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Martin, Rudolf
Lehrbuch der Anthropologie in systematischer Darstellung: mit besonderer Berücksichtigung der anthropologischen Methoden ; für Studierende, Ärzte und Forschungsreisende ; mit 460 Abbildungen im Text, 3 Tafeln und 2 Beobachtungsblättern — Jena, 1914

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https://doi.org/10.11588/diglit.37612#0602
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580

Kraniologie.

Zum Schluß projiziere man die beiden Poria und zwei Punkte
der Mediansagittalen auf das Zeichenblatt und verbinde die zusammen-
gehörigen Punkte durch gerade Linien.
Damit ist die Kurvenzeichnung des Schädels vollendet. Es ist
vorteilhaft, sämtliche drei Kurvensysteme sorgfältig auf Millimeter-
papier ') zu übertragen und in der angegebenen Strichmanier oder mit
farbiger Tusche auszuziehen.
Auch die Kurvenzeichnung defekter Schädel (Calva), welche nicht
mehr im Kubuskraniophor befestigt werden können, ist möglich, in-
dem man in das mittlere Loch der Marmorplatte den Schädelhalter
mit Metallschale befestigt. Vgl. Fig. 206 S. 499 und ScHLAGiNHAUFEN
(1912). Die Einstellung solcher Schädel dauert natürlich länger und
muß von Zeit zu Zeit kontrolliert werden.
Für den Unterkiefer kommt nur die Mediansagittalkurve in Be-
tracht. Die zu ihrer Zeichnung notwendige Einstellung des Knochens
ist S. 498 beschrieben worden. Der Diagraph wird rund um den
Knochen herumgeführt. Beispiele solcher Mediandiagramme siehe bei
Unterkiefer.
Will man entsprechende Kurven verschiedener Schädel miteinander
vergleichen, so ist eine genaue Superposition notwendig, was durch
Verwendung von dünnem Millimeterpapier sehr erleichtert wird. Oder
man zeichne die Kurven auf durchsichtiges Papier und benütze zur
Orientierung die eingezeichnete Ohraugen-Ebene und Ohrvertikale.
Handelt es sich ferner darum, z. B. die Höheneotwicklung zweier
absolut verschieden großer Schädel zu vergleichen, so muß auch die
gewählte Basislinie gleich gemacht werden, was durch entsprechende
Vergrößerung resp. Verkleinerung der einen der beiden Schädelkurven
(mittels des Dioptrographen S. 46) geschehen kann. Erst dann ist eine
direkte Vergleichung möglich.
Schädelkurven, die nicht an genau orientierten Schädeln mit
guten Instrumenten genommen werden, sind irreführend und wertlos.
Wie gut aber die beschriebenen Kurven die charakteristische Form
des Schädels wiedergeben, lehren Rekonstruktionen, wie die in Fig. 230
reproduzierte. Einzelne wichtige Merkmale des Schädels können über-
haupt nur an Hand solcher Kurven richtig beurteilt werden. Vgl.
den kraniologischen Abschnitt, besonders unter Schädelhöhe, Stirnbein
und Hinterhaupt.
Ein genaues Studium der angefertigten Kraniogramme läßt also
in ausgezeichneter Weise alle wesentlichen Eigenschaften des Schädel-
baues erkennen. Am meisten Aufschluß liefern die Sagittalkurven.
So kann man auf der Mediansagittal-Kurve vom Basion aus nach
verschiedenen Punkten des Schädelgewölbes Radien'-) ziehen (OuN-
NiNGHAM, TuRNER, DucKWORTH) und daran sowohl die Schuppenhöhen
der verschiedenen Deckknochen, als auch die Winkel zwischen den
einzelnen Radien sowie zahlreiche andere Verhältnisse messen.

1) Sehr geeignet dafür ist das Millimeterpapier von C. Schleicher und Schuh,
Düren. Skizzenblock No. 332'/,. Größe eines Plattes mit Rahmen 260:200 mm.
2) In ähnlicher Weise hat man schon seit langer Zeit, besonders in der eng-
lischen (GRATTAN, Ci.ELAND, BuSK) und in der französischen (ßROCA) Schule
von dem Ohrpunkt aus sogenannte Auricular- oder Ohrradien gezogen und ent-
sprechende Maße genommen.
 
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