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Lorke, Ariane; Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg [Mitarb.]; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Kommunikation über Kirchenreform im 11. Jahrhundert (1030-1064): Themen, Personen, Strukturen — Mittelalter-Forschungen, Band 55: Ostfildern: Jan Thorbecke Verlag, 2019

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https://doi.org/10.11588/diglit.54853#0054
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II.2 Themen und Hintergründe

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in der kanonischen Tradition bis ins 11. Jahrhundert hinein erhalten.206 Außer-
halb dieser und bei den Laien galt Simonie laut Hans Meier-Weicker allgemein
als der „Erwerb geistlicher Ämter durch außergewöhnlich hohe, den Brauch
überbietende Zahlungen und reiche Geschenke. Wer nur auf solchem Wege ins
Amt gelangte, das ihm sonst unerreichbar geblieben wäre und dessen er nicht
würdig war, der galt als Simonist." Andere Zahlungen waren in der frühmit-
telalterlichen Gesellschaft unvermeidlich und wurden daher weniger scharf
geahndet, „denn weder der König noch die Eigenkirchenherm konnten die
Kirchenämter nach rein kirchlichen Gesichtspunkten vergeben", so Meier-Wei-
cker.207 Aufgrund dessen kämpfte die Kirche nicht allein aus Treue zur kanoni-
schen Tradition gegen die simoniaca haeresis, sondern „häufig viel mehr, um
ungeeignete und unerwünschte Personen von wichtigen Ämtern der Kirche
fernzuhalten und eine selbständigere Stellung der Kirche im Staate und in der
Gesellschaft zu behaupten."208 So beeinflussten in karolingischer Zeit geistliche
und politische Motive die Eindämmung der Simonie: Das Königtum versuchte
mittels Kapitularien, der Episkopat auf Synoden und Gelehrte in ihren Traktaten
gegen sie vorzugehen.209 Gerade auf den Konzilien sei ihre Bekämpfung aller-
dings „in Formeln erstarrt"210 und so blieb der Erfolg, ebenso wie in ottonischer
Zeit211, mäßig.
Dies erstaunt umso mehr, als stets nur zwei Argumente für die Simonie ins
Feld geführt wurden: Erstens das nicht zu unterschätzende Gewohnheitsrecht
und zweitens, dass nicht die Benediktion des Priesters, sondern vielmehr die
Güter der zugehörigen Kirche erworben würden.212 Wer aber wollte entscheiden,
ob nun das Eine, das Andere oder beides durch Zahlungen, Geschenke oder
Schmeicheleien erlangt worden war? Hierin wird die Vagheit des Simoniebe-
griffes als eine der zentralen Schwierigkeiten evident: „Überall waren Über-

206 Äquivalente konnten sein hereticus, sacramentum, forma sacramenti, ordinatio rata oder irrita, re-
ordinatio, impositio manus, depositio, gratis ordinati - nescienter ordinati, ignorantia, so Gilchrist,
Haeresis 1965, S. 212.
207 Meier-Weicker, Simonie 1952/53, S. 81.
208 Ebd., S. 73.
209 Vgl. R. Schleifer, Umgang 2004; ders., Simonie 1995, Sp. 1923; Meier-Weicker, Simonie 1952/53, S.
75.
210 Meier-Weicker, Simonie 1952/53, S. 78: Trotz der autoritativen Wirkung traditioneller Wen-
dungen.
211 Dass die ottonischen Herrscher den Konzilien erlaubten', die Simonie und andere Unsitten zu
verbieten, interpretierte Fliehe, Reforme 1924, S. 96f., 99 als imperiale und ausschließlich mo-
ralische Reform. Beispielsweise verdammte die römische Synode Ottos II. und Papst Benedikts
VII. 983 die Simonie auf allen kirchlichen Rangstufen; sei ein Amt nicht gratis zu bekommen,
solle man zur Weihe nach Rom kommen (vgl. Collectio 19, Sp. 79A zum Concilium Romanorum
983). Dennoch dachte sich beispielsweise der spätere Bischof Thietmar von Merseburg noch 1002
nichts dabei, sein Propsteiamt im Stift Walbeck gegen Landschenkung von seinem Onkel zu
erwerben (vgl. Thietmari Merseburgensis chron. VI44). Und auch der Halberstädter Adel ver-
suchte Kaiser Heinrich II. durch Geldversprechen zur Ernennung seines Kandidaten zu bewe-
gen (vgl. Ann. Quedlinburgenses zu 1023, S. 571 sowie Th. Schieffer, Umprägung 1969, S. 413f.).
212 Die Argumente, welche im Verlauf des Mittelalters für die Verteidigung der Simonie ins Feld
geführt worden, sammelte Deutinger, Simonisten 2009.
 
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