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Fößel, Amalie; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Königin im mittelalterlichen Reich: Herrschaftsausübung, Herrschaftsrechte, Handlungsspielräume — Mittelalter-Forschungen, Band 4: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.26280#0360
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Darüber hinaus berichtet Wipo, daß Heinrich II. der Kaiserin die Reichsinsignien
hinterlassen habe, und Kunigunde diese dann nach dem Kürspruch der Fürsten
und der Akklamation des Volkes in Kamba dem als Nachfolger im Königsamt ge-
wählten Konrad den Älteren übergeben und ihn damit in der Herrschaft bestätigt
habe:
Sztpra dz'cH z'wpcrahzh CfzzmggMwda rggaiz'a z'nsz'grtz'a, zjzzae szTz z'mpgrafor Hczürzczzs m-
ü'zjtzgmf, grafaz-zfgr oHaizY gf ad rggziawdzzzw, ^aazzfaztz fzazas sgxas aMcforz'fah's gsf, z7-
Nzzi corrofzorauz'i^k
Aus diesen Textstellen ist vor allem in der älteren Forschung eine förmliche »Reichs-
verweserschaft« Kunigundes abgeleitet worden^, wobei insbesondere die Insigni-
enübergabe »als der erste Fall dieser Art in der deutschen Geschichte«^ ms Zen-
trum der Argumentation gerückt wurde. Harry Bresslau zufolge übersteigt die
Übergabe der Insignien durch die Kaiserin zum Abschluß der Wahlversammlung
selbst die Akklamation des Volkes in ihrer rechtlichen Bedeutung, weshalb er auch -
in Zuspitzung dieser These - von der »Anerkennung der Wahl durch Kunigunde«
spricht^. Kritik an der Vorstellung einer »Reichsverweserschaft« der Kaiserin in
den knapp sieben Wochen der Thronvakanz übte Hans Fricke in einer begriffsge-
schichtlichen Dissertation über »Reichsvikare, Reichsregenten und Reichsstatthal-
ter« mit dem Argument, daß es an einer rechtlichen Begründung für dieses Herr-
schaftsrecht gefehlt habe. Denn weder der Besitz der Reichsinsignien noch die
frühere Stellung Kunigundes als cozisors rggrzz noch der Wortlaut bei Wipo würden
ein solches Recht begründen^. Dabei geht er von der förmlichen Bestellung von uz-
carz'z seit dem 13. Jahrhundert aus, die entweder in Stellvertretung a^sczzfc mge Regie-
rungsbefugnisse erhielten oder nach dem Tod des Herrschers - mcatzfg z'zttpgn'c - bis
zur Neuwahl eines Nachfolgers seine Stelle einnahmen. Die neuere Forschung be-
tont eher die politischen Aspekte, indem auf die aktive Rolle der Kaiserin nach dem
Tod Heinrichs II. für die Friedenswahrung wie im Hinblick auf die Wahl von Kamba
hingewiesen wircF^.
Nach wie vor stellt sich jedoch die Frage nach der rechtlichen Dimension der
von Wipo berichteten Aktivitäten der Kaiserin. Dabei ist zuerst eine Klärung der Be-
grifflichkeit notwendig. Diese erscheint angesichts der inhaltlichen Indifferenz in
der Literatur problematisch, zumal es sich beim Begriff des Verwesers lediglich um

131 Wipo, Gesta Chuonradi c. 2 S. 19.
132 Neben den in den nächsten beiden Anmerkungen zitierten Autoren u. a. von KIRCHNER, Kaise-
rinnen S. 26; Hans ScHREUER, Wahl und Krönung Konrads II. 1024, Historische Vierteljahrs-
schrift 14 (1911) S. 327-366, hier S. 361 und noch KETSCH, Aspekte S. 40. Von der Führung der
»Regentschaft« durch Kunigunde und ihre Brüder spricht GEBSBR, Kunigunde S. 56f.
133 VoGELSANG, Frau als Herrscherin S. 29.
134 BRESSLAU, Konrad II., Bd. 1, S. 24f.
135 Hans FRiCKB, Reichsvikare, Reichsregenten und Reichsstatthalter des deutschen Mittelalters.
Ein Kapitel aus der Verfassungs- und Verwaltungsgeschichte des deutschen Reiches vom zehn-
ten bis zum vierzehnten Jahrhundert (1949) S. 2f.
136 Vgl. zuletzt dazu Jörg W. BuscH, Thronvakanzen als Spiegel der Entwicklung des deutschen
Reiches zwischen dem 10. und dem 14. Jahrhundert, Majestas 3 (1995) S. 3-33, bes. S. 16-18. - In
Fehleinschätzung der politischen Stellung wie der persönlichen Autorität der Kaiserin meint
GLOCKER, Verwandte der Ottonen S. 230 in ihrer Handlungsweise nach dem Tod Heinrichs II.
»noch einen Teil der Autorität ihres verstorbenen Mannes« zu sehen.

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