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Fößel, Amalie; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Die Königin im mittelalterlichen Reich: Herrschaftsausübung, Herrschaftsrechte, Handlungsspielräume — Mittelalter-Forschungen, Band 4: Stuttgart, 2000

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.26280#0395
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nem Reich zugestand, gab das Modell für die Stellung der Königin als »Mitherr-
scherin« vor.
Ihre Titulaturen entsprachen weitgehend denjenigen des Königs, wobei der Ro-
mgm%-Titel das gesamte Mittelalter hindurch deutlich im Vordergrund
stand und nur bei Verwendung des z'mpcnzfn'x GMgMsfa-Titels als der universelleren
Formel weggelassen werden konnte. Ausnahme blieben die in einigen Urkunden
nachweisbaren Titel der Kaiserin Theophanu (* ca. 959/60 + 991) als coz'mpcmfrz'x
und in maskulinisierter Form als Imperator azzgzzshzs.
Für die politische Stellung der Königin besitzen die Titel der cozzsors regrü, der
consors regrzorazM sowie der cozzsors z'mpgrü scheinbar eine ungleich größere Aussage-
kraft, da sie konkret die Mitherrschaft benennen. Die Durchsicht der Urkunden hat
jedoch ergeben, daß die zahlenmäßige Verbreitung der Formel in der Kanzlei nicht
unbedingt der Bedeutung der jeweiligen politischen Rolle entsprach. Denn nachdem
964 erstmals Kaiserin Adelheid (* ca. 931 f 999) in einem italischen Diplom als regrzz
coz-zsors tituliert worden war, diese Formel somit Eingang in die ottonische Kanzlei ge-
funden hatte und bald auch von den Historiographen rezipiert wurde, setzte keine
allgemeine und regelmäßige Verwendung ein. Vielmehr wurde sie durchschnittlich
nur bei jeder fünften Nennung der Königin und vor allem in italischen Urkunden
herangezogen. Dieser eher seltene Gebrauch entsprach damit keineswegs der her-
ausragenden politischen Leistung der Kaiserinnen Adelheid und Theophanu.
Auch in der Folgezeit läßt sich die Formel lediglich in Urkunden finden, die
entweder von bestimmten Notaren oder aber für italische Empfänger ausgestellt
wurden. Eine generelle Integration in die Titulatur der Königin erfolgte schließlich
erst in der salischen Königskanzlei, die 1048, eineinhalb Jahre nach der Krönung der
Agnes von Poitou (* um 1020/27 1 1077) zur Kaiserin, dazu überging, die Bezeich-
nungen als regz'rzzz beziehungsweise coziz'rzx und cozRechzü's allgemein durch den ccn-
sors-Titel zu ersetzen. Die zu dieser Zeit formulierte Umschreibung für die Stellung
der Königin - »z-zosfrz Rzoz'z Mosfn'zpzg mgzzz cowsors« - läßt sich bis in die 70er Jahre des
II. Jahrhunderts nahezu unverändert nachweisen, so auch für die im Vergleich mit
Agnes politisch weniger hervortretende Bertha von Turin (* 10511 1087). Zum Zeit-
punkt, zu dem nach Auffassung der bisherigen Forschung die cozzsors-Stellung der
Königin durch die Krise des sogenannten Investiturstreits bereits in Frage gestellt
gewesen sein soll, fand die Verwendung der cozrsors-Formel ihren absoluten Höhe-
punkt. Dies änderte sich freilich unter den Nachfolgerinnen Berthas wieder. Seit
dem beginnenden 12. Jahrhundert war sie erneut nur noch eine von mehreren, die
hin und wieder herangezogen wurde.
Dieser Befund macht deutlich, daß die cozzsors-Formel weder die tatsächliche
politische Leistung noch einen institutionell verankerten Rang der Königin zum
Ausdruck bringen sollte. Sie ist in vielen Fällen mit der Krönung zur Kaiserin ver-
knüpft und wurde erst nach diesem Ereignis in die Titulaturen der Kaiserinnen
Adelheid, Agnes und Richenza (* um 1087/95 11141) aufgenommen. Die eher unre-
gelmäßige Verwendung läßt weiterhin darauf schließen, daß mit dem consors-Titel
kein konkreter rechtlicher Anspruch verbunden war. Vielmehr erscheint er als einer
von vielen, dem nur in der salischen Kanzlei eine Präferenz zuteil wurde. Dabei
dürfte die Formel, die auf die Persönlichkeit der Kaiserin Agnes zugeschnitten war
und in gewisser Weise ihren tatsächlichen Anteil an der Herrschaft Kaiser Heinrichs
III. widerspiegelte, aus Gewohnheit heraus für Bertha von Turin beibehalten wor-
den sein, die nicht die politische Bedeutung ihrer Schwiegermutter erreichte.

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