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Martin, Rudolf
Lehrbuch der Anthropologie in systematischer Darstellung: mit besonderer Berücksichtigung der anthropologischen Methoden ; für Studierende, Ärzte und Forschungsreisende ; mit 460 Abbildungen im Text, 3 Tafeln und 2 Beobachtungsblättern — Jena, 1914

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.37612#0788
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766

Kraniologie.

Bei der Frau ist der Index meist niedriger; sie ist also rundstirniger
als der Mann, d. h. die Wölbung ihrer Stirn ist voller, oft blasen-
förmig gestaltet. Hochgewölbte Stirn kommt aber auch bei anderen
Schädelformen vor, wie die Indexwerte der Mongoloiden und der
Aegypter beweisen. Die Affen haben im allgemeinen hohe Werte
(Gruppenmittel zwischen 89 und 96, Lemuren sogar 98), bei jugend-
lichen Individuen aber geht der Index tiefer herunter (Orang-Utan
bis 85, Schimpanse bis 86).
Der sagittale Frontal-Index gibt aber deshalb keine ganz ein-
deutigen Resultate der wirklichen Krümmungsverhältnisse, weil auch
hier wieder die absolute Länge der Sehne einen Einfluß ausübt, und
weil ferner der Bogen als ein einheitlicher in Rechnung gestellt wird.
Das Letztere ist auch bei demKrümmungswinkel des Stirnbeins
(Technik S. 536) der Fall. Einige Mittelwerte dieses Winkels seien
hier angeführt:

Krümmungswinkel des Stirnbeins.

Europäisches Kind
122—126°
Australier
133°
Dschagga
126°
Kalmücken
136°
Elsässer U
130°
Neandertaler
139°
K 9
131°
Spy 1
151°

Am stärksten ist also die Abflachung der Stirn bei Homo Neander-
talensis. Man kann auch die Glabella außer acht lassen und Sehne
und Bogen des cerebralen Teiles allein, vom Ophryon oder Supra-
glabellare aus, messen. Dieser Index beträgt bei italienischen Kindern
86,6, bei dem erwachsenen $ 87,1, beim J 89,3, bei Negern 89,8, beim
Neandertaler 95,1 (Mocm).
Zur genaueren Charakterisierung der Krümmungsverhältnisse
müssen aber die sogenannten Krümmungswerte (vgl. S. 533) be-
nützt werden, und die Gegenüberstellung der folgenden Zahlen gibt
einen Einblick in die charakteristischen Unterschiede der Krümmung
bei Homo Neandertalensis und Homo sapiens.

Kr ümmungs werte des Frontale.

Gruppe
Abschnitte
Mittel
1.
2.
3.
4.
5.
6.
Neandertaler
2
—5
19
12
6
0
6
Birmanen
6,1
19,1
15,1
11,8
10,5
7,3
11,6
Maori
6,4
19,5
14,2
9,6
8,4
7,3
10,7
Papua
8,2
20,3
15,9
12,3
9,6
8,3
13,7
Australier
8,1
16,2
14,3
9,3
9,2
9,7
1L1
Schweizer (Disentis)
—0,6
18,1
17,2
11,8
10,6
8,4
10,9
Polen
1,3
19,2
17,3
11,6
11,7
9,9
11,9
Bayern G
0,5
17,6
17,9
13,0
11,9
8,6
12,4
„ $
6,4
19,4
20,1
13,6
12,3
8,7
13,4

Die Unterschiede der beiden Gruppen sind deutlich, am besten
ausgesprochen in der Supraglabellarregion, in der auch, wie die zu-
letzt aufgeführte Gruppe zeigt, eine bemerkenswerte sexuelle Differenz
besteht.
Die verschiedene Ausbildung der Glabella, sowie der ganzen
Superciliarregion, bildet ein wichtiges anthropologisches Merkmal. Im
 
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