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Fößel, Amalie; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Die Königin im mittelalterlichen Reich: Herrschaftsausübung, Herrschaftsrechte, Handlungsspielräume — Mittelalter-Forschungen, Band 4: Stuttgart, 2000

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https://doi.org/10.11588/diglit.26280#0394
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verschiedenen Bischofskirchen, vorwiegend jedoch in Mainz und Köln, stattfanden
und von wechselnden Koronatoren geleitet wurden. Dies gilt für das hohe Mittelal-
ter generell und somit auch für die Paare, die zum Zeitpunkt der Königswahl bereits
verheiratet waren. Da für die Königin keine Thronsetzung auf dem Aachener Karls-
thron vorgesehen war, ergab sich auch nicht die Notwendigkeit, ihre Krönung in
Aachen vorzunehmen.
Erst seit spätstaufischer Zeit fand die Krönung des Herrscherpaares als ge-
meinsamer Termin statt. Damit galt jetzt auch für die Königin, was sich schon in sa-
lischer Zeit für den König fest etabliert hatte, daß der Krönungsort Aachen hieß und
der Kölner Erzbischof, abgesehen von wenigen Ausnahmen, als Koronator fungier-
te. Selbst für die seltenen Einzelkrönungen der Königin reiste man eigens nach Aa-
chen, so zum Beispiel 1227 die mit dem Staufer Heinrich (VII.) verheiratete Marga-
rete von Österreich (* 1204/05 [1210/11?] + 1266) sowie 1354 Anna von Schweidnitz-
Jauer (* 1338/39 + 1362), die dritte Gemahlin Karls IV.
Während also im hohen Mittelalter durchgängig eine jeweils eigene Krönungs-
zeremonie anberaumt wurde, die in ihrer Wirkung als Demonstration der Herr-
schaftsausübung und Handlungsfähigkeit der Königin als consors mgm verstanden
werden könnte, wird im späten Mittelalter grundsätzlich die Paarkrönung in Aa-
chen praktiziert. Damit war die ursprüngliche Bedeutung der hinsichtlich Ort und
Koronator variablen Krönung der Königin, bei der die Zeremonie an sich deutlicher
im Vordergrund stand, aufgegeben zugunsten der Repräsentationsfunktion und
Symbolkraft der Aachener Marienkirche. Dies führte schließlich dazu, daß Maximi-
lian I. nach einer Verschiebung des Aachener Krönungstermins für seine Gemahlin
Bianca Maria Sforza (* 1472 11510) auch keinen anderen Ort in Betracht zog.
Dennoch steht außer Frage, daß die Krönung der Königin zu jeder Zeit einen
wichtigen Akt darstellte, auf den nur in wenigen Ausnahmesituationen verzichtet
wurde. Als entscheidendes Kriterium ist dabei die Zeremonie an sich zu werten, die
nicht unbedingt als Königinnen-Krönung stattfinden mußte. So wurden Herrsche-
rinnen in ottonischer und staufischer Zeit, aber auch noch im 14. und 15. Jahrhun-
dert, so Margarete von Hennegau (* 1307/10 t 1356), Elisabeth von Pommern
(* 1347 + 1393) und Eleonore von Portugal (* 1436 1 1467), gleich zu Kaiserinnen in
Rom gekrönt. Abgesehen davon hatte sich seit der Mitte des 14. Jahrhunderts die
Anzahl der Krönungen durch die Kronen Böhmens und Ungarns erhöht. Solche
wurden an allen Gemahlinnen der dort herrschenden Könige aus dem Haus der Lu-
xemburger vollzogen.
Die einzelnen Bestandteile der Zeremonie - Weihe, Salbung mit Chrisam, Krö-
nung - und die sie begleitenden Gebete folgten dem sogenannten Mainzer Ordo aus
dem 10. Jahrhundert und blieben, unabhängig in welchem Rahmen sie stattfand, bis
zum 15. Jahrhundert unverändert. Die hier festgeschriebenen Texte wurden wort-
wörtlich immer wieder in die Krönungsordines des späten Mittelalters kopiert. In-
haltlich präsentieren die Gebete und Fürbitten einen an biblischen Frauengestalten
exemplifizierten Tugendkatalog, der das Bild einer durch Frömmigkeit, Barmher-
zigkeit und Weisheit ausgezeichneten, mit Nachkommenschaft gesegneten und als
coMsors reym politisch aktiven Herrscherin vorgibt. Mit der Bezugnahme auf die alt-
testamentarischen Heldinnen Judith und Esther, die ihr Volk vor der Vernichtung
durch den Feind retteten, wurde die Vorstellung der politisch klug handelnden, tap-
feren und gerechten Königin ins Zentrum der Krönungszeremonie gerückt. Beson-
ders Esther aber, die der König zur Gemahlin nahm und ihr das consorühw in sei-

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