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Lorke, Ariane; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Contr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0053
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52

II Charakteristika der Kirchenreform des 11. Jahrhunderts

solche Weiterentwicklung erfuhr das Simonieverständnis - es sollte darüber
hinaus jedoch zu einem der zentralen Anliegen der Kirchenreform werden.
„Als Bezeichnung für den verbotenen Handel mit geistlichen Sachen, be-
sonders für materielle Leistungen beim Erwerb kirchlicher Ämter", rekurriert
der Begriff Simonie in der kanonischen Überlieferung auf die Person des Simon
Magus, der den Aposteln die Wunderkraft des Heiligen Geistes habe abkaufen
wollen.* * * * * * * * 200 Entsprechende Handlungen traten vermehrt seit der zweiten Hälfte
des 3. Jahrhunderts auf und wurden bald darauf auf Konzilien sowie päpstli-
cher- und kaiserlicherseits verboten.201 Dennoch hielt sich diese Praxis hartnä-
ckig. Ihre Ursachen sind im spätrömischen Sportelwesen, dem Eigenkirchen-
wesen sowie der Schenkungspraxis des Frühmittelalters erkannt worden.202 Sie
führten dazu, dass nicht nur im Grenzbereich zwischen laikaler und weltlicher
Sphäre, sondern auch kirchenintem nahezu sämtliche Kirchenämter simonis-
tisch übertragen worden seien, wie Papst Gregor I. (um 540-604) kritisierte.203 Er
stufte Simonie als Häresie ein und dehnte ihren Bedeutungshorizont von reinen
Geldzahlungen auf Schmeicheleien und Unterwürfigkeit aus.204 Bischof Atto von
Vercelli erweiterte den Simonie-Begriff zwar bereits im 10. Jahrhundert um
fürstliche Bischofseinsetzungen, doch fand diese Ansicht zunächst kaum Ver-
breitung.205 Das gregorianische Verständnis der simoniaca haeresis blieb dagegen

Züge bezüglich der späten Karolinger wahrzunehmen glaubte, relativierte Anton diese Mei-
nungen: Indem Rather eine Höherwertigkeit des Bischofs gegenüber dem König annehme, wie
die Karolinger eine autonome kirchliche Rechtssphäre fordere und als neues Element die kö-
nigliche Bischofsinvestitur gemäß den Kanones in Frage stelle, spitze er die Standpunkte ka-
rolingischer Synoden und Prälaten zu und entwickele damit eine neue Ekklesiologie. Ähnliches
könne für Atto von Vercelli (gest. 961) sowie Abbo von Fleury (gest. 1004) konstatiert werden,
wobei Letzterer mit der Verknüpfung von Simonie und Laieninvestitur beträchtlich über Rather
und Atto hinausgehe, so Anton, Stufen 1987, S. 249.
200 Das Zitat bei R. Schieffer, Simonie 1995, Sp. 1922. - Zum Folgenden vgl. auch Deutinger, Si-
monisten 2009; R. Schieffer, Umgang 2004; ders., Amt 2001; Tellenbach, Kirche 1988, S. F77L,
F140-145; ders., Reform 1985, S. 100-107; vor allem für das 12. Jahrhundert Lynch, Entry 1976;
Gilchrist, Haeresis 1965; Leclercq, Heresis 1947.
201 Vgl. Meier-Weicker, Simonie 1952/53, S. 63.
202 Vgl. ebd., S. 67-74: Der spätrömische Verwaltungsapparat lebte nicht von Gehältern, sondern
von Gebühren für jede Art von Amtshandlungen. Dies habe sich vermutlich auf die Verwaltung
der christlichen Kirche übertragen, zumal manche Bischöfe zugleich römische Beamte gewesen
seien und öffentliche Funktionen wie Gerichtsbarkeit oder soziale Fürsorge übernommen hät-
ten. Auch im Bereich des Eigenkirchenwesens wirkte das weltliche Leben in den geistlichen
Bereich ein: Als Stifter einer Kirche konnte ein Laie zugleich deren Besitzer sein. Damit stand ihm
die Verfügungsgewalt über die jeweiligen kirchlichen Würden zu. Der König verfügte zudem
über das Recht, Bischöfe einzusetzen. Daher musste es „schwierig bleiben, die Grenze zwischen
einwandfreien Stiftungen und simonistischen Vorhaben zu bestimmen" (S. 68). Im germani-
schen Rechtsbereich habe das Prinzip von Leistung und Gegenleistung vorgeherrscht, so dass
auch die Vergabe von Kirchenämtem eine Gegenleistung habe beanspruchen können (S. 73L).
203 So habe Papst Gregor I. - nach Meier-Weicker, Simonie 1952/53, S. 66f. - in seinen Briefen häufig
festgestellt, dass in den Gebieten, in denen seine Adressaten lebten, alle Amtsinhaber mittels
Simonie zu ihrer geistlichen Würde gelangt seien.
204 Vgl. Meier-Weicker, Simonie 1952/53, S. 65f.
205 Wemple, Atto 1979, S. 142.
 
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