der Unterridit seine Krönung durch die Lektüre repräsentativer Werke erfahren
sollte. So berechtigt Wilsings methodischer Ansatz ist, so sehr steht er doch
unter dem Zeichen der Reaktion auf Verkürzung der Stundenzahlen; v. H. da-
gegen stellt sein didaktisches Postulat, um die ganze Schärfe der Forderung deut-
lich zu machen, für das altsprachliche Gymnasium, dessen Stundenzahl ja immer
noch eine befriedigende Lektüre zuläßt. Bereits Wilsing a. O., der v. H.s Buch
in Grundzügen offenbar schon kannte, hat ja betont, daß es zwar nicht angän-
gig sei, im methodischen Schrifttum fast nur den Ausnahmefall des neunjährigen
Lateinunterrichts zum Ausgangspunkt aller Erörterungen zu machen, wie das bei
Hornig und Jäkel geschehe, daß aber anderseits eine Didaktik bei diesem
Typ anzusetzen habe, da sie sich ihre Grundsätze nicht von der Not der Stun-
dentafeln diktieren lassen dürfe: „Wir werden in den folgenden (didaktischen)
Überlegungen vom radikaleren Schultyp mit Latein als 1. Fremdsprache (in
Sexta) ausgehen, weil sich das spezifisch didaktische Problem dort deutli-
cher zeigt. Eine einheitliche Lösung kann es nicht geben“ (v. H. 205 Anm. 1,
Sperrungen vom Verf.). Die Nöte des Lateinunterrichts resultieren aus der In-
kongruenz von Schüler und Gegenstand; sie aber ist, wenn schon nicht hervor-
gerufen, so doch gewiß auf das entschiedenste vertieff durch die nur propädeu-
tische Zielsetzung des Sprachunterrichts. Die Außerachtlassung der stufenimma-
nenten Bildungsziele stellt letztlich auch das Ziel des Oberstufenunterrichts und
damit die Bildungsfunktion des Lateinunterrichts als ganzen infrage. Denn eine
Erkenntnis der Didaktik unterstreicht v. H. auf das nachdrücklichste: „,Bildung c
(. . .) wird durch den Vermittlungsvorgang und nicht durch den Gegenstand
selbst erreicht“ (224), eine Grundwahrheit, die leider gerade von manchen Alt-
philologen gern geleugnet wird. So ist die Didaktik der Unterstufe bestimmt
durch das immanente Bildungsziel; dieses aber ist vor allem die Schaffung einer
„Disposition für das Lernen von Sprache“ (232). „Das geschieht am Latein. Da-
bei wird das Latein ganz ernst genommen, es steht im Mittelpunkt und wird
,gelernt c als Latein, aber ohne die den späteren Stufen vorbehaltenen Maßstäbe
der Lesefertigkeit, der gewandten Übersetzung, der klassischen Latinität, der
Vollständigkeit, des historischen Römertums“ (ebend.). Die „didaktischen Tu-
genden des Latein“ (278), die diese Sprache so geeignet machen, an ihr (nicht
etwa durch sie!) zu wissenschaftlichem Denken zu erziehen, müssen vor jeder
methodischen Überlegung dem Lehrer selbst einsichtig sein. Als die entschei-
dende didaktische Tugend des Latein erweist v. H. seine „,Einfachheit c der lin-
guistischen (flektierenden) Struktur“, und das in zweierlei Hinsicht: der Schiiler
ist zum Verständnis der vielen unausgedrückten Relationen auf den Sachzusam-
menhang angewiesen; anderseits sind diejenigen Relationen, die das Latein aus-
drücklich wiedergibt, um so sichtbarer gegeben (278). Man sieht, daß sich hier
die oft zitierte Diskrepanz zwischen Didaktik und Sprachwissenschaft auflöst.
Der strukturalistische Grundsatz ,Gleiches auf gleiche Weise c muß zum didak-
tischen und darüberhinaus zum methodischen Grundsatz werden, wenn wir das
didaktische Ziel nicht verfehlen wollen. Das aber bedeutet sprachlich wie metho-
disch vor allem die Abwendung von der traditionellen Schubkastengrammatik 0.
