToLDT für Nieder-
österreich. Mähren und Böhmen nachgewiesen.

Gruppe
Ala-
man-
nen
Proz.
Rezente Schweizer
Altslawen
9.—14.
Jahrh.
Proz.
Rez. Böh-
men und
Mähren
Proz.
Krain
Proz.
Nord-
schweiz
Proz.
Buochs
Proz.
Wallis
sentis :
Proz. Proz.
Dolichokephale
40,0
2,3
— 1,6
39
1,3
0,8
Mesokephale
45,0
16,8
8
6 : 9,3
52,5
18,3
19,5
Brachykephale
13)
43,51
471
411
8,5)
57,01
37,3)
Hvperbrachv-
15
181,2
W2
194 89,0
8,o
o,oj
180,4
79 V
kephale
2
37,7)
45j
52)
23,4)
12,5 (

In England finden sich in den langen Hünengräbern (long bar-
rows) mit Beigaben von Steinwerkzeugen fast nur Dolichokephale, in
den Hügelgräbern (round barrows) mit Stein- und Bronzewerkzeugen
dagegen in 65 Proz. Brachykephale (TnuRNAM, Dvvis, ScHusTER). In
Schweden und Dänemark nimmt der Prozentsatz der Dolichokephalen
von der Stein- zur Eisenzeit stark zu (von 48 auf 65 Proz., resp. von
23 auf 68 Proz.), um in der neueren Zeit wieder bedeutend abzunehmen
(FÜRST). Die verschiedenen, auf deutschem Gebiete sich ablösenden
Schädelformen hat vor allem SciiLrz (1908—1912) zusammengestellt.
Eine Erklärung für dieses Verschwinden der mehr langköpfigen
und die Vermehrung der kurzköpfigen Formen ist auf verschiedenen
AVegen versucht worden. Entweder man nimmt eine allmähliche,
langsame Umwandlung der Kopfform bei stabiler Bevölkerung
an, oder man vermutet eine Verdrängung und Absorption der ursprüng-
lichen, wenig zahlreichen langköpfigen Elemente durch Einwanderung
und Infiltration einer individuell zahlreicheren brachykephalen Rasse
oder man postuliert schließlich eine Dominanz der Brachykephalie in
der Vererbung, was ebenfalls zu einem allmählichen AKrherrschen
dieses Typus führen mußte (FiscHER 1913).
Die erstgenannte Hypothese deckt sich mit der Frage der Ent-
stehung der Schädelform überhaupt. Es ist im obigen schon wieder-
holt (S. 598 u. 643) darauf hingewiesen worden, wie sehr das Gehirn-
wachstum das Schädelwachstum und damit auch die Schädelform
beeinflußt, und wie die absolute Größe des Gehirns, d. h. der Gehirn-
kapsel, die ihrerseits wieder in einer gewissen Korrelation zur Körper-
größe steht, mit der Schädelform zusammenhängt (S. 644). Es ist
sogar sehr wahrscheinlich, daß schon in den besonderen Formverhält-
nissen des Ohondrocraniums, denen sich die Gehirnbasis anpassen
muß, in erster Linie die vererbte Anlage für die Ausbildung der
spezifischen Schädelformen zu suchen ist (ToLDT 1910). Denn die
Amriationen, die tatsächlich in dein vorderen und hinteren Abschnitt
des knorpeligen Primordialcraniums bestehen, werden ihren Einfluß
auch noch auf die weitere Ausgestaltung des Schädels in seinen
häutigen Abschnitten geltend machen müssen (SHiNDo).
Diesen inneren Momenten gegenüber kann der Einfluß äußerer
mechanischer Faktoren, der bis jetzt am meisten berücksichtigt
wurde, nur sekundärer Natur sein. Die Annahme einiger Geburts-
 
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