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Deutscher Altphilologenverband [Hrsg.]
Mitteilungsblatt des Deutschen Altphilologenverbandes — 12.1969

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Nr. 4
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https://doi.org/10.11588/diglit.33082#0072

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macht jedenfalls der Beitrag von St Zepic (Münster) „Zum Problem der automati-
schen Erzeugung der deutschen Nominalkomposita“. Überhaupt müßte der Grund-
satz der modernen Linguistik (auch soweit sie nicht am Computer orientiert ist),
daß eine möglichst ökonomische Fassung des Regelwerkes anzustreben sei (vgl. S. 13
Anm. 22, S. 33), daraufhin überprüft werden, ob dadurch nicht wesentliche Teile
des Erkennungswürdigen, vor allem auf dem Gebiet der Sprachentwicklung, unter
den Tisch fallen. Ein knapper Bericht über eine Konstanzer Dissertation von E. Pause
teilt mit, daß eine elementare transformationelle Erzeugungsgrammatik fürs Fran-
zösische mit einem Syntheseprogramm geschrieben wurde, durch das korrekte Sätze
vom Automaten erzeugt werden können, wobei dieselbe Grammatik Erkennungs-
grammatik formuliert und mit einem Ausleseprogramm versehen es erreicht, daß für
jeden anhand der Grammatik formulierbaren Satz automatisch eine Strukturbe-
schreibung geliefert wird. Man wird sich aber die Sätze sehr simpel vorstellen müs-
sen. Etwas anderes ist es, wenn, wie für die Alten Sprachen in Lüttich und Tübingen,
der Computer benützt wird, um aus der vorliegenden Literatur umfangreiches Ma-
terial für Forschungen bereitzustellen, worüber auf dem internationalen Kongreß
für Altertumswissenschaft in Bonn berichtet wurde.

Verschiedene Randerscheinungen können dem Beobachter der modernen Lingui-
stik die Frage aufdrängen, ob die neuen Zielsetzungen und Methoden, grob gesagt,
„links“ im politischen Sinne sind. Keinesfalls ist es angängig, voreingenommene
Sympathie oder Antipathie auf dieser Prämisse zu begründen. Eine umfangreiche
Rezension des Studenten J. Sternsdorff (Münster) von aus dem Amerikanischen
übersetzten Werken zur Semantik zeigt zwar unverkennbar die Sprache der Neuen
Linken (aufklärend-emanzipatorische Funktion der linguistischen Ergebnisse, Be-
freiung von durch Staat, Kirche, Eltern, Lehrer und Priester in uns mit autoritären
Methoden fixierten „Überzeugungen“). Aber die zugrunde liegende Entdeckung,
daß die Sprache Voraussetzungen enthalte, die unsere Gedanken weitgehend und un-
bewußt bestimmen, ist ja, wenn nicht schon von Humboldt, auch von Weisgerber
gemacht worden, an dessen Werke man hier auf Schritt und Tritt erinnert wird.
Natürlich wird er hier nicht genannt (und wohl auch garnicht gekannt), weil er
doch schwerlich gerade „links“ eingeordnet werden kann. Und wenn gesagt wird,
daß das „Nervensystem (Seelenleben)“ so umerzogen werden müsse, daß seine Auf-
merksamkeit von den Symbolen weg auf die hinter ihnen liegende Wirklichkeit ge-
lenkt wird (55), so wurde das schon lange als Begründung für die erzieherische
Wirkung der Ubersetzung aus dem Deutschen ins Lateinische angeführt.

H. Weinrich gibt nochmals „Überlegungen zu einem Studienmodell der Lin-
guistik“, wobei die Ausführungen im ersten Heft zum Teil wiederholt, zum Teil er-
weitert und geklärt werden. Die Vorschläge sind so revolutionierend und teilweise
geradezu utopisch, daß die Bedenken selbst eines Schulmannes, der sich durchaus
auch als Linguist fühlt, garnicht in Kürze aufgeführt werden können. Das Studium
der Linguistik wird grundsätzlich als Studium der Allgemeinen Linguistik definiert,
innerhalb deren es keine Fächer und Einzelphilologien mehr geben soll. Das neue
Berufsbild des Linguisten als Lehrers an Höheren Schulen soll verschieden sein von
dem des Literaturwissenschaftlers als Lehrers an Höheren Schulen. Das Facli Deutsch
ist aufzulösen und aus ihm ein Schulfach Linguistik herauszusondern. Der Gymnasial-
lehrer der Linguistik (B-Prüfung) unterrichtet das Fach Linguistik an der deutschen
Sprache und lehrt zwei oder drei Fremdsprachen. Allerdings wird für das Studium
der Linguistik ein literarisches Begleitstudium verlangt wie für das Studium der
Literaturwissenschaften ein linguistisches. Ob mit solchen Vorschlägen dem berech-
tigten Wunsch der Linguistik nach mehr Wirkung auf den Schulunterricht gedient
ist, ist sehr zu bezweifeln. Raimund Pfister

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