Diese Forderung, die Mehrschichtigkeit vieler Erscheinungen ernstzunehmen und
auszuwerten, ist bekanntlich in der methodischen Literatur schon vielfach er-
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sollte. So berechtigt Wilsings methodischer Ansatz ist, so sehr steht er doch
unter dem Zeichen der Reaktion auf Verkürzung der Stundenzahlen; v. H. da-
gegen stellt sein didaktisches Postulat, um die ganze Schärfe der Forderung deut-
lich zu machen, für das altsprachliche Gymnasium, dessen Stundenzahl ja immer
noch eine befriedigende Lektüre zuläßt. Bereits Wilsing a. O., der v. H.s Buch
in Grundzügen offenbar schon kannte, hat ja betont, daß es zwar nicht angän-
gig sei, im methodischen Schrifttum fast nur den Ausnahmefall des neunjährigen
Lateinunterrichts zum Ausgangspunkt aller Erörterungen zu machen, wie das bei
Hornig und Jäkel geschehe, daß aber anderseits eine Didaktik bei diesem
Typ anzusetzen habe, da sie sich ihre Grundsätze nicht von der Not der Stun-
dentafeln diktieren lassen dürfe: „Wir werden in den folgenden (didaktischen)
Überlegungen vom radikaleren Schultyp mit Latein als 1. Fremdsprache (in
Sexta) ausgehen, weil sich das spezifisch didaktische Problem dort deutli-
cher zeigt. Eine einheitliche Lösung kann es nicht geben“ (v. H. 205 Anm. 1,
Sperrungen vom Verf.). Die Nöte des Lateinunterrichts resultieren aus der In-
kongruenz von Schüler und Gegenstand; sie aber ist, wenn schon nicht hervor-
gerufen, so doch gewiß auf das entschiedenste vertieff durch die nur propädeu-
tische Zielsetzung des Sprachunterrichts. Die Außerachtlassung der stufenimma-
nenten Bildungsziele stellt letztlich auch das Ziel des Oberstufenunterrichts und
damit die Bildungsfunktion des Lateinunterrichts als ganzen infrage. Denn eine
Erkenntnis der Didaktik unterstreicht v. H. auf das nachdrücklichste: „,Bildung c
(. . .) wird durch den Vermittlungsvorgang und nicht durch den Gegenstand
selbst erreicht“ (224), eine Grundwahrheit, die leider gerade von manchen Alt-
philologen gern geleugnet wird. So ist die Didaktik der Unterstufe bestimmt
durch das immanente Bildungsziel; dieses aber ist vor allem die Schaffung einer
„Disposition für das Lernen von Sprache“ (232). „Das geschieht am Latein. Da-
bei wird das Latein ganz ernst genommen, es steht im Mittelpunkt und wird
,gelernt c als Latein, aber ohne die den späteren Stufen vorbehaltenen Maßstäbe
der Lesefertigkeit, der gewandten Übersetzung, der klassischen Latinität, der
Vollständigkeit, des historischen Römertums“ (ebend.). Die „didaktischen Tu-
genden des Latein“ (278), die diese Sprache so geeignet machen, an ihr (nicht
etwa durch sie!) zu wissenschaftlichem Denken zu erziehen, müssen vor jeder
methodischen Überlegung dem Lehrer selbst einsichtig sein. Als die entschei-
dende didaktische Tugend des Latein erweist v. H. seine „,Einfachheit c der lin-
guistischen (flektierenden) Struktur“, und das in zweierlei Hinsicht: der Schiiler
ist zum Verständnis der vielen unausgedrückten Relationen auf den Sachzusam-
menhang angewiesen; anderseits sind diejenigen Relationen, die das Latein aus-
drücklich wiedergibt, um so sichtbarer gegeben (278). Man sieht, daß sich hier
die oft zitierte Diskrepanz zwischen Didaktik und Sprachwissenschaft auflöst.
Der strukturalistische Grundsatz ,Gleiches auf gleiche Weise c muß zum didak-
tischen und darüberhinaus zum methodischen Grundsatz werden, wenn wir das
didaktische Ziel nicht verfehlen wollen. Das aber bedeutet sprachlich wie metho-
disch vor allem die Abwendung von der traditionellen Schubkastengrammatik 0.
Diese Forderung, die Mehrschichtigkeit vieler Erscheinungen ernstzunehmen und
auszuwerten, ist bekanntlich in der methodischen Literatur schon vielfach er-
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